SYMBIONTIC, FRAGMENTS OF UNBECOMING & LAY DOWN ROTTEN: 19.02.2005, Datteln, RAZ 4 U

Unter dem Banner "Deathtination Pt. 1" fanden die ersten Dattelner Schweden-Death-Nachwuchs-Festspiele statt – ein unterhaltsamer Konzertabend, der gezeigt hat, dass der deutsche Death Metal-Underground lebt und einiges zu bieten hat – schade, dass dies von Seiten der Fans offenbar noch nicht in großer Zahl realisiert wurde.

Das Dattelner Jugendzentrum RAZ 4 U ist eine wirklich gute Lokalität für Konzerte. Mit einem großen Zuschauerraum, einer im Vergleich zu vielen anderen Jugendzentren erfreulich geräumigen Bühne, einer eigenen Backline und einem quasi zum Inventar gehörenden, äußerst kompetenten Soundmann hätten die Rahmenbedingungen nicht besser sein können. Grund genug also, sich zu den unter dem Banner Deathtination Pt. 1 firmierenden Schweden-Death-Nachwuchs-Festspielen zu begeben, denn als solche könnte man die Veranstaltung aufgrund der musikalischen Ausrichtung zumindest zweier der beteiligten Bands durchaus bezeichnen. So attraktiv das Package und die Rahmenbedingungen auch waren, fanden sich leider dennoch nur zwischen 50 und 60 zahlende Gäste im RAZ 4 U ein. Vielleicht war es die Angst davor, dass die Rückfahrt zu einer Schlitterpartie werden könnte, die die Leute daheim blieben ließ. Fakt ist, dass das RAZ 4 U bei vergangenen Konzerten schon deutlich besser besucht war.

Die drei Bands hielt dies jedoch nicht davon ab, den Anwesenden ordentlich einzuheizen. Los ging es mit LAY DOWN ROTTEN, welche mit ihrem Schweden-Death, wie er Anfang bis Mitte der Neunziger praktiziert wurde, sofort begeistern konnten. Dass nahezu alle Bandmitglieder EDGE OF SANITY zu ihren Lieblingsbands zählen, hätte man nicht erst auf der Bandhomepage nachzulesen brauchen, denn das Quintett machte aus seinen Einflüssen gar keinen Hehl. Die mangelnde Eigenständigkeit wirkte jedoch zu keinem Zeitpunkt störend. Abwechslungsreiche Songs, bei denen geschickt zwischen groovigen Midtempo- und schnellen Knüppelpassagen variiert wurde und die Frische, die die Musik der Band trotz allem ausstrahlte, waren mehr als eine Entschädigung. Auch gesangstechnisch war man vor Monotonie gefeit, von tiefen Grunts bis zu hohem, aber niemals in Black Metal-Gefilde abdriftendem Gekreische wurde alles geboten. Dadurch, dass sich Gitarrist Daniel Jakobi und Jost Kleinert die Vocals teilten, kam das Ganze zudem noch äußerst energiegeladen herüber. Dennoch wirkte letzterer zum Teil etwas deplatziert, denn Schwergewicht Jakobi war eindeutig der Frontmann, übernahm sämtliche Ansagen – die man, obwohl mit normaler Stimme gesprochen, nicht wirklich gut verstehen konnte – und eben auch einen Großteil der Vocals, und wenn Kleinert mal alleine durfte, grunzte Jakobi, der die Show im übrigen mit coolen Grimassen aufwertete, für sich mit. Außerdem unterschieden sich die beiden Vokalisten kaum voneinander und deckten beide jeweils alle Facetten ab.

Ein weiterer Störfaktor war die Tatsache, dass die Gitarrensoli von Daniel Brenner teilweise etwas chaotisch und willkürlich klangen. Der Gesamteindruck war aber dennoch äußerst positiv, und die zu diesem Zeitpunkt noch viel zu wenigen Anwesenden hatten sichtlich Spaß an dem Auftritt – nicht zuletzt aufgrund eines gelungenen Heartwork-Covers, das bis auf den grabestiefen Grunzgesang eng ans Original von CARCASS angelehnt war.

Weiter ging es dann mit FRAGMENTS OF UNBECOMING. Als das Metal Blade-Signing nach kurzem Soundcheck loslegen wollte, konnte man die im Konzertsaal befindlichen Leute an einer Hand abzählen, was die Band zunächst sichtlich verunsicherte. Als dann aber das Akustikgitarren-Intro ertönte, strömten die Leute doch wieder hinein, und zumindest vereinzelt wurde zu dem ebenfalls deutlich schwedisch geprägten Death Metal fleißig die Matte geschüttelt. Und dazu taugte das Songmaterial auch beinahe ebenso gut wie das von LAY DOWN ROTTEN. Im Vergleich zu diesen war die Musik von FRAGMENTS OF UNBECOMING jedoch technisch um einiges anspruchsvoller, so dass es auch eine Freude war, der Band einfach nur zuzuhören. Besonders Ingo Maiers rasantes Schlagzeugspiel war beeindruckend, aber auch die pfeilschnellen Twin-Guitar-Attacken kamen präzise und dürften auch die örtliche Musikerpolizei zufriedengestellt haben. Frontmann Sam Anetzberger, für den die Combo momentan einen Ersatz sucht, teilte sich die Vocals zwar ebenfalls mit einem der Gitarristen, Stefan Weimar, der zudem auch die meisten Ansagen übernahm, dennoch wirkte er weniger deplatziert als es beim Frontmann von LAY DOWN ROTTEN der Fall war. Das große Problem, das FRAGMENTS OF UNBECOMING haben, ist die Austauschbarkeit ihrer Songs, den einzelnen Kompositionen fehlt es an Wiedererkennungsmerkmalen. So musiziert man zwar auf technisch hohem Niveau und in der Live-Situation durchaus ansprechend, wirklich hängen bleibt jedoch nur wenig. Auch das Stageacting könnte noch ausgebaut werden. Die Musiker wirkten oft hoch konzentriert, was angesichts des technischen Anspruchs auch nicht verwunderlich ist, bewegten sich dadurch jedoch kaum von der Stelle. Ein bisschen mehr Lebendigkeit hätte dem Auftritt gut getan.

Als letzte Band des Abends betraten schließlich die Bochumer SYMBIONTIC die Bühne, deren noch aktuelle CD BioConstruct von unserem Captain vor zweieinhalb Jahren mit viel Lob bedacht wurde – und das zurecht, wie sich nun zeigte. Der Bandname bezieht sich auf die Symbiose aus progressiven amerikanischen und traditionellen europäischen Elementen des Death Metal. SYMBIONTIC waren somit die technischste und am wenigsten schwedisch klingende Band des Abends. Die Progressivität äußerte sich nicht nur in rhythmisch vertrackten Riffs und Breaks, sondern auch in einigen eher unkonventionellen Harmonien. Das technische Niveau der Musiker war beeindruckend. Drummer Hartmut Stoof verprügelte nicht nur völlig lässig seine Snaredrum in einem Wansinnstempo, sondern nutzte auch die Möglichkeiten, die ihm sein riesiges Drumkit bot, voll aus, und die anderen Musiker standen dem in nichts nach. Nun gibt es viele Bands, die auf einem derart hohen Niveau musizieren. Wodurch SYMBIONTIC, die als einzige Band des Abends Zugabeforderungen bekamen, mit ihrem Auftritt bleibenden Eindruck hinterließen, war ihre Fähigkeit, trotz allem schlüssige Songs zu schreiben und ihr Gespür für – zumeist zweistimmige – Melodien, die man bei derart komplexer Musik als Ankerpunkte einfach braucht. Zudem konnten die Bochumer durch ein sympathisches und natürliches Auftreten punkten, denn Volker Binias, der sich mit seinen recht tiefen Growls sowohl von den grabestiefen Grunts als auch dem hohen Gekreische, das man bei den anderen beiden Combos zu hören bekam, abhob, versuchte gar nicht erst, den bösen Death Metaller heraushängen zu lassen. Der Auftritt machte Appetit auf mehr, so dass man gespannt dem bald erscheinenden neuen Album entgegenfiebern darf. Ein gelungener Abschluss eines unterhaltsamen Konzertabends, der gezeigt hat, dass der deutsche Death Metal-Underground lebt und einiges zu bieten hat – schade, dass dies von Seiten der Fans offenbar noch nicht in großer Zahl realisiert wurde.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner