Zunächst einmal kann es überraschen: Die Produktion ist um einiges fetter geworden als auf dem Vorgänger, der kraftvolle Krächzgesang zurückgefahren, dafür alles andere – melodischer Gesang, Folk-Instrumente, Keyboards, Tuten und Blasen – auf 11 gedreht. Dazu kommt ein Drumcomputer, der nicht stört, weil er 1. perfekt programmiert ist und 2. solche Musik für ein Kind der 90er wie mich, der mit Computerspielsoundtracks aufgewachsen ist, durchaus ein bisschen künstlich klingen darf (vgl. SUMMONING oder CALADAN BROOD).
Dabei schafft Abysmal Specter mit CURTA’N WALL etwas ganz Wunderbares: den Spagat zwischen Albernheit und Ernsthaftigkeit zu meistern, den Komik braucht, um wirklich gut zu sein. Alles an diesem Projekt, von den “Bandfotos” übers Artwork bis hin zu den Texten ist komplett großartig albern, aber die Musik selber ist – das beweist allein schon die ellenlange Liste an Gastmusikern – perfekt auskomponiert, aufwändig instrumentiert und alles in allem einfach aufrichtig und ernst gemeint, und so darf ich mich als Hörer gleichermaßen in den lieblichen Melodien verlieren und mich darüber kaputt lachen. Oder, was auch ganz schön ist, mit Kleinkindern dazu tanzen. Geht alles!
Nichtsdestotrotz war ich anfangs ein wenig enttäuscht von “YR GWYDDBWYLL”. Warum? Ganz einfach: Auf “Siege Ubsessed!” war die Balance zwischen fiesem Black-Metal-Gesang und dem ganzen quietschesüßen Rest für meinen Geschmack ziemlich perfekt, auch der teilweise etwas dünne Sound passte dazu. Ihr kennt das legendäre IMMORTAL–Video, unterlegt mit Benny-Hill-Musik? So ähnlich wirkte CURTA’N WALL auf mich: eine willkommene humoristische Erfrischung in einer Szene, die sich oft viel zu ernst nimmt.
“YR GWYDDBWYLL” ist das mit Abstand ambitionierteste Werk von Abysmal Specter
Nun aber hat sich der werte Herr Specter in äußerst ambitionierter Manier offenbar entschlossen, sein Werk noch um einiges süßer und professioneller zu machen, hat massenhaft Chöre und Klargesang hinzugefügt und den Sound eben viel fetter gemacht; das Ganze geht also jetzt richtig in Richtung GLORYHAMMER und Co., wirkt dadurch paradoxerweise deutlich weniger humorvoll – und daran muss man sich erstmal gewöhnen.
Hat man das geschafft, fällt allerdings auf, dass zum Einen der charakteristische Krächzgesang durchaus noch vorhanden ist und sich mit z.B. “Hill Fort” oder dem Klassiker “Siege Tower” nach wie vor Lieder der alten CURTA’N-WALL-Schule auf dem Album befinden – und dass zum Anderen die Songs an sich einfach grandios sind und in der richtigen Stimmung einfach unverschämt viel Spaß machen. Hinzu kommen mit der mittlerweile dritten Version des Liedes “Fear Of God” (in dem wir den angesprochenen Kontrast zwischen Black Metal und Folk-Pop nochmal am schärfsten und humorvollsten erleben), dem genialen “Hill Fort” und dem Epos “The Last Wizzard” drei Highlights, die den Kaufpreis schon alleine wert sind.
Wir halten also fest: “YR GWYDDBWYLL” ist für alle Metalheads mit kindlichem Gemüt und ohne Stock im Arsch mindestens einen Anspieler wert. Wem es zu süßlich und zu hi-fi ist, der greife zu “Siege Ubsessed!” oder zu den noch älteren Aufnahmen.
Spielzeit: 49:20 Min.
Veröffentlichungsdatum: 27.09.2024
Label: Grime Stone Records (Bandcamp)
Tracklist – CURTA’N WALL – “YR GWYDDBWYLL”
1. Yr Gwyddbwll
2. Unicorn’s Horn
3. Pikemen
4. Hill Fort
5. Murder Hole
6. Arthur
7. Siege Tower
8. Stonehenge’s Magic
9. Queen Of The Clouds
10. The Drake That Guards The Gold
11. The Green Man
12. The Green Man
13. Fear Of God (Acoustic)
14. The Last Wizzard
15. Robyn Hood