Geburtstage überfordern uns, da sind wir ganz ehrlich. Da ist ein Gutschein als Geschenk das höchste der Gefühle und wenn es auch nur halbwegs originell sein soll, dann fragen wir doch lieber im Freundes- oder Familienkreis, ob denn nicht schon jemand was hätte, an dem man sich beteiligen könne. In dieser Hinsicht sind wir fast so langweilig wie diejenigen Künstler, die zum Jubiläum mit „Best of“ oder Live-Platte angekrochen kommen. Das war den APOKALYPTISCHEN REITERN offenbar auch zu banal, denn „The Divine Horsemen“ ist quasi der krasse Gegenentwurf dazu.
Zwei Tage hat man sich im Proberaum eingeschlossen und ohne Vorbereitung einfach losgelegt. Hervorgegangen ist aus den Aufnahmen ein Doppelalbum, das für die Band so frisch und unverbraucht klingt, wie man es erwarten würde. Völlig ungezwungen wechseln sich ausladende Jams mit knackigen Metal-Brechern ab, die im Fall von „Nachtblume“, „Tiki“ oder „Amma Guru“ gerne auch ins Schwarzmetallische abdriften.
„The Divine Horsemen“ ist selbst für eine Band wie DIE APOKALYPTISCHEN REITER mutig
Stets präsent ist derweil ein gewisser Tribal-Charakter, der sich durch Ethno-Instrumente wie Maultrommel, Didgeridoo („Aletheia“) und Bongos nährt. Dabei zeigen DIE APOKALYPTISCHEN REITER sogar ein Händchen für Atmosphäre: „Inka“ entwickelt sich langsam aus einer Ambient-Klangkulisse, bis das Stück im Finale mit Post Rock-Anleihen flirtet. Diese ausladenden Soundlandschaften, denen man sich etwa in „Duir“ mit seiner Pianountermalung schwelgerisch hingibt, erkundet das Quintett ausgiebig, wobei das verhalten beginnende „Uelewa“ zum Finale hin der Leadgitarre mit etwas Synth-Bombast unter die Arme greift.
Das ist mutig, gerade von einer Band, die sich zwar nie ein bestimmtes Genre auf die Fahnen geschrieben, aber in der Regel doch direktere Ansätze verfolgt hat. DIE APOKALYPTISCHEN REITER in einer relaxten, leicht jazzigen Atmosphäre? Das war bis „Children of Mother Night“ zumindest in dieser Form kaum vorstellbar. Die Krux an der ganzen Sache ist jedoch, dass „The Divine Horsemen“ als Jubiläumsveröffentlichung nicht eine, sondern zwei Discs umfasst: rund 78 Minuten Spielzeit, davon einhundert Prozent Improvisation. Das ist für sich genommen bereits eine ganze Menge und verliert gerade zum Ende hin immer wieder den roten Faden aus den Augen.
Zum 25-Jährigen legen DIE APOKALYPTISCHEN REITER wirklich alle Scheuklappen ab
Nicht jedes Experiment ist erfolgreich, zumal sich die doch ähnlichen Strukturen der Jam-Performances irgendwann abnutzen. Während wir also langsam wegdriften, können uns spannende Einsprengsel wie die Orgel in „Simbi Makya“ nur zeitweise packen – das Stück an sich ist in seiner Gesamtheit schlicht zu behäbig. „Wa He Gu Ru“ wiederum klingt wie ein Song-Fragment, das noch ein ganzes Stück Arbeit vor sich hat – ein Manko, das wir beim Hören immer wieder verspüren. Das liegt irgendwo in der Natur der Sache, schließlich entstand „The Divine Horsemen“ in einem ungewöhnlichen, weil spontanen Setting.
Nichtsdestotrotz ist der Ansatz lobenswert: DIE APOKALYPTISCHEN REITER legen zum 25-Jährigen wirklich alle Scheuklappen ab und wagen sich dorthin, wo ihr Gefühl sie hinführt. Das wäre im Endresultat zwar wahrscheinlich auch in der Hälfte der Zeit möglich gewesen, allerdings wollen wir angesichts des originellen Jubiläumspräsents mal nicht so sein. Einem geschenkten Gaul…ach, ihr wisst schon.
Veröffentlichungstermin: 2.7.2021
Spielzeit: 78:32
Line-Up
Fuchs – Vocals, Guitars
Volk-Man – Bass
Dr. Pest – Keyboards
Ady – Guitars
Sir G. – Drums
Label: Nuclear Blast
Homepage: https://reitermania.de/
Facebook: https://www.facebook.com/Reitermania
DIE APOKALYPTISCHEN REITER “The Divine Horsemen” Tracklist
CD 1
01 Tiki (2:32) (Video bei YouTube)
02 Salus (2:11)
03 Amma Guru (2:27)
04 Inka (9:19)
05 Nachtblume (1:33) (Lyric-Video bei YouTube)
06 Aletheia (4:30) (Video bei YouTube)
07 Duir (12:14)
08 Children Of Mother Night (5:03)
CD 2
01 Uelewa (9:45)
02 Haka (1:59)
03 Simbi Makya (6:59)
04 Wa He Gu Ru (3:29)
05 Akhi (5:09)
06 Ymir (5:04)
07 Eg On Kar (6:18)