blank

VAN CANTO: Frischer Wind in Sachen Melodic Speed Metal

Für alle, die Interviews mit erwachsene Menschen, die Rakka-Takka durch Gitarrenverstärker singen, interessant finden.

Alleine für die Idee, Melodic Speed Metal einzig mit vielstimmigem Gesang und Schlagzeug zu spielen, haben VAN CANTO Aufmerksamkeit verdient. Die Debüt-CD A Storm To Come hat jedoch nicht nur ebenso originelle wie gelungene Arrangements zu bieten, sondern besticht besonders durch ausgereifte Hymnen, die sofort ins Ohr gehen und zum Mitsingen einladen, ohne dabei die nötige Härte vermissen zu lassen. Ein Gespräch mit dem ehemaligen JESTER´S FUNERAL-Sänger Stefan Schmidt über seine neue Band war deshalb Pflicht.

Gehe ich Recht in der Annahme, dass du die treibende Kraft hinter VAN CANTO bist?

Ja, kann man schon so sagen. Ich habe die Songs komponiert, bis auf die Coversongs natürlich, und habe dann auch mehr oder weniger die Leute zusammengesucht, die da mitmachen sollen. Ich habe produziert, gemischt und das ganze Promogedöns ist auch auf meinem Mist gewachsen.

Da stellt sich mir die Frage, warum du das Ganze erst jetzt machst. Du machst ja seit vielen Jahren Musik. Warum nicht früher?

JESTER´S FUNERAL gab es offiziell bis Anfang 2006. So richtig was gemacht haben wir aber eigentlich nur bis Mitte 2005. Da hatten wir den letzten Gig und haben dann noch die vierte Platte, die wir nicht bei einer Plattenfirma unterkriegen konnten, selbst fertig aufgenommen, gemischt und online gestellt. Das musste noch gemacht werden. Ich konnte nicht wirklich etwas Neues anfangen, solange ich mit den alten Sachen noch kopf- und herzmäßig so verbunden war. JESTER´S FUNERAL war meine erste Band und auch eigentlich das, wo ich bisher am meisten Zeit und Energie reingesteckt habe. Ich hätte es irgendwie nicht vor mir selbst vertreten können, wenn ich jetzt ein Lied schreibe und mich dann beim Schreiben dafür entscheiden muss, ob es eher für JESTER´S FUNERAL ist oder eher für eine andere Band. Deswegen musste klar sein, dass es die eine Band nicht mehr gibt. Dann konnte ich direkt mit dem anderen Kram anfangen. Von daher ging es dann auch ziemlich schnell. Nachdem JESTER´S FUNERAL besiegelt waren, ging es sofort los. Aber wie gesagt, vom Kopf her musste ich da für das eine frei werden und das andere erst mal abschließen.

Wie lange musstest du üben, bis du den Gesang, den du jetzt ablieferst, singen konntest?

Von den Gesangstechniken selbst her musste ich gar nichts speziell üben. Eher im Gegenteil, die Stimme, die ich selbst singe, ist ziemlich tief, die zweittiefste. Von daher ist das auch konditionsmäßig viel, viel einfacher als das, was ich bei JESTER´S FUNERAL machen musste, wo ich in Sekunden von ganz hohen Sachen auf Growls umschalten und dann doch schnell wieder clean singen und dann wieder den Hetfield raushängen lassen musste. Bei VAN CANTO ist das ein ganz klarer Tonbereich, in dem ich singe. Das geht nicht über mehr als eine Oktave. Auch von der Stimmfärbung her musste ich nicht ganz so viel Gas geben und drücken, wie das bei JESTER´S FUNERAL der Fall war. Von daher musste ich eigentlich gar nicht üben. Das ging ganz angenehm direkt so.

Wie haben die anderen Bandmitglieder reagiert, als du ihnen die Idee und die Songs vorgestellt hast?

Als allererstes hat das Inga gehört. Sie war ziemlich angetan von der Idee. Aber eigentlich kann man bei allen Bandmitgliedern sagen, dass sie es lustig fanden, aber sich nicht wirklich was drunter vorstellen konnten, weil auch die ersten Demos, die ich gemacht habe, alle mit Klavier waren, damit man die Songstruktur erkennt. Dann hab ich dazu gesungen und mal bei einem Lied beispielhaft vorgemacht, wie dieses Rakkatakka klingen könnte. Die Antwort war eigentlich immer: Ja, das ist ja mal total krass. Das ist wirklich das Bescheuertste, bei dem ich je mitgemacht habe! oder: Das ist total geil! Ich hatte das Glück, dass alle, die ich dazu angefragt habe, gesagt haben, sie lassen sich darauf ein. Dass es uns allen selbst so gut gefällt, wussten wir vorher auch nicht. Da war also ein bisschen Glück dabei.

Gab es einen bestimmten Moment, als langsam aber sicher klar wurde, dass das Ganze nicht nur eine verrückte Idee ist, sondern dass da wirklich schöne Musik dabei rauskommt?

Als Ross eingesungen hat. Von der Reihenfolge war es so, dass wir zu diesen Klavierdemos zuerst die Leadgesänge aufgenommen haben; zuerst Dennis und Inga. Ich konnte immer zwischendurch meine Stimmen singen, weil in meinem Studio aufgenommen wurde und ich mich dann selbst aufgenommen habe. Ich konnte mir das zeitlich immer so einteilen, wie es mir gepasst hat. Als Ross dazukam, war das die vierte Stimme. Da hat man zum ersten Mal gemerkt, dass das vom Klang her ein Bild abgibt. Vorher klang es immer ein bisschen zu wenig. Da hat man immer gesagt: Es fehlt noch was. Es war auch immer beim Aufnehmen und auch beim Komponieren die latente Unsicherheit da, dass wenn man es jetzt weitermacht, man doch irgendwann an den Punkt kommt, wo man einfach Bock hat die Gitarre auszupacken und noch schnell die Gitarren dazu einzuspielen und ein ganz normales Metal-Album draus zu machen. Als Ross dann eingesungen hatte, hat sich zum ersten Mal angekündigt, dass das mit vier Stimmen schon sehr fett klingen kann. Danach hatten wir noch die Idee, das Ganze, was wir da singen, durch Gitarrenverstärker durchzujagen. Spätestens ab da war dann klar, dass es auf jeden Fall funktioniert.

Stefan
Stefan Schmidt – Sänger, Komponist und Produzent in Personalunion: Mit mir selbst komm ich gut zurecht, von daher konnte ich mir das gut erklären, was ich zu singen hatte!

Was war für dich als Produzent die größte Herausforderung bei den Aufnahmen?

Die Aufnahmen selbst waren sehr entspannt, weil man beim Gesangaufnehmen eigentlich auf sehr wenig achten muss. Ich sag mal, wenn die Drums einmal eingespielt sind, wo man zirka 24 Kanäle parallel fährt und immer gucken muss, dass nirgendwo etwas übersteuert und alle Mikros noch an derselben Stelle sind wie vor eine halben Stunde, ist das Gesangaufnehmen eher eine Psychologenaufgabe – also von seinem Gegenüber alles abzuverlangen und auch nach zwei oder drei Liedern, die man am Tag singt, immer noch drauf hinzuweisen, dass der letzte Take nicht ganz perfekt war. Von den Aufnahmen war das sehr angenehm für mich. Ich musste nicht wirklich viel machen – haben ja alles die Sänger gemacht.

Einer davon warst aber du.

Ja, gut. Mit mir selbst komme ich gut zurecht, von daher konnte ich mir das gut erklären, was ich zu singen hatte!

Würde sich die Musik dann auch für einen 5-Kanal-Surround-Mix eignen?

Bei den Surround-Mixen selbst ist das immer so, dass man nicht zuviel davon erwarten darf. Wir hatten damals mit JESTER´S FUNERAL auch die Option, das zu machen. Das hat dann leider nicht geklappt, weil unsere Plattenfirma gerne mal von heute auf morgen 180-Grad-Wendungen in ihren Konzepten und Meinungen vollzogen hat. Auf jeden Fall hatten wir schon mal angefangen mit dem Mix. Da ist es auch so, dass man viel weniger auf die verschiedenen Lautsprecher legen kann, als man zuerst den Eindruck hat. Wenn man das übertreibt, nervt es einfach nur. Wenn aus dem linken hinteren Lautsprecher die Gitarre kommt und rechts vorne die andere Gitarre, passt das einfach nicht. Ich finde auch generell, dass das für Metal oder für Rockmusik allgemein nicht unbedingt das Medium ist. Auch wenn man auf einem Konzert ist, steht man in der Menge und die Boxen kommen von der Bühne und brüllen einen von vorne an. Wenn man auf kleinen Clubgigs ist, wo es keine PA gibt, stehen die Verstärker auf der Bühne und brüllen einen von vorne an. Dieses Surround-Mäßige kommt im Leben viel weniger vor, als man glaubt. Ich habe jetzt nicht länger darüber nachgedacht. Ich würde da momentan auch nicht Energie reinstecken wollen. Vielleicht irgendwann, wenn wir unglaublich viele Platten verkauft haben und gar keine Ideen mehr haben, können wir mal einen Surround-Mix machen.

A Storm To Come hast du auf deinem eigenen Label rausgebracht. Habt ihr euch mit dem Album überhaupt bei größeren Plattenfirmen beworben?

Nein, wir haben das diesmal gar nicht erst an Labels geschickt. Ich merke jetzt selbst, dass ich das oft zitiere, aber wenn du mich jetzt nach VAN CANTO fragst, kann ich fast nichts von VAN CANTO erklären, ohne auf JESTER´S FUNERAL zu kommen, weil das meine letzten zehn Jahre waren und ich daraus auch meine Erfahrungen gezogen habe, natürlich auch was Plattenfirmen angeht – erstmal mit unserer eigenen Plattenfirma, mit der wir zum Schluss gar nicht mehr zurecht kamen und sie mit uns auch nicht, und dann natürlich die Erfahrungen, was Rückmeldungen angeht, wenn man es an andere Plattenfirmen schickt. Ich weiß nicht, wie weit du die JESTER´S FUNERAL-Alben im Ohr hast oder kennst, aber wir waren immer in der Schnittmenge zwischen METALLICA und BLIND GUARDIAN, immer ein bisschen moderner und tiefer gestimmt. Da kam wirklich alles zurück an Rückmeldung. Das Geilste war bei einer Plattenfirma, die gesagt haben: Das klingt alles ganz gut und da könnte man auch mal drüber reden, ob man was zusammen machen kann. Aber wir müssten insgesamt mehr klingen wie die italienischen Power Metal-Bands. Das, nachdem ich gerade eine Platte abgegeben hatte, auf der ich probierte zu singen wie James Hetfield und wir die Gitarren tiefer gestimmt hatten und die wirklich überhaupt nichts mit Italo-Power Metal zu tun hatte! Und dann kommt die Rückmeldung: Ja, das ist ja ganz gut, ihr müsst nur total anders klingen. Spätestens da habe ich gedacht, man macht sich zuviel Kopf als Musiker. Man denkt immer, das sind voll die Götter, die da hocken. Meist sind es selbst gelangweilte oder frustrierte Musiker, die es mit ihrer eigenen Band nicht geschafft haben. Die werden dann A&R bei einer Plattenfirma. Je nachdem, ob sie gut oder schlecht geschlafen haben, antworten sie auf eine E-Mail. Da habe ich einfach keinen Bock mehr drauf. Dafür ist die Mühe, die ich da hineinstecke, zuviel, als dass ich mir Absagen holen wollte, die dann mit einem Satz als Standardabsage formuliert sind. Das ist nicht angemessen, finde ich. Deswegen wollte ich mir das nicht mehr antun. Ich glaube auch – das ist der zweite Punkt -, dass wenn eine Idee gut ist und eine Band gut ankommt, die Plattenfirmen, wenn es sie wirklich interessiert, von alleine kommen; dass es nicht wirklich eine gute Idee ist, vor der ersten Platte, wenn noch niemand den Namen jemals gehört hat, mit einem Demo hausieren zu gehen. Da hat man einfach keine Argumente. Diesmal wollten wir es so machen, dass wir uns die Argumente selbst erst mal sammeln, alles selbst machen, Plattenfirma selbst machen, Produktion selbst machen, von keinem reinreden lassen. Wenn es dann funktioniert, kann man für eine zweite oder dritte Platte auch ganz anders an potenzielle Labels herantreten.

Ihr habt ein schönes Video zu The Mission gedreht. Hast du für die Finanzierung deine Gitarrensammlung verkauft?

Nein. Bei dem ganzen Projekt ist das so wie immer, wenn man solche Sachen macht, dass man ziemlich viel auf Leute angewiesen ist, die einen ähnlichen Idealismus reinbringen und nicht unbedingt direkt aufs Geld schauen. Bei dem Video war es konkret so, dass ein langjähriger Freund von mir seine Diplom-Arbeit an der Uni in Detmold schrieb. Da macht er irgendwas in der Schnittstelle aus Innenarchitektur und Mediendesign. Seine Diplom-Arbeit ist die Inszenierung von so einem Video. Sein Thema war, wie man die Art und Weise der Musik, die ohne Instrumente auskommt und trotzdem den ganzen Raum füllt, in Bilder übersetzt. Deswegen hatten wir sozusagen einen Regisseur, einen Cutter und einen Effektspezialisten, der das alles auch für sich gemacht hat und da keine Stunden aufgeschrieben hat und uns am Ende eine Rechnung präsentiert hat. Genauso mit den Kameramännern und dem Beleuchtungsassistenten: Die haben zwar alle Geld gekriegt, aber das bewegt sich alles im Rahmen.

Du hast deine Gitarren noch.

Ich habe meine Gitarren noch und ich habe halt gespart. Wenn ich keine Musik mache, guck ich auch, dass ich mein Geld verdiene. Ich gebe es dann halt nicht für ein Auto aus und fahre seit vier Jahren nicht in den Urlaub, sondern gebe es für die Musik aus. Das ist mein Hobby!

Ihr seid vier Sänger und eine Sängerin in der Band. Oft haben die Sänger das größte Ego in der Band. Wer hat bei euch das größte Ego?

Ja, fünf Diven! Das größte Ego im Sinne von sich selbst überzeugt zu sein, da geben wir uns, glaub ich, alle nichts. Wir finden uns schon alle irgendwie toll. Wenn man nicht so ein bisschen Selbstbewusstsein hat, kann man sowieso nicht in einer Band spielen, weil man auf der Bühne sonst von den Leuten zerpflückt wird. Man muss auch irgendwie geil drauf sein, sich selbst ein bisschen darstellen, sonst hat das alles keinen Taug. Sonst kann man Liedermacher werden, aber kein Metal-Musiker. Im Sinne Ego, dass man das jetzt nach außen trägt, extrovertiert ist und es auch irgendwie schafft, die Leute zu beeindrucken und in den Bann zu ziehen, da würde ich schon als allererstes die beiden Leadsänger, also Dennis und Inga, nennen, die nicht zuletzt deswegen auch Leadsänger geworden sind. Dennis hatte ich kennen gelernt, als wir mal zusammen mit JESTER´S FUNERAL und SYNASTHASIA in Duisburg gespielt haben. Da ist er mir nach zwei Minuten schon aufgefallen, wie er auf der Bühne sich bewegt und wie er die Leute im Griff hat. Ganz unabhängig von der Musik war das einfach so, dass man 45 Minuten lang diesen Typ angeguckt hat und gedacht hat: Der ist ja irgendwie völlig verrückt und trotzdem genial. Deswegen wollte ich ihn unbedingt dabei haben. Die Stimme passt natürlich auch. Bei Inga ist es ähnlich. Frauen haben es im Metalbusiness, wenn sie auf der Bühne stehen, vielleicht ein ganz klein bisschen einfacher, wenn sie dann schon da stehen und das Selbstbewusstsein haben, das zu performen, weil ihnen dann zumindest schon mal die Augen von allen männlichen Besuchern sicher sind. Die beiden, würde ich sagen, haben es am ehesten drauf, ihr Ego nach außen darzustellen.

VAN
VAN CANTO (v.l.): Ross Thompson, Dennis Schunke, Ingo Sterzinger, Dennis Strillinger, Inga Scharf, Stefan Schmidt – Wir finden uns schon alle irgendwie toll. (Stefan Schmidt)

Hast du einen Lieblingsvokal zum Singen?

Das ist eine gute Frage. Kommt immer ein bisschen auf die Melodien an. Ich singe meistens As und Os. Das kommt aber auch ein bisschen drauf an, wie hoch man mit der Stimme muss. Je höher eine Melodie ist, desto mehr wird der Mund aufgemacht und desto eher klingt es nach A. Ich würd am liebsten alles mit O singen, aber wenn es nach oben geht, geht es halt nicht mehr. Merkt man ja, wenn man sich alte HELLOWEEN anhört. Wenn der Kiske dann nach oben schraubt, klingt alles nur noch nach A. I want aat.

Wie gehst du mit Kritik um?

Ich hoffe, dass ich gut mit Kritik umgehen kann. Ich hab auch noch eine andere Band, eine reine Instrumentalband, wo wir Surfrock machen, so Sixties-Kram, Quentin Tarantino-Style. Da ist es immer so eine Sache, wenn ein Konzert total gut angekommen ist und 100 Leute da waren und alle haben getanzt und sind total abgegangen, haben den ganzen Abend gerockt. Und danach kommt dann einer und sagt: Ich finde ja, der Basser ist ein bisschen untight. Da hab ich dann manchmal auch einfach keinen Bock. Da sage ich auch: Jaja, und hab jetzt keinen Bock da drauf. Und dann heißt es natürlich auch: Oh, ihr könnt überhaupt keine Kritik vertragen. Aber wenn jetzt wirklich eine konstruktive Kritik kommt, zum Beispiel in Form eines Reviews, in dem zu lesen ist, was einem Schreiberling an der CD nicht gefallen hat und was man besser machen kann, dann lese ich mir das schon durch und akzeptiere das auch. Aber ich würde mal sagen, dass ich eher in den seltenen Fällen dem sofort zustimme. Wenn das so wäre, dann hätte ich vorher schon was anders machen können.

Bei dieser Band (THE RAZORBLADES) stehst du mit der Gitarre auf der Bühne und auch bei JESTER´S FUNERAL hast du immer Gitarre gespielt. Hast du Angst, dass du dich jetzt auf der Bühne ohne Gitarre nackt fühlst?

Ich glaube auf jeden Fall, dass ich nicht derjenige bin, der den Frontmann abgeben kann, ohne eine Gitarre umzuhaben. Da bin ich schon froh, dass die Aufgabe in der Band nicht mir selbst obliegt. Ich hatte mit JESTER´S FUNERAL zwei Gigs, bei denen ich eine Armentzündung hatte und deswegen keine Gitarre spielen konnte und nur das Mikro in der Hand hatte. Das war schon anstrengend, weil ich nicht der Typ bin für die ganz theatralischen Gesten. Das kann Dennis besser, was man auch im Video sieht.

In welchem Rahmen würde du die Musik von VAN CANTO am liebsten live präsentieren?

Wir sind jetzt natürlich ein bisschen am rumspinnen. Ich denk mal, es ist nichts, was man irgendwie abendfüllend machen kann, alleine wegen der Belastung. Man kann nicht anderthalb Stunden in dieser Intensität singen. Das geht einfach nicht. Von daher wäre es schon schön, wenn man mit Bands, die sich in den etwas bombastischeren melodischen Metal-Gefilden tummeln, zusammen ein Programm aufziehen könnte. Jetzt ganz alleine auf Tour zu gehen und den Leuten ein abendfüllendes Programm zu bieten, dürfte schwer sein. Das sehe ich erst mal nicht.

Dennis
Stefan Schmidt über seine erste Begegnung mit Leadsänger Dennis Schunke: Ganz unabhängig von der Musik war das einfach so, dass man 45 Minuten lang diesen Typ angeguckt hat und gedacht hat: Der ist ja irgendwie völlig verrückt und trotzdem genial.

Wie schwierig ist es, die Terminpläne von sechs Leuten, die überwiegend noch in anderen Bands aktiv sind, unter einen Hut zu bekommen?

Für die Aufnahmen und alles, was damit zusammenhängt, haben wir effektiv acht Monate gebraucht. Ich denke, das ist voll in Ordnung. Da werden viele Bands, die sich jeden Tag im Proberaum sehen, länger brauchen. Wir haben ja auch auf einem halbwegs akzeptablen Niveau angefangen. Alle Leute, die gekommen sind, um einzusingen, haben sich auf der Zugfahrt hierher den Kram angehört und dann haben sie es hier eingesungen. Sie kannten alle ein Studio und wussten wie ein Mikro aussieht. Deswegen geht das schon halbwegs gut. Beim Video genauso. Das waren drei Tage am Stück, ein Tag Besprechung und Übung, ein Tag drehen und dann noch ein Tag zusammen abhängen. Es ist definitiv keine Band, mit der man mal schnell nächsten Samstag den spontanen Gig im Jugendzentrum um die Ecke spielen kann. Das macht definitiv keinen Sinn. Aber wenn wir jetzt die Möglichkeit hätten, da am Stück was zu machen, eine Woche oder zwei mit einer anderen Band, dann bin ich ganz sicher, dass die Leute das alle hinkriegen würden, sowohl was ihre Motivation angeht, als auch was die Verpflichtungen anderen Bands gegenüber angeht und auch, was ihre berufliche Belastung angeht, weil alle in der Band Sachen machen, die man halbwegs gut einplanen kann.

Wie realistisch ist es, dass ihr als relativ junge Band mit einer etablierten Band auf Tour geht?

Da mach ich mir keine großen Illusionen. Das sage ich ganz ehrlich, weil wir auch mit JESTER´S FUNERAL immer versucht haben, Supporte zu kriegen. Immer, wenn wir mal näher dran waren, ging es irgendwann doch entweder um die Kohle, die man bezahlen muss, um mitzuspielen, oder um die Kohle, die man auf keinen Fall kriegt, um überhaupt mitzudürfen. Deswegen schätze ich das jetzt schon so ein, dass nicht morgen alle interessanten Melodic Metal-Bands bei uns Schlange stehen werden und uns als Vorband mit auf Tour nehmen wollen. Wir haben da aber auch noch keine größeren Aktivitäten gestartet. Wir müssen erst mal soweit kommen, dass wenn wir jemanden ansprechen, der überhaupt die Chance hat, den Namen schon mal gehört zu haben, dass es die CD überhaupt gibt und man sie physikalisch in den Händen halten kann und man nicht immer nur davon spricht. Dann schauen wir mal, was da so alles kommt. Was wir als erstes definitiv probieren wollen, sind die Festivals, weil das auf einem Festival sehr gut kommen kann, weil die Leute dort gewohnt sind, dass nur die Topacts wirklich zwei Stunden Programm fahren und vorher auch mal Bands da sind, die nur eine halbe Stunde oder dreiviertel Stunde spielen. Das ist etwas, das gerade bei einem Festival, wo die Stimmung sowieso schon etwas ausgelassener ist, auch einfach Spaß machen kann; wo man sich auch nicht als der beste Musiker präsentieren muss, sondern einfach sagen kann: Wir machen jetzt mal was total anderes und das ist vielleicht lustig. Nicht, dass wir Bands wie J.B.O. oder KNORKATOR da Konkurrenz machen wollen. Aber es ist schon etwas, worüber man auch ruhig mal lachen kann, ohne dass irgendwer ein schlechtes Gewissen haben muss.

Ich habe ein Problem: Ich würde gern zu eurer Musik Luftgitarre spielen, aber ihr habt keine Gitarren. Kennst du irgendwelche Alternativen?

Du kannst ja trotzdem die Bewegung der Gitarre simulieren. Das würde ja dazu passen, was wir mit dem Mund auch machen. Aber das ist natürlich ein Problem. Ich weiß auch noch nicht so richtig, was wir live mit den Mikroständern anstellen wollen. Vielleicht müssen wir das irgendwie aufgreifen und in ein Gesamtkonzept einbetten. Sollte dir irgendwas einfallen, musst du es bitte sofort sagen.

Ihr beschreibt eure Musik als Helden-Metal. Wer sind deine Helden?

Musikalisch sind all die meine Helden, die es irgendwie schaffen mit ganz, ganz wenig Aufwand oder in ganz, ganz kurzer Zeit mich so gefangen zu nehmen, dass ich völlig in der Musik drin bin und an nichts anderes mehr denke. Das ist zum Beispiel bei Hansi Kürsch so, wenn er auf der Imaginations… singt, obwohl die Musik überhaupt nicht einfach ist, die BLIND GUARDIAN machen. Aber es ist einfach so: Wenn irgendeiner der Refrains kommt, dann ist es für mich gelaufen. Eric Adams von MANOWAR würde ich da auch dazu zählen, jetzt mal unabhängig davon, was man sonst so von MANOWAR denkt. Wenn der Typ anfängt zu singen, dann ist mein Tag auch gelaufen im positiven Sinne. Dann vielleicht noch Joey Tempest von EUROPE. Bei dem ist es ähnlich. Das sind meine Helden musikalischer Art. Ansonsten sind es im echten Leben immer Leute, die ihr Ding durchziehen und die das auch lange durchziehen und auch nach Jahren noch dazu stehen, was sie vor zehn Jahren gemacht haben, und sich nicht über sich selbst lustig machen: Oh Gott, was hab ich denn da für Musik hört? Oder: Oh Gott, wie sah ich da denn aus? Auf solche Leute stehe ich nicht. Ich mag lieber die, die sagen: Ich war da so und kann das auch immer noch gut verstehen, warum ich so war und das hat auch alles seinen Sinn gehabt. Vielleicht höre ich das, was ich damals gehört habe, nicht mehr täglich oder bin auch nicht mehr genauso so, aber es ist auf jeden Fall ein Teil von mir und ich bin mir dessen bewusst.

Werdet ihr in Zukunft konsequent auf Gitarren, Bass usw. verzichten?

In der Band auf jeden Fall. Das macht Sinn jetzt. Ich finde die Songs schon auch selbst gut. Aber ich bin mir bewusst, dass wenn die Songs normal instrumentiert würden, wir garantiert in der Veröffentlichungsflut untergegangen wären. Es gibt so viele gute Songschreiber in Melodic Metal-Bands und von denen hört keine Sau irgendwas. Also das Ding ist definitiv Acapella mit Schlagzeug. Das wird auch so bleiben. Ob ich mal in irgendeiner anderen Band was in der klassischen Besetzung mache, das würde ich auf keinen Fall ausschließen, auch wenn da im Moment definitiv keine Zeit für ist.

Zum Schluss noch vielen Dank für das Ronja Räubertochter-Cover. Gibt es sonst noch Filmmusik, die dir gefällt und die du gerne mal so umsetzen würdest?

Ich höre schon sehr gerne Filmmusik, nur meistens sind das dann logischerweise klassisch angehauchte Stücke, seien es die Sachen von Hans Zimmer oder auch der Herr der Ringe-Soundtrack, der mir auch sehr gut gefällt. Das ist natürlich nichts, was man acapellamäßig umsetzen könnte.

Ihr habt METALLICA gesungen. Das ist auch nicht acapella.

Aber es gibt wenigstens einen Text. Aber warum nicht so ein Herr der Ringe-Soundtrack für Acapella-Metal? Wenn ich gar nichts mehr zu tun habe, kann ich mich vielleicht darum kümmern. Aber Ronja Räubertochter ist schon perfekt. Ich weiß nicht, ob du den Rest von dem Soundtrack auch kennst.

Ja, ich kenne ihn sehr gut. Ich hab auch fünf Jahre nach der Schallplatte gesucht. Aber ich glaube, sie wurde nie veröffentlicht.

Es gibt keine offizielle Veröffentlichung. Es gibt nur immer wieder Aufnahmen davon. Das ist total geil, sowohl von der Komposition passt es halt, und dann noch, weil es wirklich im Film so ist, wie es in dem Lied heißt. Es hat so etwas Urtümliches, ist aber gleichzeitig auch total vielschichtig und überhaupt nicht billig, musikalisch sehr reif und trotzdem geht es einem sofort ins Ohr. Müsste mich schon wundern, wenn wir irgendwas finden würden, was ähnlich intensiv ist und wo ich ähnlich Spaß dran hätte, das für so eine Fünfer-Sänger-Besetzung zu arrangieren. Fällt mir im Moment nichts ein. Nehmen wir erst mal diesen Song.

Bilder: VAN CANTO

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner