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SLIPKNOT, BEHEMOTH: Olympiahalle, München, 9.2.2020

Als wir die U-Bahn-Station am Olympiazentrum verlassen, steht bereits alles im Zeichen des heutigen SLIPKNOT-Konzerts. Verschiedene Promoter wedeln mit Flyern, andere versuchen noch, ihre übrigen Tickets an den Mann zu bringen und der einzige Rikscha-Fahrer hofft auf Kundschaft, indem er laute Metal-Musik aus seinem Gefährt donnern lässt. Da Sturmtief Sabine erst für den morgigen Tag in München erwartet wird und die Nacht für diese Jahreszeit erstaunlich milde ist, bevorzugen wir den kurzen Spaziergang durch den Park zur großen Olympiahalle.

Dort hat sich gegen halb Sieben schon eine lange Schlange vor dem Einlass gebildet, in der wir jedoch zügig vorankommen. Vorbei an größeren Ansammlungen leerer Bier- und Schnapsflaschen geht es durch den Security-Check, wo uns der freundliche Mitarbeiter noch einmal vor Taschendieben warnt. Vermutlich geht die größere Gefahr heute von betrunkenen Konzertbesuchern aus, wir verstauen den Geldbeutel dennoch lieber an einem sicheren Ort. Den Merchandise-Stand an der Pforte schenken wir uns aufgrund des hohen Andrangs und riskieren stattdessen einen ersten Blick durch die Ränge sowie auf die bereits unheilig dekorierte Bühne, wo in Kürze BEHEMOTH den Abend eröffnen sollen.

BEHEMOTH

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Es ist 19:30 Uhr, als plötzlich in der Olympiahalle die Arena in Dunkelheit getaucht wird und ein Kinderchor von der Ankunft BEHEMOTHs kündet. Nicht nur Nebelschwaden wabern zum Intro „Solve“ über die Bühne, auf den beiden Displays links und rechts des erhobenen Schlagzeugs erkennen wir den Umriss der Bundesrepublik, in dessen Mitte ein invertiertes Kreuz prangert. Subtil waren BEHEMOTH noch nie, eine deutlichere Sprache spricht wohl nur ihre Musik.

Gnadenlos brettert „Wolves Ov Siberia“ begleitet von CO-Fontänen und alsbald Feuersäulen durch die Halle, wobei der markige Bass die feineren Töne gerne Mal verschluckt. Das ist jedoch gut zu verschmerzen, da die Polen einmal mehr ein visuelles Spektakel vorbereitet haben. In quasi jedem Song steigen irgendwann Flammen empor und zwar nicht nur im Hintergrund, sondern auch an den Ecken des Drumrisers, als würde Schlagzeuger Inferno es seinem Namen gleichtun und vor sich die Hölle entfachen.

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Gitarrist und Sänger Nergal
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BEHEMOTH sind echte Showmänner.

BEHEMOTH wissen, wie man selbst eine größere Zuschauerschaft unterhält

Davor verstecken sich die übrigen Musiker nicht hinter den schick verzierten Mikrofonständern, sondern sind durchweg auf den Brettern unterwegs und dabei um keine Pose verlegen. In „Ov Fire And The Void“ merken wir der Band die einstudierte Choreografie an, ansonsten ist die Show jedoch wie aus einem Guss. Im okkult angehauchten „Bartzabel“ tritt Bandkopf Nergal mit einer Mitra auf dem Haupt vor das Publikum, während Gitarrist Seth und Bassist Orion den choralen Hintergrundgesang übernehmen. Kurz darauf recken sich zu „Rom 5:8“ in der Arena hunderte Fäuste in die Luft, während sich vor rotem Hintergrund das weiße Licht der Scheinwerfer bricht.

Hinter der bleich geschminkten Fassade sind BEHEMOTH eben in erster Linie Showmänner, die nur zu genau wissen, wie man selbst eine respektable Zuschauerschaft unterhält. Dass das Quartett dies auch im Vorprogramm von SLIPKNOT zu tun vermag und insbesondere in diesem Ausmaß darf, spricht für sich. Brennende Kreuze gibt es heute Abend in der Olympiahalle zwar nicht, dafür wird zum Ende der 45-minütigen Zeremonie mit dem Klassiker „Chant For Eschaton 2000“ gemeinsam der Weltuntergang heraufbeschworen. Solange selbiger bis Morgen warten kann, soll uns das nur recht sein.

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BEHEMOTH Setlist

  1. Solve (Intro)
  2. Wolves Ov Siberia
  3. Daimonos
  4. Ora Pro Nobis Lucifer
  5. Bartzabel
  6. Rom 5:8
  7. Blow Your Trumpets Gabriel
  8. Ov Fire And The Void
  9. Chant For Eschaton 2000
  10. Coagvla (Outro)

SLIPKNOT

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Weil bei nur zwei Bands auf dem Programm so ein Konzertabend schnell vorbei sein kann, lassen uns SLIPKNOT erstmal warten. Mittlerweile verdeckt ein schwarzer Vorhang mit Bandlogo die Sicht auf die Bühne, während davor die mobilen Bierverkäufer auf einen neuen Umsatzrekord spekulieren. Rund 50 Minuten haben sie dafür Zeit, bis der Vorhang mit einem Knall den Blick freigibt und ein spektakuläres Bühnendesign offenbart.

In dunkles Blau getaucht baut sich ein zweistöckiges Set vor uns auf, dessen Fronten mit LED-Displays verkleidet sind. Am Ende der mittigen Treppe thront das Schlagzeugset von Jay Weinberg, zu seinen Seiten befinden sich DJ-Pult und Keyboard. Von dort führen zwei Stege zu den Percussion-Türmen, die gleich von Clown und seinem Pendant, dem mysteriösen „Tortilla Man“, bemannt werden sollen. Über dieser Aufbaut hängen zwei weitere große LED-Tafeln, auf welchen der SLIPKNOT-Stern zu sehen ist, während die neun Musiker unter großem Jubel die Münchner Bretter betreten.

SLIPKNOT drehen mehr als einmal die Zeit zurück

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Das Intro von „Unsainted“ ist schon fast verklungen, als sich schließlich Frontmann Corey Taylor – zunächst reserviert im dicken Mantel – zeigt und erstmals seine Stimme erhebt. Mit ihm singen tausende Fans den Refrain, nur um dann komplett in Ekstase zu verfallen. Der (mehr als) angetrunkene Fan vor uns, verschüttet sein Getränk, während er beinahe das Geländer der Arena aus dem Boden reißt. Dort bildet sich vor der Bühne bereits der erste Moshpit, während Tortilla Man auf seinem Turm akrobatisch von einer Trommel zur anderen springt.

Alex Venturella, dessen Bassgitarre mit LED-Dioden bestückt ist, erklimmt derweil gerne die oberste Etage, wo er unter den sporadisch eingesetzten Flammenwerfern entlang marschiert und später in „Birth Of The Cruel“ mittels einer Installation an seinem Instrument selbst zum Pyromanen werden soll. Zunächst drehen SLIPKNOT allerdings die Zeit zurück: Mit „Disasterpiece“ und „Eeyore“ packen die US-Amerikaner den Vorschlaghammer aus – und das nicht zum letzten Mal. Denn nahezu die Hälfte des Sets füllt die Formation mit Songs der ersten beiden Alben „Slipknot“ (1999) und „Iowa“ (2001). Bedauerlich, dass ausgerechnet das aktuelle Album „We Are Not Your Kind“ mit gerade Mal vier Stücken bedacht wird, dafür freuen wir uns über „Nero Forte“, bei dem SLIPKNOT erstmals die komplette Lichtanlage nutzen und wilde Visuals auf ihre LED-Screens zaubern.

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Frontmann Corey Taylor
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Gitarrist Jim Root mit Neuzugang Tortilla Man

Die großen Karrierehits werden auch ohne gesonderte Ankündigung zum Selbstläufer

Spätestens ab diesem Zeitpunkt herrscht reges Treiben auf und vor der Bühne. DJ Sid Wilson etwa nutzt jede seiner Pausen, um auf dem Laufband vor seinem Pult die aberwitzigsten Tanzeinlagen darzubieten. Den Schwung verliert das intensive Set lediglich dann, wenn sich die US-Amerikaner zwischen einzelnen Songs überlange dramaturgische Pausen gönnen oder sich Corey Taylor zum zehnten Mal nach unserem Befinden erkundigt.

Zeitgleich werden jedoch die großen Karrierehits SLIPKNOTs auch ohne gesonderte Ankündigung zum Selbstläufer. Schon die ersten Töne von „Psychosocial“ werden von lautem Jubel begleitet, bevor die Münchner die ersten Zeilen sogar lauter skandieren als Corey Taylor selbst. Während „Before I Forget“ mit einer Feuerwerksexplosion zum Mitspringen einlädt, bildet sich zum thrashigen „Solway Firth“ der erste richtige Circle Pit des Abends, der in seiner Größe erst von „Wait And Bleed“ und später „All Out Life“ in den Schatten gestellt wird.

SLIPKNOT fordern im Zugabenblock unsere letzten Energiereserven

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Mit einem Paukenschlag läutet Clown schließlich den vorläufigen Schlusspunkt ein: Während Corey Taylor gerade die ersten Töne des Live-Hits „Duality“ anstimmt, schwingt der Perkussionist einen brennenden Baseballschläger gegen ein baumelndes Metallfass. Für die Fans aus der bayerischen Landeshauptstadt quasi ein Weckruf, denn zwischen Crowdsurfern und Moshpit scheint die Atmosphäre nun in jeder Ecke der Halle geradezu elektrisierend – ob sitzend auf den Rängen oder stehend feiernd, die Musik spürt nun wirklich ein jeder der Anwesenden.

Klar, dass SLIPKNOT aus dieser Situation Kapital schlagen: Ein geradezu nostalgischer Zugabenblock fordert unsere letzten Energiereserven. Was „(sic)“ beginnt, treibt „People = Shit“ auf die Spitze – und sollte jemand aufgrund von Dehydration oder zu vielen Runden im Pit den Text vergessen haben, erinnern die LED-Displays an die gehaltvollen Lyrics, die wir natürlich aus voller Kehle mitbrüllen. Als Jim Root schließlich „Surfacing“ vom Debüt anstimmt, versuchen wir bereits mental wieder herunterzufahren – nach 100 Minuten Vollbedienung samt grell blinkenden Visuals nähern wir uns der Reizüberflutung.

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Eine Verschnaufpause war uns während der Show musikalisch nicht vergönnt – eine solche finden wir erst wieder, als wir unter nachtblauem Himmel durch den Münchner Olympiapark gen U-Bahn schlendern. Der Rikscha-Fahrer hat bereits Feierabend und von den Promotern zeugen nur noch einzelne Flyer auf dem Asphalt. Uns soll das recht sein, denn nachdem wir gerade zwei der angesagtesten Metal-Acts in einem intensiven Paket live erlebt haben, möchten wir diesen letzten Moment der Ruhe genießen, bevor am kommenden Morgen mit dem Orkantief Sabine schon der nächste Sturm losbrechen wird.

SLIPKNOT Setlist

  1. Unsainted
  2. Disasterpiece
  3. Eeyore
  4. Nero Forte
  5. Before I Forget
  6. New Abortion
  7. Psychosocial
  8. Solway Firth
  9. Vermilion
  10. Birth Of The Cruel
  11. Wait And Bleed
  12. Eyeless
  13. All Out Life
  14. Duality
    ————————————–
  15. (sic)
  16. People = Shit
  17. Surfacing

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