WINTER WAR FESTIVAL mit NECROPHOBIC, DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT, UNLIGHT, IMPERIOUS MALEVOLENCE, HANGATYR: Weimar: Weimarhalle, 31.10.2009AS

Wer an dieser Halloween-Nacht nach Weimar reist, findet nicht das Pudelskelett Goethes, sondern reichlich höllische Klänge von NECROPHOBIC, DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT, UNLIGHT, IMPERIOUS MALEVOLENCE und HANGATYR…
 

Weimar ist nur schwer zu erreichen für Schweizer – aber das Verlangen nach einem NECROPHOBIC-Headlinergig vor ihrer Januartour mit BLACK DAHLIA MURDER lässt einen verkehrstechnische Strapazen vergessen. Denn von Flughäfen her liegt Weimar unpraktisch, mit dem Auto sind es über sechs Stunden im besten Fall – also wird mal wieder die Bahn in Anspruch genommen. Nach sieben Stunden präsentiert sich Goethes Stadt im Dunkeln, aber die elegante Weimarhalle ist auch nur etwa zehn Minuten Fußmarsch vom Bahnhof entfernt. Anders als das HELLONION vor zwei Jahren findet das WINTER WAR FESTIVAL im daneben liegenden Seminargebäude statt. Somit bleibt das edle Ambiente mit Parkett, Garderobe und Nobelklo erhalten. Auf der kleineren Bühne gibts jedoch weder Klassik noch einen Literaturvortrag an diesem Abend, sondern verzerrte Huldigungen des Höllenfürsten.

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Vorbereitungen für DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT

Vor dem Saal wird Merchandise zu humanen Preisen feilgeboten, sowohl von den Bands wie auch dem CUDGEL Mailorder. Die NECROPHOBIC-Shirts und -Girlies kosten zwölf Euro, DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT bieten alles vom Spezialpatch bis zum eigenen Gebrannten. UNLIGHT haben ihr Des Baphomets Rückkehr-Demo schändlicherweise nicht mehr im Angebot und beginnen ihre Zeitdiskographierechnung bei The Nordic Stormbringer für vier Euro. Die Getränkekosten machen einen an diesem Abend ebenfalls nicht arm. Zwei Euro für ein Bier, ein Euro für Limo – schade nur, dass es nix zu futtern und auch kein Red Bull gibt. Also muss halt die Musik für die nötige Energie sorgen.

Die ersten, die sich dieser Aufgabe stellen, sind die 2006 gegründeten HANGATYR aus dem Thüringer Apolda. Ihr Schwarzmetall mit tüchtiger Pagan-Schlagseite ist ein klarer Kontrast zum vorher aus den Boxen schallenden Black/Death Metal-Geballer. Viele Leute lockt die heidnische Härte jedoch nicht in die Halle. Nur wenig Publikum ist anwesend, die meisten scheinen sich vornedran mit Getränk und Geschwafel wohler zu fühlen. Zudem gibt es einen scheinbar unüberwindbaren Abstand von etwa fünf Metern zwischen der ersten Reihe und der Bühne. Ausser vereinzelten Fotografen tummelt sich niemand in diesem Niemandsland, woran auch das solide Spiel HANGATYRs nichts ändert.

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Gibt alles: Frontmann Silvio (HANGATYR)

HANGATYR haben sowohl Material vom Hangatyr-Demo (Wolfszeit, Wintersturm) wie auch neuere Songs (Faules Wasser, Trollhammar, Eid und Vergeltung) im Programm. Musikalisch lassen sich einige harmonische Parallelen zu MITHOTYN oder FALKENBACH schlagen, doch das ändert nichts an der schreiend passiven Reaktion des Publikums. Nur vereinzelte Klatschlaute, nur vereinzelte Rufe, an einem Punkt sogar Pfiffe. Selten sowas erlebt. HANGATYR beissen sich währenddessen regelrecht durch ihren Gig und spielen mit stoischer Miene. Obwohl die Band abgesehen von einigen Bangeinlagen von Sänger Silvio eher statisch wirkt, nicken doch einige mit dem Kopf in den hinteren Reihen und es lässt sich eine Bewegungs- respektive Aufheizverbesserung gegen Ende des Gigs ausmachen. Spielerisch also ein solider Auftritt und HANGATYR scheinen zudem eine Band zu sein, die sich nicht so leicht entmutigen lässt…

Nach einer kurzen Umbaupause ist es Zeit für brutalere Klänge, die von IMPERIOUS MALEVOLENCE fabriziert werden. Diese haben bereits am 2. Oktober als Vorband von HAIL OF BULLETS in Berlin überzeugt, aber an diesem Abend merkt man, was Touren bei einer Band bewirken kann. Obwohl die Brasilianer technisch versiert an die Aufgabe Black / Death Metal herangehen, lässt sich in Weimar noch eine Steigerung ausmachen im Vergleich zum Gig anfang Oktober. Mit knackigem Sound ausgestattet gibt das Trio zuerst eine Kostprobe aus dem 2006er Album Where demons dwell, welches mit Excruciate und Divine Disease den Auftakt es Auftritts ausmacht. Knackiger Sound, mächtig Bewegung auf der Bühne und noch immer diese MORBID ANGEL-Brutalität – IMPERIOUS MALEVOLENCE dreschen sich souverän durch Songs wie We evoke thee oder From chaos shall rise. Rafahell zupft und schlägt seinen Bass, Drummer Antonio treibt die Chose tüchtig an und Renato zeigt ansprechendes Riffbrettgeflitze.

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Huldigt dem Gitarrensolo der 80er Jahre: Renato

Nach Everlasting hell damnation ist es dann – Setliste und Ansagen von Fronter Rafahell lügen nicht – Zeit für das Guitar Solo von Renato. Dieser trägt zwar sein KISS-Shirt, wenn man ihn spielen sieht, denkt man indes eher an Chuck Schuldiner. Doch sein Gitarrensolo geht noch einen Schritt weiter zurück. Plötzlich ist man in die 80er-Jahre zurückversetzt. Die Zeit vor Grunge, als Eddie van Halen noch ein Gott war und das Gitarrensolo ein völlig unverzichtbarer Bestandteil eines jeden Metalkonzertes. Renato kostet diese Zeit völlig aus, geht in seinem Solo auf – da nützen auch die nicht ernst gemeinten Avancen von Fronter Rafahell, der seinen Gitarristen zum Aufhören bringen will, nichts. IMPERIOUS MALEVOLENCE ernten für den Nostalgietrip Rufe und Applaus, auch der Abstand zwischen Bühne und Publikum hat sich merklich verringert. Und wie dann auch weitere Tracks wie The christcrusher, Where demons dwell, Nox irae oder Gates of flesh beweisen, haben sich IMPERIOUS MALEVOLENCE nicht nur mehr Routine auf der Tour geholt, sondern auch Unbekümmertheit und Witz – man merkt, dass die Jungs auch menschlich gut miteinander harmonieren und die Spielfreude der Brasilianer vermag es, das vorher so passive Publikum endlich zu aktivieren….

 

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Ernst: Blaspherion (UNLIGHT)

Pünktlich um 21:15 Uhr ist es Zeit für UNLIGHT, von diesem aktivierten Publikum zu profitieren. Das Quartett erscheint genregerecht mit Corpsepaint und bereit, sich mit dem nötigen Ernst der Aufgabe Black Metal zu stellen. Dies tun sie nach einem düsteren Intro gleich in kompetenter Art und Weise. Timing, Riffs, Vocals – UNLIGHT wissen, was sie tun. Dies gilt auch für Gitarrist Raptus, der zwar erst seit einem Jahr dabei ist, aber völlig routiniert durch neuere Songs wie That old black magick spell und dem Titeltrack des gleichnamigen Albums Death consecrates with blood rast. Das entgeht auch dem Publikum nicht, der leere Raum vor der Bühne wird kleiner und kleiner und ein Fan getraut sich gar bis nach vorn zur Monitorbox vor Fronter Blaspherion, um UNLIGHT zu huldigen.

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Rasend: Raptus (UNLIGHT) 

Diese spielen praktisch nur Songs von Death consecrates with blood und wählen unter anderem Carnal baptism, Bestow the blessings of hell upon us und Mendacious messiah, um das aktuelle Album vorzustellen. Nur gegen Schluss kommt noch das Vorgängerwerk Eldest born of hell mit dem Titeltrack zum Zug. Die Vergangenheit lassen UNLIGHT hinter sich und drücken ihre Konzentration auf die Gegenwart auch mit ihren Merchpreisen aus – je älter das Album, desto billiger. Die Professionalität der Band ist unbestreitbar, aber das gleichzeitig vorhandene Problem mangelnder Eigenständigkeit ebenfalls. Spielen können UNLIGHT, rasende Parts à la SETHERIAL bereiten ihnen keine Schwierigkeiten, aber eben – die Deutschen bieten nichts, was man aus Skandinavien nicht schon besser und mit mehr Charakter gehört hätte. Das Verdikt gut gespielt, aber 08/15 ist teilweise im Publikum nach dem Auftritt zu hören und widerspiegelt die Urteile in den Rezensionen zu Eldest born of hell und Death consecrates with blood. Kompetente Unbarmherzigkeit ja, schwarzmetallische Seele nein.

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Beeindruckende Frontfrau: Onielar (DNS) 

Während also bei UNLIGHT das Gefühl aufkommt, dass die Aufgabe Black Metal bearbeitet und erledigt wird, ist dasselbe für DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT nicht Aufgabe, sondern Berufung. Ähnlich wie WATAIN setzen die Deutschen auf kvltische Requisiten. Tierschädel, Kettenmikroständer, eine Säule mit Blutkelch, ein aufgehängtes Pentagramm aus Metall und Bühnenarbeiter, welche die Monitorboxen mit blauem Plastik abkleben – ein sicheres Omen für mehr Blut. Statt einen Bass gibts zwei Gitarren und natürlich keinerlei Trigger. Soviel Trveness wird vom Publikum belohnt: Ein Fan reist extra aus Lausanne an wegen DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT (700 Kilometer pro Weg), andere Fans belagern regelrecht den Bühnenrand, nur um der Satansfürstin Onielar möglichst nahe zu sein.

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Höllisch: Horn (DNS) 

Und DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT enttäuschen diejenigen, die auf eine Trveness-Show aus sind, in keinster Art und Weise. Die Musik an sich gerät zwar etwas zur Nebensache – in rohem Soundgewand gibts höhenlastige Dissonanzen à la alte DARKTHRONE und GORGOROTH – aber in Sachen Show macht man der deutschen Black Metal-Truppe so schnell nix vor. Onielar kreischt sich die Seele aus dem Leib, klingt selbst in ihren Ansagen wie Varg Vikernes und ist stets die blutüberströmte satanische Herrin, als welche sie ihre Fans verehren. Ihr Charisma und ihre Fähigkeit, die Meute für sich einzunehmen, sind beeindruckend – Gitarrist Velnias und Drummer Horn geraten angesichts soviel Frauenpower etwas in den Hintergrund. Aber Onielars eigene, lange Zwischenschreie, die an einen gefolterten Schlossgeist erinnern, kombiniert mit ihrem Durst nach Blut, das sie auch auf die ersten Reihen speiht, verleihen Songs wie Beneath the moon scars, Thanatos, The dead hate the living oder Glance at the horizon etwas Mitreißendes, welches sie ohne die Performance nicht hätten.

So reißen DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT mit Trveness und hohem Kvlt-Faktor mit. Mal roh und schnell, mal gequält – aber stets mit viel Herzblut dabei. Das reißt das Publikum mit und man merkt, dass viele für diesen Auftritt angereist sind und sich nun ihre Huldigungen an den Höllenfürsten und Onielar als seine Botin auch tüchtig aus dem Leib schreien wollen. Zugaben werden vehement gefordert und DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT liefern Das All-Eine nach. Der gloriose Abgang mit Nocturnal March gelingt ebenfalls und das Trio beweist, dass sich der Aufwand in Sachen Performance auszahlt. Musikalisch mögen die Deutschen das Rad nicht neu erfinden – aber ein mehr als guter Auftritt ist ihnen definitiv gelungen an diesem Abend!

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For those who stayed Satanic: Johan 

Die Zugabenrufe für DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT werden nicht mit weiteren Songs bedacht, da es nun Zeit ist für die kurze Umbaupause für den Headliner des heutigen Abends. Zu ihrem düsteren The darkened psalm-Intro betreten NECROPHOBIC in blaues Licht getaucht die Bühne und nehmen ihre Positionen ein. Als Opener wählen die Stockholmer an diesem Abend die Hymne For those who stayed Satanic vom aktuellen Death to all-Album und sorgen damit gleich für erste Mitsing- und Headbanging-Aktivitäten im Publikum. Dieses steht anfangs zwar nicht so dicht gedrängt vor der Bühne wie bei DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT, aber die Schweden können auch in Weimar auf eine treue Fanschar bauen.

Obwohl Bassist Alex am früheren Abend noch mit Krücken unterwegs ist – Grund ist eine Kickboxing-Verletzung am Fuß -, erscheint er ohne Hilfe oder Schmerzbezeugung auf der Bühne mit dem Rest der Band. NECROPHOBIC wirken fit und ausgeruht, obwohl sie am Vorabend bereits einen Gig in Berlin gespielt haben. Gute Band-Konditionszeichen somit für die kommende Tour im Januar mit BLACK DAHLIA MURDER sind also vorhanden, wie auch die folgenden älteren Songs Intro Armageddon und The Crossing beweisen. Danach präsentieren NECROPHOBIC gleich ein Dreierpack von Death to all-Songs: Revelation 666, La Santisima Muerte und Celebration of the goat kommen sichtlich gut an bei den Fans und werden von der Band leidenschaftlich vorgetragen. Hierbei kommt auch die beim HELLS PLEASURE gesehene Fahne zum Einsatz, die Fronter Tobias zur Freude der Fans übers Publikum schwenkt.

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Fit und ausdrucksstark: Tobias

Tobias ist es auch, der den Death to all-Mitsingchor orchestriert und kurz darauf den Blinded by light, enlightened by darkness-Hammersong des Hrimthursum-Werkes ansagt. NECROPHOBIC spielen an diesem Abend ausgezeichnet zusammen, bringen Bewegung auf die Bühne und geben sich feurig und voller Leidenschaft. Natürlich ist Joakim, der den Drummerjob mittlerweile seit 20 Jahren ausübt, routiniert – aber wie bei den anderen Bandmitgliedern spürt man auch bei ihm noch immer den Live-Hunger, die Freude daran, zu performen und ein Publikum für sich einzunehmen. Tobias widmet sich ausdrucksstark und voller Charisma seiner Frontmann-Aufgabe, beschwört die dunklen Mächte und Geister des Bösen gewohnt eindrucksvoll und packend. Das Gitarristenduo Johan und Sebastian schreddert und flitzt sich kompetent durch ältere (Frozen empire oder Awakening) und die neuen Songs, dass es eine wahre Freude ist.

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Satanische Schnelligkeit: Sebastian 

Nailing the holy one widmen NECROPHOBIC dann DISSECTION, ein Fingerzeig zu den Darkside-Zeiten, wo sich Jon Nödtveidt mit seinem Mitwirken in eben diesem Song verewigt hat. Leider hat die schwedische Black / Death Metal-Truppe die Fuck you, Christ-Interaktion aus dem Nailing the holy one-Programm genommen, aber der Track knallt auch ohne diese einfach nur ohne Ende. Mit Dreams shall flesh naht indes das Ende dieses Auftritts, den NECROPHOBIC traditionell mit dem Titeltrack von The nocturnal silence beschließen. Noch einmal gibt das Quintett alles, gibt sich dem Headbanging hin und tut es somit der Meute gleich, die bei The nocturnal silence nochmals – und völlig zurecht – ausflippt.

Nach reichlich Applaus verlassen NECROPHOBIC die Bühne, jedoch nicht ohne eine kleine Metspende an die vordersten Reihen, die von Sebastian entsprechend mit der Flasche gefüttert werden. Trotz Zugabenrufen gibt es indes nicht mehr als Met – und so muss man sich mit der Vorfreude auf den Mailand-Gig am 14. November und die Januartour begnügen. Aber diese freudige Erwartung ist nach diesem Auftritt so groß, dass sie selbst die nächtliche Stille Weimars zur klingenden Kälte macht.

Fotos und Layout: Arlette Huguenin Dumittan

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