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TORFROCK: Früher war alles besser, heute ist alles schöner!

Leute aus dem norddeutschen Raum dürften den Namen Bandnamen auf jeden Fall schon gehört haben – Interviews, die wir euch nicht vorenthalten wollen. Ein Klassikerinterview mit TORFROCK

Interviews, die wir euch nicht vorenthalten wollen. Ein Klassikerinterview mit TORFROCK

Leute aus dem norddeutschen Raum dürften den Namen TORFROCK auf jeden
Fall schon gehört haben, denn bereits Ende 1975 entstand die Idee von der
“Torfmoorholmer Legende” und Anfang 1976 gründeten Klaus Büchner
und Raymond Voß die Band TORFROCK und spielen bei der “Phonogram”
vor, die einen “Single-Vertrag” aushandeln will, was die beiden ablehnen,
da ihnen ein LP-Vertrag vorschwebt. In dieser frühen Anfangsphase entstehen
bereits spätere Klassiker wie “Rollos Taufe” und eingedeutschte
Versionen von “Oh Carol” (“Karola Petersen”), und “Let’s
work together” (“Let´s wörk togesser”). Leider kam es
zu ersten Besetzungswechseln, doch der Eintritt von Reinhard Heinrichs (Perc.),
Gunnar Kämmer (Drums) und Thomas Rieckmann (Bass) am Anfang des Jahres 1977
wirkte sich positiv auf die Kreativität aus, denn das “Duo Infernal”
Büchner/Voß komponierte zusammen mit Thomas Rieckmann die Klassiker
“Rut mit´n Torf” und “Rollo der Wikinger”. Damit war
genügend Material für die erste LP “Dat matscht so schön”
vorhanden, das nicht nur eingeprobt, sondern am 11. Juli 1977 auch aufgenommen
wird.

Die folgenden Jahre waren geprägt von weiteren Album-Releases (1978 : “Rata-ta-zong”,
1979 : “Torfrockball im Hühnerstall”, 1980 : “Vierter Versuch”,
1982 : “Mein Gott, sind wir begabt”) in unveränderter Besetzung
(lediglich 1979 kam es zum Ein- und Austritt von Gitarrist Ronnie Meyer) und
vielen Konzerten, doch mit dem Ende des Jahres 1982 begruben die beiden Köpfe
die Band zwar nicht, legten TORFROCK aber für’s Erste auf Eis. Es wurde
es relativ still um die Band, die lediglich noch als Legende zu existieren schien.

Klaus Büchner machte zusammen mit Klaus Baumgart als Blödel-Duo “Klaus
& Klaus” viel Quatsch und noch viel mehr Kohle mit Stücken wie “An
der Nordseeküste”, “Viva La Mexiko” “Da steht ein Pferd
auf dem Flur” oder “Der Eiermann”, doch Mitte 1988 wurde der
Dornröschenschlaf für beendet erklärt, denn die legendäre
5-Alben-Besetzung schien es nochmal wissen zu wollen – und meldete sich
an der Konzertfront zurück. Was als Abschiedskonzerte geplant waren, war
nichts weiter als ein Neuanfang. Es schien wieder zu laufen, doch Ende 1989
kommt es zu einem schweren Schlag und Schock für die Band. Bassist Thomas Rieckmann
stirbt und wird durch Uwe Meitzner ersetzt, der auf dem sechsten Album “…alle
an die Ruder” seinen Einstand gibt – wie auch Gitarrist Jürgen Lugge,
der lediglich als Gastmusiker geführt wird, dann Ende 1990 aber festes
Bandmitglied wird.

1991 tritt Violinist Pete Sage in die Band ein und wieder aus, ist aber auf
der Livescheibe “Aufe beinharte Tour” noch zu hören. In den folgenden
Jahren gab’s immer wieder Auftritte, teilweise recht obskure Best of-Zusammenstellungen,
aber im Jahre 1994 mit “Goiler Tonträger” einen ebensolchen mit
neuen Songs. Dieses Album markiert gleichzeitig das letzte Album unter Mitwirkung
von Reinhard Heinrichs, der Anfang 1995 seinen Austritt aus der Band bekannt
gibt. Die 1996 veröffentlichte Scheibe “Rockerkuddl´” stellte
dann in mehrfacher Hinsicht ein Novum dar. Das Album wurde nicht nur zum ersten
Mal im eigenen Studio produziert (finanziert durch den “Flaschenpfand der
vergangenen 19 Jahre”), sondern enthielt mit “Song against Singers”
einen Song mit englischem Text (“Ein Kompromiss an alle, die kein plattdeutsch
verstehen”), Neueinspielungen alter Hits (“Wikinger-Beerdigung”,
“Nie wieder Duun”, “Willi die Ratte”) und wurde erstmalig
mit dem neuen und ehemaligen Whisky Priests-Mitglied Nick Buck (Percussion,
Bodhran) eingespielt. Ende 1997 verlässt mit Drummer Gunnar Kämmer
ein weiterer alter Torfrocker die Band – Bassist Uwe Meitzner folgt ihm
nach sieben Jahren Bandzugehörigkeit, so dass die Band 1998 aus den folgenden
Leuten besteht : Raymond Voß (ist klar), Klaus Büchner (ist auch
klar), Jürgen Lugge, Ingo Seehase und den beiden Nick’s – Buck und
Thompson. Die beiden letztgenannten gehören aber nicht mehr lange zur Band
(konnten sie kein platt?). Als neuer Schlagzeuger wird der Hamburger Olliwood
bestätigt, der – zusammen mit dem Rest der Band – den unerwarteten
Tod von Gitarrist Jürgen Lugge (der am 27.06.99 – vier Tage vor seinem
47. Geburtstag – an Herzversagen starb) verarbeiten muss. Im Oktober ’99
kommt der dritte Werner-Film (“Volles Roäää!) in die Kinos
und wie auch in den beiden Filmen zuvor (“Das muß kesseln” –
1996 und “Beinhart” – 1990), leiht Sänger Klaus Büchner
der Titelfigur seine Stimme (und Raymond Voß spricht den “Präsi”…).
TORFROCK steuern mit “Helmut und Bruno”, “Obdach oder los”,
“Halt an Dich Dieter” drei Songs zum Soundtrack bei.

Torfrock:Interview 2004-Früher war alles besser-heute ist alles schöner[www.vampster.com]

Ich kam im Alter von elf Jahren zum ersten Mal mit “Torfmoorholmer Folklore”
in Berührung, denn es war – glaube ich – mein Onkel, der das vierte
Album (“Vierter Versuch”) rauf und runter spielte. In den folgenden
Jahren passierte es immer wieder mal, dass ein TORFROCK-Album den Weg in meinen
CD-Player fand, wobei ich aber sagen muss, dass es eher die alten Alben (also
die ersten vier) waren/sind, die den Weg in meinen CD-Player finden. Dass in
den letzten Jahren nie eine gewisse Album- und Tourkontinuität an den Tag
gelegt wurde, lag sicherlich nicht nur an den zahlreichen Besetzungswechseln,
sondern wohl auch am mangelnden Interesse von Seiten der Industrie.

Eine gewisse Kontinuität gibt’s allerdings immer im November/Dezember
eines (fast) jeden Jahres. Mal in großen, mal in kleine(re)n Hallen gab’s
die traditionelle “Bagaluten-Wiehnacht”. Zu diesem Anlass traf ich
mich in der Lübeck M.U.K. mit den Köpfen der Band, Gitarrist Raymond
Voß und Sänger Klaus Büchner, die einige interessante Sachen
zu erzählen hatten.

Hoffe, Ihr habt keine Berührungsängste, von einem Metal-Magazin interviewt
zu werden, aber Eure Scheibe “Goiler Tonträger” hatte teilweise
doch ganz knackige Gitarren…

Das ist ja das Schöne, dass wir ja alles mögliche machen, so dass
man uns gar nicht richtig einordnen kann. Früher hat man uns ja sogar in
die Gottlieb Wendehals-Schublade gesteckt, aber aus der sind wir zum Glück
rausgekommen. (Klaus)

Torfrock:Interview 2004-Früher war alles besser-heute ist alles schöner[www.vampster.com]
Wo würdet Ihr Euch denn selber einordnen? Ihr rockt, ihr rollt und hattet
auf den ersten Scheiben auch den einen oder anderen bluesigen Titel…

Wir machen TORFROCK-Musik! (Klaus)

Wenn wir ein Rezept entwickelt haben, dann das, dass wir das spielen, was wir
gut finden. Das kann ein Walzer sein, es kann aber auch etwas in die METALLICA-Richtung
gehen. Wenn Du zum Beispiel unseren Song “Schimmelreiter” (von “Rockerkuddl’”
– der Verf.) hörst, dann dürfest Du hören, dass das so’ne
kleine Hommage an ZZ TOP ist. Wir haben nie Angst gehabt, uns mit verschiedenen
Musikrichtungen zu befassen. Das wäre auch langweilig. Nee, wir spielen
mal Rhythm’n’Blues, mal’n Walzer… (Raymond)

…und das finde ich auch spannend. Ich höre gerne mal Irish Folk, Blues
oder auch mal Metal. Ich könnte aber niemals in einer Band spielen, die
sich nur auf einen Stil festgelegt hat, das wäre mir echt zu langweilig…
(Klaus)

War das auch der Grund, warum Du damals mit Klaus Baumgart “Klaus &
Klaus” gemacht hast. Wolltest Du trotz der Stilvielfalt bei TORFROCK mal
was machen, was Du mit Raymond und Co. nicht machen konntest…

Nö, das war zum einen eine wirtschaftliche, zum andere eine reine Jux-Sache.
Es war halt gelebte Satire. Mit TORFROCK lief zu dem Zeitpunkt ja nicht viel
und ich hatte keinen Bock, mit einer anderen Band nur so rumzukrebsen. Ich wollte
einfach nur das machen, wozu ich Lust hatte und kein musikalischer Van Gogh
sein. Und als ich festgestellt hab’, dass das auch ganz gut Kohle bringt,
bin ich natürlich länger dabeigeblieben, als das anfangs geplant war.
Irgendwann kam sogar der Zeitpunkt, wo das richtig Spaß gemacht hat, auch
wenn ich musikalisch nicht so sehr viel dafür übrig hatte, wobei das
aber auch gar nicht Sinn der Sache war. Wir wollten halt bescheuerte Musik mit
noch bescheuerten Texten machen, bei der die Leute mitgehen. Wir wollten nie
Musik machen, die sich die Leute zu Hause mit Kopfhörer bei Kerzenschein
auf’m Sofa anhören. (Klaus)

Zu dem Zeitpunkt lag TORFROCK bereits auf Eis. Ihr hattet fünf Scheiben
gemacht – und auf einmal war Schicht. Warum?

Wir hatten einfach keine Böcke mehr. Und deshalb haben wir – bevor wir den
guten Namen total zergniedelt hätten – ohne großes Brimborium einfach
unser letztes Konzert gegeben und uns aufgelöst. Klaus hat dann “Klaus
und Klaus” gemacht, ich habe hier und da was gemacht und zwischendurch auch
heftig getrunken… (Raymond)

Torfrock:Interview 2004-Früher war alles besser-heute ist alles schöner[www.vampster.com]
… und, wenn ich mich recht entsinne, eine Single veröffentlicht, die
irgendwas mit “McDonalds” zu tun hatte. Diese Single hab’ ich
mir für sechs Mark von meinem kargen Taschengeld gekauft. Die Single war
so scheiße, dass ich eigentlich von Dir die sechs Mark zurückverlangen
müsste…

(lacht) Es ist witzig, dass Du diese Single erwähnst. Ich sitze nämlich
gerade zu Hause und restauriere alte Sachen, u.a. auch diese Single, die übrigens
“Mein Mädchen von McDonalds” hieß. Ich überlege nämlich
ernsthaft ein Album zusammenzustellen, auf denen Stücke zu hören sind,
die ich solo gemacht habe. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob ich eine so
ehrliche Haut sein und dieses Stück mit auf das Album packen soll. Ich
werde sie aber wohl mit aufs Album packen um dem Fan zu zeigen, zu was man in
der Lage ist, wenn Geld im Spiel ist. Diese Single war das absolut Härteste,
was ich bisher gemacht hab’ und ich war wirklich heilfroh, dass es nicht
funktioniert hat. Auf der Scheibe wird aber auch eher sozialkritisches Zeugs
zu hören sein, dass ich in den Achtzigern mit einer Band namens “Eltern
haften für ihre Kinder” aufgenommen habe. (Raymond)

Ist es nicht enttäuschend, wenn man merkt, dass der Erfolg ausbleibt? Kriegt
man Selbstzweifel, wenn man sieht, dass der ehemalige Songwriting-Partner weiterhin
Erfolg hat und man selbst schreibt Sachen, die kaum einen interessieren?

Nee, aber man merkt, dass es mit dem Partner einfacher ging. Das war eine Erkenntnis,
die sehr schnell kam. Trotzdem war es eine unheimlich lehrreiche Zeit, denn
in den sechs Jahren, wo es TORFROCK nicht gab, hab’ ich den Rock’n
Roll von einer ganz anderen Seite kennengelernt, anders als mit TORFROCK, wo
es gleich von Beginn an tierisch abging. Ich hab da so ein Trio gegründet,
mit dem ich mir auch einen Namen in Norddeutschland erspielen konnte. Von diesen
Erfahrungen zehre ich heute noch. Und es ist wichtig, dass man weiß, das
es rauf, aber auch wieder runter gehen kann – und die Mitte ganz akzeptabel
ist.

Torfrock:Interview 2004-Früher war alles besser-heute ist alles schöner[www.vampster.com]
Auch wenn es übertrieben klingen mag. Aber ähnlich wie bei den STONES,
DEEP PURPLE, Madonna oder BLACK SABBATH kommen bei Euch die Väter mit ihren
Söhnen zu den Konzerten. Wo steht die Band heute?

Wir haben auf jeder Tour viele ausverkaufte Konzerte und zu uns kommen wirklich
Leute zwischen acht und achtundsechzig. Wir feiern aber nicht mehr mit den alten
Fans, denn von denen sind viele tot oder haben sich weggesoffen. Das würde
auch nicht funktionieren, aber es ist immer erquickend zu sehen, wenn Kinder
auf den Schultern ihrer Eltern sitzen und unsere Lieder mitsingen. (Raymond)

Verstehe Raymond nicht falsch, das alte Publikum ist schon noch da. Nur ist
es so, dass, wenn wir nur von unseren alten Fans abhängig wären, es
uns so wie vielen alten Bands gehen würde, die nur noch auf irgendwelchen
Oldie-Festivals auftreten, aber eben keine Platte machen (Klaus)

Das kam durch ein Radiointerview, das ich für “Radio Hamburg”
gegeben habe. Der Moderator hatte die Idee, dass wir mit Torfrock nach sechs
Jahren Pause das ultimative Abschlusskonzert geben sollten. Ich wusste erst
nicht so recht, was ich von dieser Idee halten sollte, zumal ich bis auf Klaus
zu den anderen Jungs keinen regelmäßigen Kontakt mehr hatte. Ich
fragte bei den Jungs nach und trotz anfänglicher Skepsis waren sie alle
recht schnell von der Idee angetan. Wir haben das Konzert dann in der Hamburger
Markthalle gespielt – und die Halle war knackevoll und die Leute flippten
total aus. Wie’s denn oft so ist, spielten wir dann recht bald auf den
“Wikingertagen” in Schleswig noch ein Abschiedskonzert, das wieder
ein Bombenerfolg wurde, so dass wir uns recht bald zusammensetzten – und
den Rest kannst Du Dir ja denken… (Raymond)

Auch ich habe zu diesem Zeitpunkt gar nicht an eine Neugründung oder ein
neues Album gedacht, denn ich bin wirklich nur von ein paar Gigs ausgegangen
und wollte mir – da ich mit “Klaus & Klaus” genug zu tun
hatte – nicht noch mehr Arbeit aufhalsen. Dann kam es aber zum “Werner”-Film,
für den ich als deutsche Stimme verpflichtet wurde. Wir haben dann aus
diesem Anlass eine kleine Fete gefeiert, auf der auch Raymond zugegen war. Wir
wurden dann angesprochen, für den Film ein Lied zu machen und haben das
als Möglichkeit gesehen, den Namen TORFROCK wieder zu etablieren. (Klaus)

Torfrock:Interview 2004-Früher war alles besser-heute ist alles schöner[www.vampster.com]

Euer letztes, reguläres Album “Rockerkuddl” ist nicht gerade
als Neuveröffentlichung zu bezeichnen, erschien es doch bereits 1996. Ihr
habt allerdings eine Scheibe rausgebracht, die auf den Titel “Dat matscht
noch immer” hört und Neueinspielungen alter Hits wie “Sonntagsjäger”,
“Der Boxer”, Renate” oder “Rut mit’n Torf” enthält…

Der Witz ist, dass es halt nur die Originalversionen der alten Knaller wie “Rollo
der Wikinger” gibt, weshalb wir mit der jetzigen Besetzung dreizehn unserer
alten Kracher neu eingespielt haben (Raymond)

Ein Problem war auch, dass es viele Nachfragen von Labels gab, die unsere Songs
auf irgendwelche Sampler packen wollten. Nur leider ist es so, dass diese sich
alten “Kneipen-Klamauk-Rock”-Aufnahmen einfach zu sehr von den normalen
Hörgewohnheiten unterscheiden. Wenn beispielsweise nach einem Song der
E.A.V. einer unserer Songs erklingen würde, dann würdest Du denken,
mit deiner Anlage stimmt was nicht. (Klaus)

Torfrock:Interview 2004-Früher war alles besser-heute ist alles schöner[www.vampster.com]
Was war denn der Grund, die Band wieder zu reformieren?

Das Neueinspielen alter Hits habt Ihr aber bereits auf der “Rockerkuddl’”
angefangen, denn auf diesem Album waren/sind neue Versionen von u.a. “Wikingerbeerdigung”
(stammt im Original von “Rata-ta-zong”) und “Willi die Ratte”
(von “Torfrockball im Hühnerstall”) zu hören…

Diese beiden Stücke lagen speziell mir sehr am Herzen, da ich mit der ursprünglichen
Lösung nicht so zufrieden war. Es war halt ein Bedürfnis, das mal
so zu machen, wie wir es gerne machen wollten. (Raymond)

Was war eigentlich der Grund, warum die beiden ersten Scheiben lediglich als
Live-Alben erschienen?

Der Grund war der, dass wir das Programm, das auf den Scheiben zu hören
ist, schon vorher quasi vor Publkum getestet haben und das war auch der Grund
für die neue Platte, mit der sich der Kreis quasi schließt, denn
die Stücke von den ersten beiden Scheiben gab es bisher nicht als Studioversion.
(Raymond)

Es war halt unser damaliges Konzept, dass wir nicht nur Musik machen wollten,
sondern auch durch idiotische Vorträge und wüste Erklärungen
zwischen den Stücken glänzen wollten. Sowas funktioniert aber nur
im Liveformat und nicht im Studio, was wir zwar auf der “Torfrockball”
probiert haben, aber das hatte halt ne ganze andere Wirkung. Uns ist bei den
Aufnahmen zu der Scheibe übrigens ’ne lustige Geschichte passiert.
Wir haben zu der Zeit mit zwei Acht Spur-Maschinen aufgenommen – um zusammen
dann wenigstens auf sechzehn Spuren zu kommen. Leider ist dann das Band beim
Überspielen einen kleinen Tick zu schnell gelaufen, so dass ich da reichlich
“gay” klinge, wogegen ich zwar grundsätzlich nichts habe, aber
ich bin es halt nicht. (Klaus)

Wir wollten auch ganz einfach gegen die Strömung schwimmen, denn damals
herrschte in den Studios dieser “Philadelphia”-Sound. Es wurde verstärkt
mit Overdubbing gearbeitet, es gab solche Sachen wie “Stars on 45”
und es war halt die Zeit, wo alle anfingen hübscher auszusehen und noch
besser zu tanzen. Auch die Beats wurden zu der Zeit mehr und mehr genormt, was
wir alle tierisch beknackt fanden. Wir wollten halt live in der Kneipe aufnehmen
und es musste so gut sein, dass die Leute vor Begeisterung ihre Bierhumpen an
die Decke knallen. (Raymond)

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INFO : Phillysound (Philadelphia Sound) war das Mode-Etikett, unter dem schwarzen
Soul-Interpreten nach 1972 (und nach Motown) zum zweiten Mal ein massiver Einbruch
in die weißen Hitlisten gelang. In ihrer 1970 etablierten, mit modernstem
Aufnahme-Equipment (Sigma-Studio) ausgestatteten Plattenfirma Philadelphia International
Records betätigten sich die Songautoren, Producer und Unternehmer Kenny
Gamble und Leon Huff (zusammen mit dem Meisterarrangeur Thom Bell) als erfolgreichste
Weichmacher des Soul-Sounds. Über dem federnden, elastischen Tanzbeat ihres
Hausorchesters MFSB (“Mothers, Fathers, Sisters, Brothers”), dem mit
der Instrumentalaufnahme TSOP (The Sound Of Philadelphia) 1973 selbst ein Chartsknüller
gelang, artikulierten Sänger wie Billy Paul, The O’Jays, The Three Degrees
eingängig verpackte Liebes- und Verbrüderungslyrik. Producer aus New
York, Los Angeles und den Südstaaten häkelten mit Erfolg die Phillysound-Masche
nach, auch wenn sie die von Gamble und Huff so genannte “City of Brotherly
Love” noch nie betreten hatten. Herausragende Klangmerkmale des Phillysound
waren die Verwendung von Streichern und die besondere Spielweise der offenen
und geschlossenen Hi-Hat.

Ihr hattet ja relativ viele Besetzungswechsel. Seid ihr beide als Köpfe
der Band kleine Diktatoren?

Das mit den Besetzungswechseln hat sich ja erst in den letzten Jahren ergeben,
denn die Stammbesetzung war immerhin achtzehn Jahre ohne einen Wechsel zusammen.
Dann ist ja unser Bassist Thomas Rieckmann gestorben, ein anderer stieg aus
gesundheitlichen Gründen aus. Noch ein anderer wollte nur eine Pause machen,
stieg dann aber nicht wieder ein. Und im letzten Jahr verstarb dann unser Gitarrist
Jürgen Lugge… (Klaus)

… der immerhin seit “Beinhart” zur Band gehörte… (Raymond)

… und unser Basser Uwe Meitzner hatte einfach keine Lust mehr. TORFROCK ist
schon unser Baby – und wir geben die Richtung vor. Es kann also keiner
in die Band einsteigen und versuchen, diese Richtung zu ändern, was derjenige
aber schon weiß, bevor er einsteigt. (Klaus)

Wäre TORFROCK ohne einen von Euch beiden möglich?

Für mich nicht. (Klaus)

Wir haben uns darüber mal unterhalten, dass derjenige, der ohne den anderen
mit TORFROCK weitermachen möchte, das ruhig versuchen soll. Ich glaube
aber nicht, dass das funktionieren würde (Raymond)

Glaube ich auch nicht. Wir sind in der Beziehung halt nicht wie GENESIS, sondern
eher wie die STONES, die man sich ohne Mick Jagger und Keith Richards, selbst
ohne Charlie Watts, nicht vorstellen könnte. (Klaus)

Torfrock:Interview 2004-Früher war alles besser-heute ist alles schöner[www.vampster.com]
Ihr seit zwar keine Mundart-Rocker wie Haindling in Bayern oder die BLACK FÖÖS aus Köln – würdet Ihr TORFROCK trotzdem als rein
norddeutsches Phänomen bezeichnen?

Sicher. Unser Hauptarbeitsfeld liegt zwischen der dänischen Grenze und
kurz unterhalb von Braunschweig. Wir haben zwar auch in Erlangen oder München
gespielt, aber das kam durch den Erfolg von “Beinhart”. Das witzige
an diesen Konzerten war, dass die Leute zwar die Lieder mitgesungen, diese aber
zwangsläufig mit einem bayrischen Akzent versehen haben. Wir haben allerdings
bereits in den 70ern dort gespielt und wenn Klaus in Bayern seine plattdeutschen
Ansagen macht, dann ist der ganze Saal am toben, weil das für die fremder
ist, als wenn da ein Hawaiianer mit’m Hula-Reifen steht. Wir fühlen
uns im Norden heimisch und wohl und seit der Wiedervereinigung gehört auch
Mecklenburg-Vorpommern zu unserem Einzugsgebiet. (Raymond)

Zurück zu den Anfängen der Band. Wie entstand eigentlich die Geschichte
vom legendären Torfmoorholm?

Ich bin 1975 von Schleswig nach Hamburg gezogen und in der Nähe von Schleswig
liegt ja Haitabu. Viele Dörfernamen da oben enden halt mit dem Wort “holm”.
Ein Holm ist – glaube ich zumindest – ein Trockengebiet im Moor,
quasi eine Moorinsel. Aufgrund dieser “Holm”-Geschichte kam es dann
auch zur Grundidee von Torfmoorholm. Wir sind ja eigentlich alles Hamburger,
aber ich hab halt mehr dieses Schleswiger Platt gesprochen, die ja doch ein
bisschen schärfer gehalten ist. (Klaus)

Und noch’ne Info :

HAITABU (HADEBY = Ort auf der Heide)

Haitabu war eine historische Stätte, die in der Wikingerzeit einer der
bedeutendsten Siedlungsplätze und Handelsplätze Nordeuropas war. Haitabu
(Hadeby) entstand etwa um 800 n.d.Z. und blühte in der Zeit der
Auseinandersetzungen zwischen dem karolingischen Reich und dem Norden richtig
auf. Haitabu war ein friedlicher Handelsort der Wikinger. Um 804 wird Haitabu
als Sliesthorp erstmals erwähnt. Im Jahr 808 wird es durch Göttrik,
der Kaufleute aus Reric (vermutlich bei Wismar) hierher brachte, zum Mittelpunkt
des westbaltischen Handels. Sogar mit Fernhandelsverbindungen und eigener Münzprägung.
Haitabu lag für den Handel äußerst günstig. Geschäftstüchtige
Kaufleute kamen von weither. Durch die Schlei war der Ort per Schiff gut zu
erreichen, von der Nordsee bestand eine Schiffsverbindung über die Flüsse
Eider und Treene bis auf wenige Kilometer an die Stadt. Zudem verlief die Haupt-Nord-Südverbindung,
der Heerweg (später auch als Ochsenweg bekannt), nur wenige Kilometer westlich
des Handelsplatzes. Der Ort war durch einen halbkreisförmigen Schutzwall
gesichert, zum Wasser erfolgte dies durch eine in den Hafen gerammte Palisadenwand.
Nach Süden war Haitabu durch das Danewerk gesichert. 1050 wurde Haitabu
von norwegischen Wikingern unter Harald dem Harten zerstört. Die endgültige
Vernichtung der Stadt erfolgte im Jahr 1066 im großen Wendensturm durch
die osteuropäischen Slawen. Nach der Zerstörung siedelten die Bewohner
zum gegenübergelegen Ufer an der Stelle des heutigen Schleswig.

Seht Ihr Euch textlich in der Klamauk-Ecke oder ist da auch eine gewisse (vielleicht
versteckte) Sozialkritik in Euren Texten zu finden?

Ein bisschen schon. Wir machen uns da schon über einige Dinge sehr lustig,
allerdings mehr mit einem satirischen Lachen, weil ich von Anfang an die Welt
als nicht nur bunt empfunden habe. Die Texte sind so’n bisschen im Asterix-Stil,
wo man sich über den oberflächlichen Witz zwar auch kaputtlachen kann,
man kann aber genauso lachen, wenn man den geschichtlichen Hintergrund einiger
Stories kennt (Klaus)

Wenn ich an “Presslufthammer-Bernhard”, Hannes Kabeltod oder Boxer
Peter Dröhnbregen denke, dann bekomme ich das Gefühl, dass Ihr ein
“Herz für Loser” habt…

Stimmt. Bernhard beschreibt eigentlich das, was passiert, wenn man sich hündisch
dem Arbeitgeber unterwirft. Aber die Story beschreibt eben auch, was dem Arbeitgeber
passieren kann, wenn er solche Angestellten hat (Raymond)

Welche Scheibe ist eigentlich Deine Lieblingsscheibe von TORFROCK?

Nun, am liebsten hab ich die “Goiler Tonträger” (die Scheibe,
die ich am wenigsten mag – der Verf.), ich mag den “Rockerkuddl’”
sehr gerne, dann die “Rata-Ta-Zong” (meine Lieblingsscheibe –
der Verf.) und auch die “Alle an die Ruder” hör’ ich sehr
gerne. Weniger gelungen finde ich heute die “Vierter Versuch” (Raymond)

Du gehst ja mittlerweile stramm auf die “Fünfzig” zu. Gibt’s
da immer noch noch Interesse an wilden und ausschweifenden Exzessen?

Nicht mehr so. Ich hab mich mittlerweile auch total dem Alkohol verschlossen
und kiffe nur noch. Das hat den Vorteil, dass ich viel besser mit der Welt klarkomme.
Die Welt ist doch mittlerweile so böse, dass man sich ein Grinsen regelrecht
abringen muss… (Raymond)

Ist die Welt böser als 1977?

Nein, sie ist härter – weitaus härter. Wir hatten früher auch
bekloppte Kiddies und Hauereien, aber früher war eine Schlägerei mehr
oder weniger vorbei, wenn einer am Boden lag und fertig war. Heute wird da noch
mal reingelangt. Die Welt ist brutaler geworden. In den 70ern konnte man auch
in die Kneipe gehen und Du konntest dir von den Besoffenen alle Philosophien
dieser Welt erzählen lassen. Oder man selbst hat den Besoffenen einen erzählt.
Das hat, vor allen Dingen bei den Frauen, oftmals gut geklappt. Heute hast Du
bei den Frauen kaum noch Chancen, wenn Du nichts vorzuweisen hast. Früher
haben die Leute mehr miteinander geredet, heute sind sie sperriger und kantiger.
(Raymond)

Es war also früher alles besser?

Ich sage immer “Früher war alles besser, heute ist alles schöner!”.
Es war früher nicht alles besser, ganz bestimmt nicht. Viele Dinge sind
heute auch einfacher. Aber Werte wie “Ehrlichkeit” und “Fairness”
sind leider ein bisschen untergegangen. (Raymond)

Soweit das doch recht ausführliche Interview mit Raymond und Klaus. Besucht
auf jeden Fall die Website (www.torfrock.de). Dort findet ihr tonnenweise Infos aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dort gibt’s auch Infos zum brandaktuellen
Album “Einigkeit und Blech und Freizeit”, das folgende 12 Mörder
– Tracks zum abballern, wegträumen, rumknuddeln, dichtkiffen, durchtanzen,
zuhör’n, ablachen, rumrockern, zuzieh’n, nachdenken….. und wat weet ick
noch all enthält : “Hörner heben”, “Boot im Sturmgebraus”,
“Sauwetter-Kackhimmel-Blues”, “Finger Wech”, “Dicke
Luft in der Gruft”, “Trunkenbold” (Live, Sporthalle Hamburg,
Dez.2000), “Facelifting”, “Asteroid ( nu’ is’ Armageddon.)”,
“Im Dezibel”, “Einigkeit & Blech & Freizeit”, “Schnee
von Gestern” und “Torfmoorholm geht penn”…

Wer mit dem Cheffe persönlich Kontakt aufnehmen möchte, kann
dies’ unter Raymond@Torfrock.de
gerne tun!

Oliver Loffhagen

Interviewlayout: Andonis Dragassias

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