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MARDUK, UNLEASHED, VREID: Stockholm, Klubben, 23.11.2007

Ein kalter Abend Ende November. Black Metal steigt mit den zwei Kämpfern MARDUK und VREID in den Ring, in der Death Metal-Ecke sitzen UNLEASHED. Austragungsort: Klubben, Stockholm.

Während das Anstehen im Mai dieses Jahres vor dem Klubben eine gemütliche Angelegenheit war – inklusive Wärme und Sonnenschein – sieht die Sache an diesem Novemberabend etwas anders aus. Seit drei Uhr nachmittags lassen sich die Umweltbedingungen in Stockholm unter dem Begriff frostbitten darkness zusammenfassen, dass diese noch mit Regen und etwas Schnee garniert wird, macht die Warterei in der friedlichen Schlange vor dem Klubben umso mehr zu einer Werbeveranstaltung für lange Unterhosen. Mittels zerschliessenen Netzstrümpfen zur Schau getragene, kälteresistente Schwedinnenerotik bleibt denn auch ein eher seltener Anblick. Umso froher ist man, wenn einen die wohlige Klubben-Wärme umfasst. Wie immer ist die Security äusserst nett und mit perfekten Englischkenntnissen gesegnet. Diese Freundlichkeit lässt dann auch die etwas merkwürdige Vorverkaufsstrategie des Organisators vergessen – auf dessen Anweisung hin waren die Tickets für dieses Konzert nämlich ausschließlich an in Schweden wohnhafte Personen verkauft worden, was nicht gerade förderlich ist, wenn man die Flugbuchung darauf abstimmen sollte. Aber eben – im Klubben fühlt man sich sogleich willkommen und nach der Garderobenerledigung steht einem gemütlichen Konzertabend nichts mehr im Wege. Ein Blick auf den Merchandisestand zeigt zudem, dass MARDUK, UNLEASHED und VREID noch nicht in fanfeindliche Sphären vorgedrungen sind – man kann nur hoffen, dass diese Einstellung auch noch nach dem heutigen Tourauftakt erhalten bleibt.

Doch zum Verweilen bleibt nicht viel Zeit, denn VREID schicken sich an, den dunklen Musikreigen zu eröffnen. Der Publikumsaufmarsch hält sich vorerst in Grenzen, der Klubben ist etwa zur Hälfte gefüllt. Dennoch – vor allem das jüngere Publikum in den vorderen Reihen feiert die Ankunft der Norweger, und diese legen routiniert los. Mit drei eigenen Alben im Gepäck haben sich VREID mittlerweile weitestgehend von ihrer gloriosen WINDIR-Vergangenheit emanzipiert und demonstrieren dies nicht nur mit Raped By Light und Helvete vom Kraft-Album, sondern auch mit Stücken ihrer Outputs Pitch Black Brigade und I Krig. Ab und an bildet sich sogar ein kleiner Mini-Pit im Publikum, solche Begeisterungszeichen limitieren sich allerdings auf den vorderen Teil des Saals. Mit Ansagen auf Norwegisch führt Sture durch das Set, und am Ende können VREID einen soliden Auftritt für sich verbuchen.

Danach ist es Zeit für den Auftritt, für welchen wohl die meisten anwesenden Death Metaller an diesem Freitagabend den Weg in den Klubben gefunden haben. Dieser hat sich unterdessen gut gefüllt und dementsprechend lautstark und euphorisch ist die Begrüssung der todesmetallischen Helden UNLEASHED. Die Schweden haben im Gegensatz zu VREID auch noch den Heimvorteil auf ihrer Seite und legen sogleich energiegeladen los. Wuchtig erschallt der UNLEASHED-Sound von der Bühne und der schwedische Groove erfasst das Publikum. Mit Never Ending Hate gehts gleich ab zurück ins Jahr 1992, was bei den anwesenden älteren Semestern ein seliges Grinsen auf die Gesichter zaubert. Der folgende Sprung zum zehn Jahre jüngeren Don`t want to be born vom Hell`s Unleashed-Werk klappt perfekt, und UNLEASHED haben ihr Publikum sogleich im Griff, was sich unter anderem in extremen Mitbrüllchören äußert. Der todesmetallische Groove greift um sich, und Frontmann Johnny stößt mit seinen schwedischen Ansagen ebenfalls auf breitgestreute Zustimmung. Deklarationen, die sich sinngemäss übersetzen lassen zu der schwedische Death Metal ist nicht tot und sowieso das beste, was es gibt werden denn auch entsprechend abgefeiert und dies in einer herzlichen, mitreissenden Art und Weise.

Musikalisch lassen UNLEASHED denn auch ebenfalls nichts anbrennen. Hierbei fällt spielerisch vor allem Gitarrist Fredrik Folkare auf, der mehr als souveräne Saitenarbeit präsentiert und mit seinen geilen Soli zeigt, wo gitarrenmässig der (Thors)hammer hängt. Dass er nebenher als Drummer aktiv ist, als Mitproduzent bei Hrimthursum mitwaltete und dort das Piano-Outro zu I Strike With Wrath beisteuerte, mag man ob seiner an die Nacht gelegte Gitarrenversiertheit kaum glauben – schließlich sind derart kompetente Multiinstrumentalisten eher rar gesät. Wuchtig und groovend walzen sich UNLEASHED durch Songs ihrer umfangreichen Diskographie und nutzen die Gelegenheit, ihr aktuelles Werk Midvinterblot ausführlich zu präsentieren. Das Publikum brüllt begeistert mit bei In Victory or Defeat, was bei Zeilen wie We are the immortals, from hell we rise / We are the immortals, Death Metal, no compromise auch kaum überrascht. Auch der folgende Titeltrack des Albums oder Winterland vom Sworn Allegiance-Output werden mit anhaltender Begeisterung und Bewegungsfreude von den Fans aufgenommen. Intermezzi sind rar gesät, UNLEASHED setzen lieber auf unverfälschten Todesmetall und den Mitreissfaktor ihrer Songs. Nach Glory Ride und ritualistischem Trinken aus dem Horn, welches Johnny vom humpelnden NECROPHOBIC-Fronter Tobias Sidegård gereicht wird, stimmen die Schweden noch To Asgaard We Fly und Death Metal Victory an und lassen schließlich ein verschwitztes, mehr als zufriedenes Publikum zurück.

Die Ankündigung Death Metal Victory wirkt fast schon überflüssig, denn mit ihrem Gig haben UNLEASHED die Latte für MARDUK extrem hoch angesetzt. Mit dem gleichen Rezept können die Landsmänner somit kaum antreten, und so setzt die schwarzmetallische Panzerdivision auf eine diametral entgegengesetzte Strategie, mit der sie wie das pure Gegenteil von UNLEASHED wirken. Corpsepaint und eine düstere Grundatmosphäre beherrschen so wenig später die Grundstimmung der MARDUK-Performance. Kalt und unerbittlich prasselt der schwedische Black Metal auf das Publikum nieder, und man bemerkt eine unausgesprochene Distanz zwischen Band und Fans, die vor allem im direkten Vergleich zu den vorher Spielenden offensichtlich ist. Nach einem kriegerischen Fliegerintro brettern die Schweden den Anwesenden professionell Baptism by Fire vom Panzer Division Marduk-Album um die Ohren, dann reisen sie mit Still Fucking Dead zurück ins Jahr 1992. Egal ob ältere Songs oder neueres Material vom Rom 5:12-Werk wie Womb of Perishableness – die MARDUK-Show ist professionell durchorchestriert von A bis Z. Zahlreiche Intermezzi, eine hektische Lichtshow und eine dem visuellen Aspekt streng verpflichtet wirkende Band gehören ebenso dazu, wie eben das Performen der Songs an sich. Leider schmälert der im negativen Sinne metallisch klingende Drumsound etwas den Genuss von Songs wie Beyond the Grace of God (vom 1996er Output Heaven Shall Burn… When We Are Gathered) oder Materialized in Stone. Gar nichts anhaben kann dieses Ungemach lediglich dem Titeltrack des MARDUK-Meisterwerkes Those of the Unlight – für dessen würdige Rezeption man gerne nochmals die letzten Kräfte mobilisiert.

Gegen Mitternacht ist dann Schluss mit der metallischen Unterhaltung und schnell ist man aus der Klubben-Wärme in die kalte Stockholmer Nacht entlassen. Wer es vermag, leistet sich ein Taxi. Den anderen bleibt der kurze Marsch in Richtung Gullmarsplan Metrostation. Lange braucht man auch nicht, um zum Fazit zu kommen, dass UNLEASHED an diesem Konzertabend wohl eindeutig als Sieger vom Schlachtfeld gegangen sind – und dass das schwedische Publikum ganz genau weiss, wie es seine Bands zu feiern hat.

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