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FIDDLER’S GREEN, THE FEELGOOD MCLOUDS: Konzertbericht – Backstage Werk, München – 03.05.2024

Die “Green Machine” macht Halt in München: Mit neuen Songs und unsterblichen Evergreens erfährt das Backstage einmal mehr, warum FIDDLER’S GREEN zu den erfahrensten und sicherlich besten Live-Bands des Landes zählen.

Manchmal fragen wir uns schon, was denn mit all der Zeit passiert ist. Ungefähr 20 Jahre müsste es nun her sein, dass uns FIDDLER’S GREEN das erste Mal auf der Bühne begegnet sind. Seither war die Erlanger Folk-Band ein ständiger wie treuer Begleiter, der uns trotz wandelnder Geschmäcker und Hörgewohnheiten stets erhalten blieb. Wohl auch deshalb zieht es uns ins Münchner Backstage Werk, obwohl nebenan im kleineren Club die fantastischen DISILLUSION ebenfalls ein Jubiläum feiern. Zwei Dekaden sind es auch hier, die das Meisterstück „Back To Times Of Splendor“ (2004) nun auf dem Buckel hat – dass wir angesichts dieser Konkurrenzveranstaltung dennoch der „Green Machine“ (2023) den Vorzug geben, spricht ganz klar für den Stellenwert, den die Franken in unseren Herzen haben.

Eine Empfindung, die gar nicht so wenige Münchner:innen zu teilen scheinen: Die Schlange vor den Toren reicht bei unserer Ankunft bis hin zum Ende des hiesigen Areals. Ungewöhnlich ist das vor allem, weil wir in den letzten Wochen ob des guten Wetters selbst bei ausverkauften Konzerten bis kurz vor Showbeginn eher moderate Menschenmassen antrafen.


THE FEELGOOD MCLOUDS

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Nutznießer des Ganzen ist in der Folge der einzige Supportact des Abends, der die gut gefüllten Reihen am frühen Abend sicherlich nicht beklagen dürfte. Mit Bierflasche in der Hand und einem dicken Grinsen im Gesicht haben THE FEELGOOD MCLOUDS offenbar nur eine einzige Mission: Bis zum Auftritt des Headliners muss der komplette Saal nicht nur beben, sondern auch ausreichend Flüssigkeit zu sich genommen haben. Wobei die Saarländer nicht nur Trink- und Sauflieder in ihrem Repertoire zählen: Begleitet von Akkordeon und Tin Whistle werden im Arbeitersong „On Strike“ die Fäuste zum Protest geballt, bevor der Schunkler „The Ballad Of Sally & Sam“ mit Augenzwinkern das Zwischenmenschliche in den Fokus rückt.

Die Basis ist derweil jedoch immer die gleiche: Ihren kantigen Punk versetzen THE FEELGOOD MCLOUDS mit einem irisch-keltischen Folk-Vibe, den mal die Whistle, mal die Sackpfeife bereitstellt. Das Resultat ist zugleich rockig wie aufrüttelnd, sodass es auch vor den Brettern immer ausgelassener zugeht. Den Stimmungsumschwung spüren wir auch darauf, wo Sänger Günther selbst zusehends aufzutauen scheint. Den Knoten platzen lässt das unbeschwerte „Mad O’Reiley“, wo Gitarrist Ben selbst ein paar Zeilen beisteuert, bevor man mit einer kleinen Choreografie die Beine in die Luft wirft.

Mit THE FEELGOOD MCLOUDS bleibt im Münchner Backstage keine Kehle trocken

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Dass uns der raue Gesang die meiste Zeit an verrauchte Pub-Kultur erinnert, kommt immerhin den einschlägigen Nummern entgegen, wo sich die Band in „Drink To All My Friends“ inmitten gereckter Becher über einen kleinen Pit freuen darf und das Backstage in „Moonshiners“ sogar zu einem Sprung aus der Hocke animieren kann. An der Seite Günthers mitgröhlen wollen die Münchner:innen im abschließenden „Never Stop“ folglich ebenso fleißig, was dem feuchtfröhlichen Track deutlich besser zu Gesicht steht als dem eher bemühten MEN AT WORK-Cover „Down Under“ zuvor.

Den Getränkeabsatz kurbeln THE FEELGOOD MCLOUDS in dieser Dreiviertelstunde dem Blick nach zu urteilen dennoch fleißig an. Einem erhobenen Glas und einem berherzten Prosit kann man in Bayern schließlich kaum widerstehen, selbst wenn uns der völlig ungeniert über die Bühne stampfende Kameramann während des kompletten Sets immer wieder zweifeln lässt, ob die Band heute nun vorwiegend für uns oder ihre Social-Media-Kanäle spielt. Doch wer weiß, vielleicht wollte man in Abwesenheit von Geigerin Maren einfach trotzdem gern zu siebt auf der Bühne stehen.

Fotogalerie: THE FEELGOOD MCLOUDS


FIDDLER’S GREEN

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Die Laune ist ausgelassen, als sich um fünf nach neun die Zahnräder in Bewegung setzen. Die neuen Stageprops mögen im Gesamtbild schlicht wirken, passen aber hervorragend zum Albumthema: Die Ankunft der „Green Machine“ begleiten rhythmisch schießende Nebelsäulen, als würde man per Dampfventil für Druckausgleich sorgen. Tatsächlich aber steigt die Spannung mit jeder Sekunde, bis sie sich in einem einzigen Schwall schlagartig entlädt. Zwar könnte die Gitarre insgesamt ein weniger lauter sein, dem Drive des Openers „Shanghaied In Portsmouth“ zu widerstehen ist dennoch ein Ding des Unmöglichen.

Wie sehr das Publikum dem Auftritt entgegengefiebert hat, zeigt sich in den nachfolgenden Minuten, wo ausgelassener Pogo das flotte „Muirsheen Durkin“ begleitet, nachdem man während des Auftakts noch per Armbewegung den Wellengang auf See simuliert hatte. Die Zuschauerschaft im Werk ist dabei so bunt und vielfältig, wie es die Musik der Irish Folk Rock-Urgesteine ist: vom jungen Nachwuchsfan, der heute ausnahmsweise ein wenig länger aufbleiben darf, bis hin zu gesetzten Semestern, welche FIDDLER’S GREEN schon die Treue hielten, als es die D-Mark noch gab.

FIDDLER’S GREEN zelebrieren die “Green Machine” mit kleinen Showeinlagen

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Für diese wilde wie harmonische Mischung findet Sänger Albi schon früh die richtigen Worte: Ehrensache also, dass sich die „Perfect Gang“ direkt im gemeinsamen Singen übt, nur um kurz darauf wieder das Tanzbein zu schwingen. Als der Frontmann für „A Night In Dublin“ die Akustikgitarre zückt, verkörpert nicht nur die Musik das blühende Leben. Derweil halten FIDDLER’S GREEN die eigentlichen Überraschungen zu diesem Zeitpunkt noch zurück: Für das beschwingte „My Fairy Of The West“ segeln plötzlich riesengroße Luftballons durchs Backstage, die – und das haben wir auch nicht kommen sehen – binnen Sekunden den kantigen Deckenmonturen zum Opfer fallen. Der einzig Verbliebene verkeilt sich dann auch noch unter schallendem Gelächter zwischen ein paar Rohren.

Schlimm ist das natürlich nicht, da so die Aufmerksamkeit bald wieder den gut gelaunten Herren auf der Bühne gilt, die sich für den Schunkler „Greens And Fellows“ Verstärkung in Form zweier Fahnenschwenkerinnen holen, bevor Geiger Tobi mit seinem obligatorischen Solo für das erste große Showelement sorgt. Nicht nur fiedelt der Publikumsliebling, was das Zeug hält, auch optisch gibt es einiges zu sehen, als Schlagzeuger Frank die Trommel zeitweise gegen ein metallenes Bierfass eintauscht, dessen Flüssigkeit sich schließlich auf die Floor Tom ergießt.

Etwas fürs Herz und ganz viel fürs Tanzbein: FIDDLER’S GREEN denken an alle Geschmäcker

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Zwischen neuen und alten „Saufliedern“ Marke „I Don’t Like Alcohol“ oder „A Bottle A Day“, welche standesgemäß Gitarrist Pat zu intonieren weiß, finden FIDDLER’S GREEN des Weiteren auch genug Platz für unbeschwerte Klassiker à la „I’ll Tell Me Ma“. Dass man mit mehr als drei Dekaden auf dem Buckel nicht jeden Fan-Liebling berücksichtigen kann, versteht sich natürlich von selbst, und doch scheint uns die Mischung gut geglückt: Neben reichlich neuen Songs werden im letzten Drittel zusehends auch die großen Hits gezückt. Bis dahin aber gibt es mit der Ballade „A Fleecy Cloud“ erstmal etwas fürs Herz: Nicht ohne Grund wischt sich Frontmann Albi im Anschluss eine kleine Träne aus dem Gesicht, entstand das Stück doch zu einer Zeit, in der er krankheitsbedingt einer ungewissen Zukunft auf der Bühne entgegenblickte.

Umso herzerwärmender ist somit das heutige Bild, wo ein gut gefülltes Backstage geradezu euphorischen Beifall spendet, nur um im fantastischen Traditional „The Bog“ umgehend wieder in Ekstase zu verfallen. Bei so viel guter Laune hält es Geiger Tobi logischerweise nicht lange auf seinem Posten: Für das folgende Instrumentalstück erklimmt der Musiker kurzerhand eine Leiter inmitten der Arena, die alsbald von tanzenden Anhänger:innen umkreist wird – wir das ganze Mal einen „Circle Jig“.

Für die Finalstrecke packen FIDDLER’S GREEN die bewährten Hits aus

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Wie man dem noch eins draufsetzt? Indem man die komplette Band folgen lässt: Für den altehrwürdigen Klassiker „Raggle Taggle Gypsy“ vom selbstbetitelten Debüt (1992) findet sich kurzerhand die Formation in voller Mannschaftsstärke im Zentrum ein. Dass so viel gelebte Fannähe eine Steilvorlage für den Endspurt ist, müssen wir wohl nicht erläutern. Somit springt das Backstage zu „Yindy“ euphorisch in die Luft, lässt den Pit in „Victor And His Demons“ sowie „One Finde Day“ nochmal um ein paar Meter anwachsen und schickt im rockigen „Folk’s Not Dead“ gar ein paar Crowdsurfer nach vorne.

Was einen würdigen Abschluss bedeutet hätte, ist aber nur eine kleine Zäsur, denn ohne Zugabe schicken uns FIDDLER’S GREEN nicht nach Hause. Das gehört freilich zum Konzept, aus dem sich die Erlanger nicht einmal durch einen länglichen “Luftballon” bringen lassen, dessen Reißfestigkeit etwas über sein eigentliches Anwendungsgebiet verrät: Nicht einmal Tobis Geigenbogen vermag das vermeintlich unredliche Ding zum Platzen zu bringen.

FIDDLER’S GREEN-Sänger Ralf Albers formuliert zum Abschluss das passende Fazit

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In die Bresche springt wie selbstverständlich ein Fan in der ersten Reihe, so dass es kurz darauf endlich weiter im Programm gehen kann: Ihre Textsicherheit beweisen die Anhänger:innen im Cover „Galway Girl“, bevor sich im flotten „Old Dun Cow“ gar eine kleine Wall of Death firmiert, die wiederum in „Rocky Road To Dublin“ mit der ritualisierten Wall of Folk in einer familienfreundlicheren Alternative ausgeführt wird.

Doch nicht einmal dann ist es zu spät für Überraschungen: Den klassischen Rausschmeißer „Blarney Roses“ lassen FIDDLER’S GREEN heute in der Schublade und bescheren damit zumindest uns eine Premiere, haben wir doch in den vergangenen zwei Dekaden keine Headline-Show der Folk-Rocker erlebt, die nicht mit dem Evergreen sein Ende fand. Da „The Wild Rover“ als Schlusspunkt derweil ebenfalls gut gewählt scheint, gönnen wir Band und Song die Pause gerne. Das passende Fazit formuliert Sänger Albi sowieso höchstselbst mit einem ebenfalls zum Inventar gehörenden letzten Wort: „Arschgeil!“, lautet das Urteil, dem wir an dieser Stelle selbstverständlich rein gar nichts hinzuzufügen haben.

FIDDLER’S GREEN Setlist – ca. 115 Min.

1. Shanghaied In Portsmouth
2. Muirsheen Durkin
3. Perfect Gang
4. A Night In Dublin
5. I Don’t Like Alcohol
6. My Fairy Of The West
7. I’ll Tell Me Ma
8. Greens And Fellows
9. Tobi Solo
10. May The Road Rise Up To Meet You
11. Bottoms Up
12. A Good Old Irish Bar
13. A Fleecy Cloud
14. The Big
15. Jig
16. Raggle Taggle Gypsy
17. A Bottle A Day
18. Yindy
19. Victor And His Demons
20. One Fine Day
21. Folk’s Not Dead
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22. The Galway Girl
23. Old Dun Cow
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24. Rocky Road To Dublin
25. The Wild Rover

Fotogalerie: FIDDLER’S GREEN

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

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