BLUENECK: Repetitions

Manchmal kann es ganz schön sein, traurig zu sein: BLUENECK beschwören den Herbst herauf.

Obwohl sich aufgrund des großen Vertrauens in eine Band wie BLUENECK und ihrer Fähigkeit grandiose Songs zu schreiben, die Spannung in Grenzen hält, fragen wir uns dennoch: Ist Repetitions getreu dem Namen eine schlichte Fortführung von The Fallen Host? Das lässt sich klar mit nein beantworten. Stattdessen ist Repetitions das konsequentere Album, verglichen mit seinen beiden Vorgängern. BLUENECK sind noch reduzierter, noch dramatischer, noch zerbrechlicher als früher, können sich aber dennoch immer wieder aufbäumen – nicht mehr so häufig und heftig wie zu The Fallen Host, dafür aber sehr wirkungsvoll. Die schlichte Verpackung deutet es bereits an: Auf Repetitions geht es ausschließlich um die Musik und um nichts anders. Das Album ist gezeichnet von einer tiefen, wahrhaftigen Liebe zum Detail, die nicht übertrieben wird, sondern viel mehr mit sicherer Hand bewusst gewählt und ausgearbeitet wird.

Es steckt eine Menge in Repetitions, das erst nach und nach Sinn macht, so als würde man einen Code dechiffrieren. Plötzlich wird deutlich, dass BLUENECK nicht mehr wirklich im Post Rock unterwegs sind, sondern neben altmodischem Indie und Alternative Rock auch im Progressive Rock der Siebziger ihr Heil suchen. Obwohl der Term Rock im Bezug auf Repetitions etwas hoch gegriffen ist. Über weite Strecken dominiert ein Klavier, das klingt, als wäre es sehr weit entfernt im Nebel. Die Gitarren halten sich zurück und werden nur selten laut, das Schlagzeug kommt nur selten zum Einsatz, der Bass behält es sich vor, Akzente zu setzen, wenn es sein muss. Manchmal hat man das Gefühl, dass Gastmusiker Sandy Bartai mit seinem Cello mehr Einsätze hat, als feste Bandmitglieder. Einzig Duncan Attwoods zerbrechliche, charismatische Stimme ist neben dem Piano der rote Faden, der durch BLUENECKs drittes Album leitet. Es ist nicht leicht, dieser fünfzigminütigen Elegie zu folgen, immer konzentriert dran zu bleiben.

Es dauert ein wenig, bis Repetitions so tief unter die Haut geht, wie The Fallen Host. Nach einem enorm starken Beginn mit Pneumothorax und Sawbones, in denen typisch für BLUENECK mit Dynamik und einer gewissen Heaviness gespielt wird, wird es immer leiser und zerbrechlicher. Una Salus Victus und Lopussa sind purer Minimalismus, der dank dem hervorragenden Songwriting niemals in Langeweile ausartet. Aufregend wird es zwischendurch nochmal in Ellipsis mit seinem dramatischen, atemberaubenden Finale und vor allem in Barriers Down, ein Klavierstück, das fast zu Tränen rührt, ohne auch nur ansatzweise kitschig zu wirken. Auch das von sanften Gitarren dominierte Instrumental Sleeping Through A Storm beeindruckt – es ist das einzige hoffnungsvolle Stück auf Repetitions und tröstet ungemein. Vielleicht klingen BLUENECK so besonders, weil auf Repetitions keine Post Rock-Bands die Inspiration gaben, sondern viel mehr die guten, alten Bands der Achtziger: Von A-HA bis DEPECHE MODE.

Das macht aus Repetitions eine erwachsene Platte, auf der keiner der Musiker sein Ego ausleben muss. Alles dient dem großen Plan, ein atemberaubendes Album zu schreiben, das eben durch seine Zurückhaltung Eindruck schindet. BLUENECK ist ein schwieriges, forderndes Album gelungen, das sich in Sachen Darbietung und Produktion eher an einer Zeit orientiert, die zwanzig, dreißig Jahre zurück liegt, so dass hier keine Post Rock-Klischees herunter gebetet werden, wie es sie in den letzten Jahren bis zum Erbrechen gab. Die abstrakte Produktion lässt einen immer wieder neue Elemente entdeckten, alles wird getaucht in warme Klänge, bei denen du weißt: Du bist zu Hause. Diese Reise in eine traurige, aber hoffnungsvolle, regnerisch-britische Seele ist eine Wohltat, und das obwohl die Stimmung ansteckt. Vielleicht, weil es manchmal einfach ganz schön ist, traurig zu sein. Wir sind gewappnet. Mit diesem Album kann der Herbst kommen.

Veröffentlichungstermin: 23. September 2011

Spielzeit: 48:58 Min.

Line-Up:

Duncan Attwood – Vocals, Guitar, Piano
Ben Green – Guitar
Rich Sadler – Guitar
Oli Durden – Guitar, Violin
Ben Paget – Bass
Johnny Horsewell – Drums

Produziert von Mat Sampson
Label: Denovali Records

Homepage: http://www.blueneck.com
Mehr im Netz: http://www.facebook.com/BlueneckUK

Tracklist:

1. Pneumothorax
2. Sawbones
3. Venger
4. Sleeping Through A Storm
5. Una Salus Victus
6. Ellipsis
7. Barriers Down
8. The Last Refuge
9. Lopussa

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