SNAPCASE, THE HOPE CONSPIRACY – Stuttgart, Röhre, 4.2.2003

Wie, ihr könnt nicht gleichzeitig moshen und nachdenken?

THE HOPE CONSPIRACY aus Boston nahmen den Begriff der Fannähe wörtlich und erkundeten von Beginn ihrer Show an jeden Zentimeter des Bühnenrands ausgiebig. Und auch sonst stimmte die Show des Quartetts. Der Gitarrist übte sich im fast schon spagatartig breitbeinigen Posen, der Bassist hüfte alle Nase lang auf jede nicht rechtzeitig in Deckung gehende Monitorbox und der Sänger schrie seine Wut in gebückter Haltung raus. Warum die Jungs dennoch nur selten über Höflichkeitsapplaus hinaus kamen, kann man nur bedingt auf die Schnarchnasigkeit des zahlreich erschienenen Stuttgarter Publikums schieben, immer wieder wurden nämlich Moshpits angezettelt, und auch der Schreihals höchstselbst warf sich in die Menge, um dort Energie freizusetzen und einem Fotografen unabsichtlich die Kamera ins Auge zu rammen, aber letztlich war der mit Rock´n´Roll-Elementen angereicherte Hardcore zu voraussehbar gestrickt, als dass die Begeisterung länger hätte andauern können. So wunderte sich die Band zwar über die Reserviertheit der ihnen lauschenden Meute und bat fast schon verzweifelnd Do SOMEthing…, wenn sie jedoch das nächste Mal mit ausgereifteren Kompositionen und tighterem Zusammenspiel hier aufspielt, wird ihnen aufgehen, dass die schwache Stimmung auch an ihnen selbst bzw. an ihrem Liedgut lag.

Wie man Hardcore mit Herz und Hirn richtig spielt, konnten sich THE HOPE CONSPIRACY danach bei SNAPCASE anschauen. Der Fünfer stürmte nach einem Orchesterstimmtsich-Intro die niedrige Bühne der Röhre und hatte vom ersten Song an gewonnen. Bereits auf End Transmission hatte sich gezeigt, dass SNAPCASE knapp davor sind, die perfekte Synthese aus Aggressivität und intelligent gespielter und arrangierter Musik herzustellen. Live bestätigte und festigte sich dieser Eindruck, da die Band – von einem Jahrzehnt des Tourens gestählt – dermaßen beängstigend präzise und leidenschaftlich zugleich ihre Songs runterzocken kann. Deutlich wurde anhand der eingeflochtenen älteren Songs auch der Weg, den SNAPCASE hinter sich haben: vom durchaus inspirierten Hardcoreact hin zu einer Band, die mit ihrer schlüssigen Verbindung von heftigen, komplexen Ausbrüchen und ruhigeren, finster-meditativen Elementen trotz NEUROSIS und WILL HAVEN neue Standards setzt. Der Schwerpunkt der Setlist lag eindeutig auf dem End Transmission-Material, und auch wenn die älteren Tracks sowie das heftige Coagulate vom neuen Album sicherlich dem Publikum das rückhaltlose Abmoshen einfacher machten, bildeten Songs wie Ten a.m., ID/Hindsight und Exile Etiquette die intensivsten Momente mit ihrer bizarren, wüsten und manchmal fast schon apokalyptischen Atmosphäre. Unterstützt wurde dies durch die mitreißende, energiegeladene Performance der Band, die auch am x-ten Tag ihrer Tour jeden Song einzeln nicht nur spielen, sondern wirklich zu leben scheinen. Leider war nach knapp einer Stunde und einer Zugabe schon Schluss, aber vielleicht ist es wirklich am besten aufzuhören, wenn es gerade am schönsten ist, und sich auf den nächsten Gig von SNAPCASE freuen, dann vielleicht in einem größeren Club, der die Voraussetzungen für eine kongeniale optische Unterstützung der außergewöhnlichen Musik, die SNAPCASE spätestens seit End Transmission spielen, bietet…

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner