OOMPH!, EXILIA, SECRET DISCOVERY – Stuttgart, Longhorn, 16.5.2004

OOMPH! entfesseln unbändige Energie, EXILIA kleiden sich hauptsächlich komisch und SECRET DISCOVERY müssen nochmal ganz von unten anfangen…

SECRET DISCOVERY

Surprise, Surprise! Schon beim Zieleinlauf Richtung Longhorn vermeinten meine Lauscher eine ganz bestimmte tiefe, klare Männerstimme zwischen dem Straßenlärm der nahen Bundesstraße zu vernehmen, und vor EXILIA hatten sich tatsächlich heimlich, still und leise noch SECRET DISCOVERY ins Billing geschlichen. Doch leider wurde die Freude über dieses unerwartete Wiedersehen ganz schön getrübt von der etwas eindimensionalen Songauswahl und dem beileibe nicht mehr so überzeugenden Stageacting von Deutschlands einzigem Gothicfitnessstudio auf Beinen. Die mystische Aura, sonst immer festes Bandmitglied bei Liveauftritten, schien die Reunion nicht mitgemacht zu haben und war zu Hause geblieben. Da kann auch die spartanische Ausleuchtung nicht verantwortlich gemacht werden. Die schmerzliche Erkenntnis stellte sich ein: SECRET DISCOVERY müssen nochmal ganz von unten anfangen.

EXILIA

Was so alles möglich ist, wenn der Wille einiger Labelmacher hinter einer Band steht! Bei EXILIA – zu diesem Zeitpunkt gerade mal mit einer Mini-CD und einem scheinbar rauf und runtergenölten Video am Start – fand der Lichtmischer plötzlich raus, wofür all die anderen Knöpfchen auf seinem Pult so da waren, und die Roadies hievten plötzlich eine komplette Bühnenausstattung auf die Bretter. Es folgte das Worst Case Scenario. Woran erkennt man, dass bei einer Band garantiert die Musik im Vordergrund steht?

§1 Die Band tritt stets im selben Outfit auf wie im Video.

§2 Eine Frontfrau wirft sich in alle erdenkliche Posen der ach so wütenden Nu-Rock-Shouterin.

§3 Zwischen den Songs (die alle mit langem ausklingendem Trommelwirbel enden und manchmal sogar anfangen) werden minutenlang Mitklatschspielchen zelebriert.

Zu Anklagepunkt Numero Uno kam erschwerend hinzu, dass der Gitarrist irgendwann mal beim Anziehen durch einen Motorsportladen getorkelt ist und beim Haarewaschen aus Versehen roten Haarlack statt Shampoo erwischt hatte, während der Basser scheinbar direkt im benachbarten Hafen aus seinem Job als Deckarbeiter wegrekrutiert worden war. Sängerin Masha wiederum trug eine Menge Dreadlocks mit sich rum, die auch, siehe §2, entsprechend konventionell rumgewirbelt sein wollten. Bei §3 wollen wir gütigerweise noch verschweigen, dass Masha zwischendurch so an die 66 Mal jedem einzelnen Anwesenden versicherte, dass er ihr Friend sei, er allerdings noch lauter schreien solle, wenn sie das wolle. Anbiederung hat einen neuen Namen… Warum mit EXILIA dennoch nicht kurzer Prozess gemacht werden kann? Weil zum einen ein Großteil der Besucher durchaus positiv auf die Italiener reagierte, sodass meine Meinung lediglich die einer Minderheit darstellt, und zum anderen sei dem Quartett zugestanden, dass die Songs, wenn sie denn dann endlich mal kurz zwischen Mitklatschspielchen und einer weiteren „My friiiieeeends!“-Ansage zum Zuge kamen, durchaus Spaß machten. „Starseed“ und der Singletrack „Stop Playing God” (leider eingeleitet von der penetrantesten Werbeverkaufsschau seit der Erfindung der Wärmedecken…) beispielsweise rocken definitiv das Haus, ohne die Neuerfindung des Rades darzustellen. Ein, zwei weitere von der Güteklasse, und ich hätte meine Vorbehalte links liegen gelassen und losgemosht.

OOMPH!

Welch Wohltat! OOMPH! zeigten im Anschluss, wie man eine Halle auch ohne Anbiederung zum Kochen bringen kann. Frontpsychopath Dero machte mit seinen stilvoll in Nervenarztklamotten gehüllten Kollegen Nägel mit Köpfen und zelebrierte geradezu die energiegeladenen Stücke zu Beginn des Auftritts, unterstützt von einer überaus stilvollen Videowand und einer aufwendigen Lichtshow. Rastlos trieb es Dero von einer Bühnenkante zur nächsten, bevor er plötzlich sogar mittels Diver mitten im Publikum zu rumoren begann. Seine Mitstreiter verzogen hingegen keine Miene und übten sich in unbeeindrucktem, brachial präzisem Spiel. Entsprechend wuchtig und unwiderstehlich donnerte Song um Song aus den Boxen. Selbst auf Platte verhältnismäßig mittelprächtige Stücke wie „Brennende Liebe“, „Das weiße Licht“ oder „Keine Luft mehr“ machten keine Gefangenen und bereiteten das Feld für Übersongs wie beispielsweise „Fieber“, bei dem das Publikum den Part von Nina Hagen übernahm, oder den Hit „Augen auf!“. Selbst ein Oldie wie „Feiert das Kreuz“ wirkte wie neugeboren angesichts der enormen Power, die OOMPH! da auf die Zuschauer im vollen Longhorn losließen. Besonders bemerkenswert ist auch, dass die Band trotz einer ausgiebigen Spielzeit von 90 Minuten keinen Moment lang locker ließ. Stets saß jeder Schlag, knallte jedes Riff, flitzte jeder Groove direktamente auf die Schnellstraße Richtung Tanzbein. OOMPH! sind bereit für die ganz großen Hallen, stellenweise wirkte das Longhorn jedenfalls fast schon zu eng für Deros Wüten und die ähnlich wie die Songs simpel aber effektiv gehaltene Videoshow. Umso intimer wirkte der Gig dafür, zumal Dero die Zuschauer mit zwei witzigen A-Capella-Nummern in die milde Stuttgarter Nacht entließ, nachdem die Zugabeforderungen vehement erschollen waren.

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