THERAPY?: Karlsruhe, Substage, 10.11.2006

THERAPY? melden sich mit neuem Album im Gepäck zurück und zeigen sich im Karlsruher Substage wie gewohnt unverwüstlich.

Lange hat man nichts mehr von THERAPY? gehört. Und das, obwohl die Nordiren seit Jahren beständig Platten veröffentlichen und dann und wann durch die Lande touren. Doch das Schicksal meinte es einfach nicht gut mit ihnen: diverse, aufgezwungene Label-Wechsel, die ständig schwelende Drummerfrage, private Exzesse und mäßiger, kommerzieller Erfolg hielten die Band im Würgegriff, aus dem sie sich 2006 endgültig befreien wollen. Mittlerweile ist die Band zum Trio geschrumpft und lässt, allen Widrigkeiten zum Trotz, Album Nummer 11 antreten, um an die goldenen 90er Jahre anzuknüpfen.

One Cure Fits All heißt das neue Wundermittelchen der Therapeuten, dessen Songs zum Glück nicht so mild dosiert sind wie die auf manchem Vorgänger. Grund genug also, um die live abgehaltene Sprechstunde im Substage etwas genauer zu beleuchten.

Schon nach den ersten Tönen eine erfreuliche Erkenntnis: trotz der harten 17 Jahre im Musik-Biz können THERAPY? noch immer kraftvoll zubeißen. Rastlos und kernig geben Andy Cairns (Gesang, Gitarre), Michael McKeegan (Bass, Gesang) und Neil Cooper (Schlagzeug) eine zentnerschwere Mischung aus Greatest Hits und neuen Songs zum Besten. Das simple Drei-Akkord-Ruppigkeits-Schema des Rock (das Support CLAUS GRABKE übrigens perfekt beherrscht) wird dabei von THERAPY? wie gewohnt zu komplexen Arrangements erweitert, die zwar mit vielen Tempo-, Takt- und Dynamikwechseln aufwarten, aber niemals ihre Wurzeln verleugnen. So verwundert es kaum, dass alte Reißer wie Teethgrinder und Screamager ebenso dazu einladen, beherzt vom Publikum mitgegrölt zu werden, wie das jüngere Rain Hits Concrete mit seiner sinngebenden Textzeile Can You Feel It?.

Und ob man das fühlen kann: das Feedbackgeheul der Gitarre durchschneidet die Testosteron geschwängerte Luft, bevor sich dissonante Riffs in den Gehörgang schrauben, um sich dort festzubeißen. Mit harten Schlägen und furiosem Spiel treibt Schlagzeuger Neil Cooper die Band immer weiter an, während Michael McKeegan ohne Unterlass seinen Bass beackert und wie ein Fels in der Brandung steht. Zum Noise-Rock-Inferno gesellt sich der Gesang von Andy Cairns, dem Zurückhaltung gänzlich unbekannt scheint. Mit irrem Blick gewährt er in seinen Texten tiefe Einblicke in eine gestörte Seele, in der getreu des selbst postulierten Naturgesetzes Happy people have no stories immer wieder Gedanken an (Selbst)Mord zwischen Emotionen wie Hass, Angst und innerer Unruhe aufflackern. Dass der Gesang – besonders in den mehrstimmigen Passagen mit Michael McKeegan – immer eine Spur daneben liegt, stört in diesem Fall nur wenig. Belcanto wäre bei diesen Lyrics ohnehin nicht glaubhaft.

Das kurze Akustik-Set in der Mitte des Konzerts steht dem Rest in nichts nach. Es gerät sogar zu einem eindrucksvollen Beweis dafür, dass die Band auch bei leisen Tönen mit genügend Durchschlagskraft daherkommt. Nur ein anwesender Konzertbesucher hätte trotzdem lieber einen Titel der RAMONES gehört. Der trockene Kommentar von Cairns beendet die ohnehin sinnlose Diskussion mit den Worten I´m not a fucking jukebox. Die Menge johlt, es kann weitergehen.

Allerdings nicht allzu lange. Nach gerade einmal 70 Minuten beendet die Band ihr reguläres Set mit Isolation. Das Publikum schwankt zwischen Verwunderung und Unmut, wird aber durch die Zugaben Potato Junkie (ohne dessen mustergültigen Singalong-Chorus James Joyce is fucking my sister wohl kein THERAPY?-Konzert komplett wäre) und Nowhere beschwichtigt. Die Performance entlässt die Fans (trotz der Kürze) in der Gewissheit, dass die Nordiren – Erfolg im Mainstream hin oder her – tatsächlich unverwüstlich sind.

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