DŸSE: DŸSE

Was ist denn schon real? Ist es das tägliche Ritual des Aufstehens, mies gelaunt in der S-Bahn zur Arbeit zu fahren, dort Frust zu schieben, mies gelaunt heim zu fahren und sich abends zu beschweren, bis alles am Folgetag von Neuem beginnt? Ich bin da anderer Meinung, DŸSE auch.

Realität? Was ist denn schon real? Ist es das tägliche Ritual des Aufstehens, mies gelaunt in der S-Bahn zur Arbeit zu fahren, dort Frust zu schieben, mies gelaunt heim zu fahren und sich abends zu beschweren, bis alles am Folgetag von Neuem beginnt? Ich bin da anderer Meinung, DŸSE auch. Das holländisch-deutsche Duo versucht sogar, den Hörer total zu renovieren, oder ihm zumindest zu helfen, ihn zu renovieren. Problem dabei – die im Grau des Alltags gefangenen Menschen ohne jegliche Leidenschaft werden diese Scheibe nie hören.

Aber alle anderen, denen der Alltag zu viel wird, und die, die sich nach etwas buntem, lebendigem sehen, werden die unkonventionellen DŸSE sehr interessant, wenn nicht sogar großartig finden. Andre Dietrich von VOLT an der Gitarre und Drummer Jari Rebelein spielen eine Unterart des Noise Rocks, mal abgehackt, hektisch und groovig, mal fies, hinterrücks und psychedelisch. Meistens jedoch verschwimmt all das zu einem Ganzen und DŸSE zeigen, dass es selbst für Noise-Verhältnisse noch abgefahren zugehen kann.

Und das bei groß angelegtem Minimalismus. Einige zahlreich wiederholte Riffs reichen, um relativ lange Songs zu füllen. Langeweile kommt dabei aber nie auf, denn irgendwie schaffen es die beiden Musiker immer wieder, den Songs interessante Wendungen zu geben. Das Riffing zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Album, die Musik wirkt dadurch wie aus einem Guss. Das Duo baut aber immer wieder schräge Wendungen in die Musik ein, sei es das kurze, engelsgleich gesungene Let there be rock am Ende von Zwarte Pieten, das dem Hörer ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubert, oder die großartige Beatbox in Wokkk.

Zynisch sind DŸSE trotz der überschwänglichen, bizarren Lebensfreude dennoch, das bittere Arbeitsamt-Sample in Wokkk tut weh. Dem gegenüber stehen großartige Passagen wie die MELVINS-Hommage Doccode, die einfach gut tun. Die oftmals unterbrochene Riffmonotonie durch das gepresste Geschrei sagt jedoch am meisten über DŸSE und ihr Konzept aus: Hier steht die Musik für die immer gleiche Tretmühle, der man zu entfliehen versucht – das Geschrei als Gegenpart zeigt den Versuch des Ausbrechens aus der Monotonie. Da dies ein ewiges Hin und Her ist, ziehen DŸSE dieses Konzept absolut konsequent und glaubwürdig durch und geben dem Album eine wirklich tiefe Bedeutung. Schön, dass sich eine Band noch derartige Gedanken macht.

Bei dem abschließenden Wolke scheint es so, als würde die Tretmühle gewinnen, doch dann blasen Trompeten zum bizarren Angriff gegen den Rest der Welt, aus anfänglichen Fanfaren wird Gewirr und die beiden Musiker erheben sich zur alles entscheidenden Schlacht. DŸSE werden mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum vielleicht nicht viele Freunde finden, die Anhänger dieser Musikrichtung werden aber mit Sicherheit begeistert sein. Zwar gefallen mir persönlich VOLT etwas besser, weil nicht so anstrengend, aber DŸSE sind nicht zu unterschätzen. Hier gibt es für Kenner des Genres einiges zu entdecken. Daumen hoch für eine absolut unkonventionelle, verrückte, irgendwo philosophische und musikalisch etwas gezügelte Noise Rock-Scheibe, die ihresgleichen sucht.

Veröffentlichungstermin: 23. März 2007

Spielzeit: 40:10 Min.

Line-Up:
Andre Dietrich – Guitars, Vocals
Jari Rebelein – Drums, Backing Vocals

Gastmusiker:
Mischer – Beatbox
Mo – Voice, Choir
Filip Lightbody – Organ
Kallo & Olly Jahn – Trumpet

Label: Exile on Mainstream Records

Homepage: http://www.dyse.info

Tracklist:
1. Underlaydisk
2. Zwarte Pieten
3. Monstermann
4. Der Mann aus Gold
5. Rhythmus
6. Doccode
7. Wokkk
8. Wolke

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