Hinein gespült in meine Gehörgänge wurde mir das Album über meinen YouTube-Algorithmus – und da nicht einmal über einen Promo-Kanal, sondern direkt über die Band. Die in Sachen Promotion offenbar sowieso ausgesprochen wenig macht und so leider auch bisher auf Bandcamp wenige Menschen erreicht hat. Das möchte ich ändern, denn ELDINGAR sind richtig, richtig gut.
Als erstes aufgefallen ist mir das wahnsinnig tighte Schlagzeugspiel, das mir in seiner rhythmischen Verspieltheit unvermittelt ein „Genau sowas fehlt dir gerade in deinem Leben!“-Gefühl ins Herz geschickt hat, und zum Glück hatte es damit recht. Denn mit dem Intro haben sich ELDINGAR zunächst keinen Gefallen getan: Es handelt sich zwar um ein gefälliges Folk-Stück, aber es ist zu lang, und das Cellospiel ist nicht besonders gut; zum Glück war es das dann mit dem Cello, und im weiteren Verlauf wird die Aufgabe des Fidelns von einer Kretischen Lyra übernommen, die ausgesprochen kompetent bedient wird und keine Wünsche offen lässt.
Bei ELDINGAR sind Profis am Werk
Was sowieso von der gesamten Band zu sagen wäre: Hier sind Profis am Werk, und sowohl kompositorisch als auch spielerisch haben wir es mit einem Album erster Klasse zu tun: Die Stücke grooven und ballern, dass es eine helle(nische) Freude ist, und auch das atmosphärische Tremolo-Riffing wird an so mancher Stelle ausgepackt und sorgt für die nötige Abwechslung. Im Hintergrund (aber deutlich hörbar) ist zudem ein Bassist am Werk, der nicht nur rhythmisch, sondern auch melodisch immer wieder Akzente setzt, die ins Blut und ins Herz gehen, und vom fantastischen Schlagzeug habe ich ja schon geschrieben.
Die Produktion ist dem hohen Anspruch angemessen: sehr klar und sehr druckvoll und differenziert, so dass es mir wirklich ein vollständiges Rätsel ist, wieso so ein Album im tiefsten Untergrund vor sich hin vegetiert. Gut, die Stücke sind sehr lang und anspruchsvoll und erschließen sich erst nach mehrmaligem Hören, aber das angesprochene Tremolo-Riffing und die vielen knackigen Riffs sorgen für Widerhaken – von den perfekt gesetzten ruhigen Zwischenspielen mal ganz zu schweigen -, so dass ich beim Suchen nach dem nächsten Album zum Hören immer wieder bei „Lysistrata“ hängen bleibe.
Black Metal für den Weltfrieden
Was das Album aber neben dem Underground-Appeal und der starken Musik noch für mich interessant gemacht und letztlich den Ausschlag für die Kaufentscheidung gegeben hat, waren Cover und Konzept. Ich steh einfach auf Schönheit, und dieses Bild, meine Güte, da schaut ein Hirsch einer holden Maid bei Mondschein über die Schulter, hallo?! Das muss ich haben, aber sofort!! Und dann lese ich, dass es um Frieden gehen soll, Frieden in der Welt und/oder in der Seele, und beides kann ich gut gebrauchen, hab ich mir gedacht und schneller auf „Kaufen“ geklickt als ich „Kitsch ist Kunst“ sagen kann.
„‚Lysistrata‘ verkörpert die Auflösung der Armee, mithin den Abschied vom Verlangen nach Macht und, umgekehrt, von der emotionalen Bindung an Unterwerfung“, heißt es (auf Englisch, Übersetzung von mir) im Begleittext auf Bandcamp, und das ist natürlich in gewisser Weise ausgesprochen idealistisch und in ungewisser Weise aber irgendwie sehr sympathisch, wenn sich eine rein männlich besetzte Black-Metal-Band zu derlei Pazifistischem und Feministischem bekennt: „Lysistrata“ ist der Titel eines Stücks des griechischen Dichters Aristophanes, in dem die Frauen sich ihren kriegerischen Männern verweigern; entstanden 411 v. Christus und damit der beste Beweis für die vollkommene politische Bedeutungslosigkeit der Kunst, denn 2600 Jahre später schlagen sich ja immer noch in erster Linie Männer die ganze Zeit die Köppe ein.
Auf „Lysistrata“ kommt keine Langeweile auf
ELDINGARs „Lysistrata“ weiß wohl nun darum und ist zurecht darüber sauer; so ist es kein Wunder, dass die Musik trotz aller pazifistischer Thematik vor Aggression nur so strotzt – wofür nicht zuletzt die vielen dem melodischen Death Metal entnommenen Elemente sorgen. Verbunden mit reichlich dem Prog entliehener Rhythmik und natürlich mit der ganzen lieblichen Folklore entsteht so ein reizvoller Kontrast, und keines der fünf überlangen Metal-Stücke wird jemals langweilig.
Wie sie begonnen haben, hören sie dann auch auf, aber diesmal stimmt alles: Mit gleich zwei Folklore-Stücken endet „Lysistrata“, das erste instrumental (aber spannend) und das zweite mit rauhem melodischen Gesang, der nochmal klar macht, dass a) ein griechischer Akzent dem Englischen nicht unbedingt gut tut, aber b) das überhaupt gar nichts macht, wenn das Ganze so stimmungsvoll und lebhaft klingt wie „Where To Stand“; das somit den perfekten Rausschmeißer für ein ganz und gar ungewöhnliches Album bildet, in welches ihr bitte jetzt ganz schnell mal reinhört.
Spielzeit: 74:34 Min.
Label: Vinylstore (GR)
Veröffentlichungsdatum: 01.11.2024
ELDINGAR „Lysistrata“ Tracklist
1. Dryope
2. Lysistrata
3. Ares
4. Therasia
5. Inside Cosmos
6. Cosmos
7. Ode
8. Myrrine
9. Where To Stand