HELGE SCHNEIDER am 4. Juli 2004, Tollwood in München

Ein großartiger Auftritt von einem großartigen Künstler.

Er ist eine der polarisierendsten Personen der Republik: Helge Schneider ist ein Humorist der besonderen Sorte, seine bekannten Songs sind in den Ohren der Menschen, die normalen Humor besitzen Kakophonie, seine Witze zaubern einigen Menschen nur ein müdes Gähnen aufs Gesicht und einige werden gar aggressiv, wenn der 49-jährige Mühlheimer Es gibt Reis, Baby krakeelt.

Ich persönlich vergöttere Helge Schneider schon länger als ich Metal höre. Ich glaube, ich war elf als mein Bruder mit seinen Zivi-Kollegen eine Party feierte und danach irgendwo eine Kassette liegen ließ, die ich mir anhörte. Und die bekehrte mich. Leute, ich habe Helge Schneider nun zum zweiten Mal gesehen und das Gefühl war immer noch das Gleiche, das ich hatte, als ich zum ersten Mal seine Lieder hörte: Grenzenlose Begeisterung über unwahrscheinlich abstrakten Humor, den ich mit 21 natürlich besser kapiere als noch mit elf.

Bereits um 18:00 Uhr begann der Auftritt von Helge, der dieses mal ohne Unterstützung seiner Freunde und Jazz-Musiker Jimmy Wood und Pete York agierte. Dieses Mal war nur Kochazubi und Lachnummer Bodo dabei, den die Besucher vom letzten Mal schon kannten und der den inzwischen langhaarigen Helge mit lecker Pfefferminztee (Udo Jürgens trinkt immer nur Kamillentee, die alte Pflaume.) versorgte, damit sein Teespiegel die richtige Höhe erreichte. Als dies geschehen war, begann sein Programm. Nur Helge am Flügel und an vielen anderen Instrumenten, spielte er viele neue Stücke und einige Klassiker. Doch erstaunlicherweise fehlte Die Wurstfachverkäuferin ebenso wie Es gibt Reis. Dafür waren mit Fitze Fitze Fatze, bei dem das ausverkaufte Tollwood-Zelt den Westfahlen unterstützen musste, Der Meisenmann und Katzeklo, das in ein Drumsolo eingebaut war, das von Herrn Scheider selbst gespielt wurde, zumindest die wichtigsten Nummern vertreten. Neue und bekanntere Stücke wie Der Erzgebirgeblues, Dein ewiges Nein geht mir auf den Sack, Du Sau und den Möhrchen-Song machte Helge dem Publikum etwas vertrauter und sorgte für totale Zwerchfellattacke.

Dafür konnte sich der Erfinder der Herrenhandtasche hervorragend austoben. Einerseits durch sein verrücktes Rumgehüpfe und seine Anfälle, andererseits war Platz für Improvisation in neuen Songs, die noch keiner kannte. Besonders hängen blieb Dort stehen sie an der Pommesbude und warten auf das, was ihnen gebührt, eine unsagbar traurige Ballade. Spaß beiseite, Helge überzeugte neben unkonventionellen Songs und ebensolcher Stand-Up Comedy auch mit wirklich beachtlichem Können an den Instrumenten. Der Meister spielte nicht nur auf Hammondorgel und Flügel, auch Xylophon, Gitarren und Schlagzeug wurden allesamt von ihm bedient und auf allen Improvisierte er derart fantastisch, dass ich heulen könnte, wenn ich nur dran denke.

Volles Programm also für zwei Stunden Nettospielzeit, die glücklicherweise mit einer Zugabe (die arg improvisierte Katzenoma) abgeschlossen wurde. Auf einer Westerngitarre spielend wurde gerade da klar, welch ein Perfektionist Helge Schneider ist: Eine kleine Verstimmung trieb ihm zur Weißglut und so verließ er um 20:30 Uhr die Bühne um Platz zu machen für die Übertragung des EM-Endspiels. Das ist nicht arrogant, sonst hätte er nach dem regulärem Set die Bühne überhaupt nicht mehr betreten. Das ist Helge Schneider, wie er leibt und lebt. Wer Helge Schneider daher nur als bloßen Blödelbarden sieht, hat nichts verstanden. Ein großartiger Auftritt von einem großartigen Künstler.

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