HELGE SCHNEIDER: Live am 6. Juli 2004 – Nürnberg, Serenadenhof

Entweder man liebt ihn oder man hasst ihn …

Schon interessant, was alles für Leute auf ein Helge Schneider-Konzert gehen. In der Schlange, die in den seit Wochen ausverkauften Serenadenhof führt, stehen Punks in EXPLOITED-Shirts neben Yuppies, die eben noch hupend mit ihrem TT-Cabrio vorgefahren sind. Der Mann mit seiner Gattin vor mir könnte gut und gerne Zahnarzt sein, der Typ neben mir hat ein BURZUM-Leibchen am Start – soweit, so gut. Nun gilt man ja schnell mal als ausgemachter Trottel, wenn man die vermeintliche Genialität des Kult-Jazzers, Multi-Instrumentalisten und Blödelbarden Helge Schneider auch nach Jahren interessierten und durchaus wohlwollenden Verfolgens seines Schaffenswerks noch immer nicht erkannt hat.

Dabei hat der Mann durchaus seine Vorzüge – und in der Vergangenheit so manchen Treffer gelandet. Lernen fürs Leben mit Helge: „Drei Männer in einem Raum“, klärte uns die singende Herrentorte aus Mühlheim an der Ruhr in ihrem Film „00 Schneider“ auf, „da ist schlecht Fotze lecken.“ Wogegen man rein inhaltlich wenig sagen kann. Hinzu kommt, dass der 49-Jährige wirklich ein Händchen hat, derbe und derbste Lügengeschichten an den Mann zu bringen. Mich erwischte es – das kann man hier ruhig mal erzählen – vor ein paar Jahren im Radio bei der Küchenarbeit, wo Helge gerade von einer Wüstentour mit Reinhold Messner berichtete. „Potzblitz“, nickt ich voll ehrlicher Anerkennung ins Spülwasser, „wer hätte sowas von diesem Vogel erwartet?“ Um gleich darauf zu erfahren, dass es allabendlich mächtig Ärger im Zweimannzelt gegeben hatte, als Messner seine Playmobilburg aufbauen wollte. Peng, eiskalt erwischt – 1:0 für Schneider!

Live im Serenadenhof ist von derartigen Kabinettstückchen nichts zu kriegen. Schneider tarnt sich einmal mehr erfolgreich als grenzdebiler Nichtskönner und beschränkt den Showaspekt des Abends auf seine reine Bühnenpräsenz. Sprich: Er macht garnichts. Den Hund streicheln, sich von Diener Bodo eine Tasse Tee reichen lassen und über die Sonnensegel des Serenadenhofs sinnieren, das reicht schon, dass sich das Publikum in Lachkrämpfen windet. Das Gesamtkunstwerk Schneider als leistungsfreie Nullnummer im luftleeren Raum – wahrscheinlich die wahre Anarchie im sich selbst viel zu ernst nehmenden Popzirkus. Oder doch nur die falschen Drogen? Selten war Humor mehr Geschmacksfrage als hier. Kann man gut finden, muss aber nicht. Kult ist, wenn man trotzdem lacht: Über geistlose Minimal-Pointen, üppig zelebrierten Dilettantismus oder auch nur die eingeschlafenen Gesichter der beiden Sicherheitsmänner am Bühnenrand, die sichtlich den schlimmsten Abend ihres Lebens durchmachen.

In der Pause sind wir gegangen. Weil der Mann sein Geld für unser Gusto zu leicht verdient. Aber Gabi hatte noch Bananeneis im Kühlschrank und wollte mir ihren neuen Balkon zeigen, den ihr ihr Vermieter überraschend anbauen hat lassen (gebt Euch das mal!). Außerdem war erst am Wochenende vorher backstage im Pressezelt des With Full Force-Festivals das alkoholvernebelte Konzert von Mambo Kurt, einem schlechten Typen, der Songs von RAMMSTEIN, SLAYER und IRON MAIDEN auf der Heimorgel spielt. Und das reicht dann rein subjektiv gesehen erst mal an der zulässigen Dosis Schwachsinn für die nächsten Wochen.

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