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THE EYE OF TIME: Emotionen > Worte

"The Eye Of Time" ist eine Sammlung an bisher in Kleinstauflage veröffentlichten und unveröffentlichten Songs des französischen Musikers Marc Euvrie. Unter dem Namen THE EYE OF TIME erschafft der im Hardcore und Punk verwurzelte Musiker pechschwarze, unvergleichlich düstere Songs zwischen Trip Hop, Ambient und IDM. DENOVALI haben sich dieser Perlen angenommen und veröffentlichte alles zusammen unter anderem in einer feudalen LP-Version. Die ungewöhnliche Musik, der ergänzende visuelle Aspekt, der starke Gesamteindruck, das geht unter die Haut. Wir stellen den Verantwortlichen zur Rede.

The Eye Of Time ist eine Sammlung an bisher in Kleinstauflage veröffentlichten und unveröffentlichten Songs des französischen Musikers Marc Euvrie. Unter dem Namen THE EYE OF TIME erschafft der im Hardcore und Punk verwurzelte Musiker pechschwarze, unvergleichlich düstere Songs zwischen Trip Hop, Ambient und IDM. DENOVALI haben sich dieser Perlen angenommen und veröffentlichte alles zusammen unter anderem in einer feudalen LP-Version. Die ungewöhnliche Musik, der ergänzende visuelle Aspekt, der starke Gesamteindruck, das geht unter die Haut. Wir stellen den Verantwortlichen zur Rede.

Hallo Marc, es ist eine recht ungewöhnliche Karriere in der Hardcore und Punk-Szene verwurzelt zu sein und parallel an ambitionierter elektronischer Musik zu arbeiten. Was war der Startpunkt THE EYE OF TIME?

Ich hörte schon als Teenager elektronische Musik, und ich hatte die Idee kraftvollere Musik zu schreiben, als nur mit Gitarre und Klavier alleine. Ich komponierte schon seit einigen Jahren auf verschiedenen Instrumenten und hatte Banderfahrung. Dann kaufte ich meinen ersten Computer und ein kleines Vierspuraufnahmegerät. Mein erstes Experiment war ein analoges Sample: Ich nahm ein klassisches Musikstück mit dem Mikrofon von meinem Soundsystem auf, schnitt es aus und kopierte es. Das war harte Arbeit. Ich war sehr froh, Hardware zu finden, die all das einfacher und sauberer macht.

Deine klangliche Reise klingt wie eine musikalische Endzeit, fast wie The Road von Cormac McCarthy, fatalistisch, von biblischer Schwere und voller Bedeutung. Kommt diese finstere Vorgehensweise durch deinen Hardcore-Background?

Ich war einfach schon immer kritisch der Welt gegenüber, in der ich lebe. Ich war viele Jahre lang ein starker politischer Aktivist, und das hat mich in die DIY-Hardcore-Szene gebracht. Ich versuche immer noch Energie in politische Demonstrationen und Aktivitäten zu stecken, auch wenn ich nicht mehr so viel Zeit wie früher habe, aber all das spielt in meinen musikalischen Hintergrund mit hinein. Es gibt in dieser Hinsicht keinen Unterschied zwischen meinem Soloprojekt und den anderen Bands, in denen ich aktiv bin, das ist einfach eine andere Form der Kunst. Andere Experimente.

Wie du gerade erwähntest ist THE EYE OF TIME dein Soloprojekt. Was sind deine anderen Projekte und wie unterscheiden sie sich von THE EYE OF TIME?

Ich habe immer noch mein Hauptprojekt SUGARTOWN CABARET, das ist eine Art progressiver Hardcore, diese Band besteht seit sieben Jahren. Er herrscht eine echte Bruderschaft. Der Unterschied ist nur, dass wir mehr experimentieren müssen, da wir die Wünsche eines jeden erfüllen müssen. Manchmal kämpfen wir mit schwierigen Zeiten des Zweifels, die wir aber immer überstehen. Wir sind wie eine Familie und werden und hoffentlich niemals auflösen. Meine andere Band heißt KARYSUN, die heavier ist und im Punk liegt. Wir sind ein Duo, ich spiele Gitarre und singe. Diese Band ist eine totale Therapie für mich, ich benötige sie, wenn mein ganzer Hass raus muss. Ich kotze meine Wut auf die Autoritäten und diese Welt der Ungerechtigkeit, in der wir lieben. Außerdem spiele ich Bass in AUSSITOT MORT, was eher Post-Hardcore ist. Ich bin in dieser Band nicht so aktiv, ich habe ein paar Platten mit ihnen aufgenommen, aber ich toure nur, wenn ich genügend Zeit habe. Was ich mir wirklich gefällt ist, wie viel Spaß ich mit diesen Jungs auf Tour habe. Bass spielen ist außerdem recht bequem, verglichen mit meinen anderen Bands. Das macht das Touren weniger stressig.

THE EYE OF TIME scheint das Begräbnis der Erde selbst zu sein, es ist absolut kein Platz für helle Momente enthalten. Bist du eine pessimistische Person?

Ich denke, das Album antwortet für mich. Tief in mir schlummert immer noch Hoffnung, da Resignation das Ende von allem ist. Ich werde niemals aufhören zu kämpfen. Das ist etwas, das Teil meines Lebens ist. Ich bin Pragmatiker. Es mag nur ein paar Chancen geben, etwas zu verändern, aber weil es diese Chancen gibt, werde ich niemals aufgeben.

Deine Einflüsse könnten vom Künstlern wie ULVER, AMON TOBIN, APHEX TWIN und VENETIAN SNARES kommen. Hörst du viel derartige Musik?

Ich muss gestehen, dass ich nicht viel von dieser Art Musik höre. Ich kenne nur ein Album von APHEX TWIN. Ich bin eher beeinflusst von klassischer Musik, Hip-Hop und alter elektronischer Musik und Hardcore.

The Eye Of Time ist eine Sammlung deiner vergangenen Veröffentlichungen. Ich habe bereits vor dem SWINGFEST 2010 danach gesucht, aber ich konnte sie nirgends finden. Hast du die Musik zunächst nur für dich selbst aufgenommen?

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Ich war viele Jahre lang ein starker politischer Aktivist. THE EYE OF TIME haben das Bild zum Song Time Has Come wohl nicht zufällig gewählt.
 

Lily On The Valley wurde vorher nicht veröffentlicht. Von After Us machte ich einhundert selbstgebastelte Kopien mit einem Siebdruck-Cover, einer bemalten CD-R und einem handgemachten Bild für jeden Song. Das war wirklich ein schönes Objekt, aber es ist schon seit einigen Jahren ausverkauft. Ich habe für mich selbst keine mehr! Jail wurde auf 150 Stück limitiert von DESTRUCRE RECORDS veröffentlicht, auch mit einem Siebdruck-Cover und mit ein paar gedruckten Karten darin.

Wie weit ist der Weg von der ersten Idee bis zum ganzen Song? Hast du Skizzen, um die Stücke logisch zu halten, oder schreibst du deine Musik ganz intuitiv?

Das kommt darauf an. Manche Songs wurden schnell geschrieben, andere raubten mir wochenlang den Schlaf. Wenn ich an einem Lied arbeite, kann ich einfach nicht damit aufhören und später weiter machen. Ich muss es fertig stellen, als würde die Welt unter gehen, wenn ich damit aufhörte. Manchmal habe ich Glück und ich finde schnell die Richtung, die ich suche. Manchmal ist es schwieriger, aus meinem Kopf den ursprünglichen Sinn der Musik herauszubekommen.

Die Stücke sind sehr tief und arrangiert mit einem großartigen Sinn für die richtigen Synthesizer. Wie lange hast Du daran gefeilt, die passenden Sounds zu finden?

Das ist völlig chaotisch. Es gibt hier keine Regeln.

Ich mag die polyrhythmischen, schnellen Beats sehr. Ich habe keine Ahnung, wie man so etwas programmiert, aber ich kann mir vorstellen, dass es ewig dauert. Welche Programme und Tools benutzt du dafür?

Um Beats zu erzeugen lasse ich das manchmal Hazard erledigen und manchmal arbeite ich Stunden daran, um den passenden Beat zu finden. Ich möchte aber nicht das Equipment verraten, das ich verwende um die Songs zu schreiben, ich möchte einen Teil der Geheimnisse aufrecht erhalten, sorry.

Auf deiner Werkschau gibt es auch ein paar analog klingende Elemente. Auf ein paar Songs spielst du Cello, hier und da gibt es eine Gitarre zu hören und bei Let´s Party To The Death´s Birthday scheint ein echtes Drumset zu spielen. Wolltest du mehr als nur elektronische Instrumente verwenden?

Außer auf Jail verwende ich nur elektronische Sounds. Jail ist mein aktuellstes Werk, dort wollte ich einen weiteren Schritt wagen und weiter experimentieren, um die Musik wachsen zu lassen. Ich mag es wirklich sehr, Samples und analoge Sounds zu mixen, so dass der Hörer nicht weiß, was real ist und was nicht. Dieses groovige Sample in dem Song, den du ansprichst ist das beste Beispiel dafür. Das Stammt von einem Drumloop, an dem ich gearbeitet habe. Ich könnte solche Sounds auch mit Instrumenten erzeugen, aber ich finde es interessanter, ein Sample einzusetzen, da es die Kälte meiner Musik besser unterstützt. Zu diesem Drumloop gibt es eine witzige Geschichte: In einem alten Review zu Jail, zur limitierten Erstauflage, schrieb der Reviewer, dass der Sound des Albums sehr schlecht sei, da er dachte, ich hätte diesen Loop in meinem Badezimmer aufgenommen, haha! Dabei wollte ich einfach, dass es so klingt. Der Typ hat gar nichts verstanden, er dachte alles wäre in meinem Badezimmer aufgenommen – ziemlich bescheuert.

Es ist also ein natürlicher Weg, den du von After Us zu Jail zurückgelegt hast?

Wie schon erwähnt, ich wollte etwas mehr analoge Elemente in den Klang von Jail einbauen, ich wollte weniger Beats und ein Album machen, das eher am Post Rock und Ambient orientiert ist.

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Marc Euvrie legte bereits bei den Erstauflagen Wert auf Optik. Diese sind längst vergriffen, deshalb hier: Das schicke Cover von DENOVALI.


Zuerst steht auf dem Doppelalbum After Us, was wie das Herzstück von The Eye Of Time wirkt, da es dein längstes Album ist. Die Bandbreite ist recht groß, von aggressiven und heftigen Songs wie I Hate You Fucking Eyes, hin zu atmosphärischer Musik wie Birds And Lands und After Us, sowie dramatischen Stücken wie What Am I Less? What Took The Road?. All das erzeugt einen guten Gesamteindruck. War es schwierig, dieses Album zu vervollständigen?

Ich habe diese Songs in über zehn Jahren komponiert und wenn ich ein neues Stück schreibe, versuche ich immer herauszuhören, ob es einem früheren Lied ähnelt. Ich experimentiere gerne, also versuche ich neue Richtungen auszuprobieren und Wiederholungen zu vermeiden.

Jail beginnt wie ein Rockalbum, danach wird es epischer, dunkler und atmosphärischer. Dabei klingt es nicht nach einem Konzeptalbum. Ein neuer Weg des Ausdrucks?

Ich denke, der Startpunkt dieses Albums waren eher philosophische Ideen. Einige Jahre verstrichen zwischen meinem ersten Album und Jail, also ist dieses ausgereifter und erwachsener. Darin gibt es auch mehr Selbstbeobachtung und pessimistische Gedanken.

Einige Teile von Time Has Come, Comfort Design And Graves und 000007091981151723031994 – was bedeuten diese Zahlen eigentlich? – sind von Gesang untermalt, das könnte sogar Josh Graham von A STORM OF LIGHT sein. Hast du das eingesungen, oder sind das auch Samples?

Die Zahlen bedeuten etwas sehr Persönliches, über das ich hier nicht sprechen kann, vielleicht in ein paar Jahren, aber das weiß ich noch nicht. Der Gesang ist nicht gesampelt, das bin ich.

Nun zu Lily On The Valley, diese drei Songs klingen ein wenig wie IDM, wie die ersten Schritte in elektronische Musik. Die Stücke sind recht tanzbar, vor allem Monsters Wearing Uniforms ist sehr stark. Was denkst du heute über dein Debüt?

Es steckt große Hoffnung in diesen beiden Songs. Ich denke, das sind die einzigen Nummern, die ich auf einer Party hören möchte. Lily On The Valley war ein Projekt, das deutlich anders als THE EYE OF TIME war, aber niemals ins Leben gerufen wurde. Der Song Monsters Wearing Uniforms war einer meiner Favoriten, aber ich verlor ihn einige Jahre aus den Augen. Ich fand ihn wieder, während ich mit DENOVALI zu arbeiten begann, also fragte ich sie, ob es machbar sei, den Song mit auf das Album aufzunehmen.

Wie kamst du eigentlich mit DENOVALI in Kontakt? Hast du sie aufgegabelt, oder war es anders herum?

DENOVALI haben schon früher eine 7-Split mit KARYSUN veröffentlicht, außerdem haben wir uns auf Tour getroffen. Ich habe sie wegen meinem Album Jail angeschrieben und sie fragten mich, ob ich noch mehr Material hätte. Ihnen gefiel die Musik sehr und so kam der Stein ins Rollen.

Gäbe es nicht DENOVALI und deren visuell orientierte Veröffentlichungspolitik, hättest du dir ein anderes Label gesucht, oder es bei der guten, alten DIY-Arbeit belassen?

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Tief in mir schlummert immer noch Hoffnung, da Resignation das Ende von allem ist. Als audiovisuelle Antwort dazu: Once They Were Happy And Bought The Nothingness von The Eye Of Time.

Ich glaube, dass DENOVALI das beste Label ist, um dieses Album zu veröffentlichen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein anderes Label so etwas gemacht hätte. Ich mochte schon ihre früheren Veröffentlichungen, aber ich hätte mir nicht vorstellen können, dass sie so enthusiastisch sein würden und meine Musik als dreifach-LP mit dieser großen Aufmachung herauszubringen. Was die Zukunft bringen wird, weiß ich nicht. Momentan will ich nichts mit einem anderen Label machen, aber wer weiß, was noch kommen wird.

Der visuelle Teil an THE EYE OF TIME ist extrem wichtig. In Kooperation mit dir hat Thomas von DENOVALI zu jedem Song ein Bild angefertigt. Haben diese Bilder dieselbe Funktion wie Texte, erhalten die Songs ihre Bedeutung durch sie?

Die Leute werden mehr Details finden, und vielleicht ist es ihnen eine Hilfe um zu verstehen, was ich mit dem jeweiligen Song sagen wollte. Ich habe keine Texte, aber ich habe viele Dinge zu sagen. Über den Menschen und das Universum. Das jeweilige Artwork zu jedem Song versucht ein präziseres Gefühl zu geben, das ich auch ausdrücken will. Emotionen sind für mich größer als Worte und ich denke, die Bilder und die Musik drücken mehr aus, als jeder Text es könnte.

Ich mag es, dass die Bilder nicht alles dominieren, sie lassen ein Platz für Interpretationen. Einige der Covers sind direkter, andere wieder abstrakter. Was das wichtig für dich?

Ich denke, dass ich mehr durch einen Song ausdrücken kann, als durch reden. Aber dafür brauche ich eine Unterstützung, wie diese Artworks, damit der Hörer beginnt zu verstehen, über was ich rede. Ich hasse es, wenn Musik nur Musik ist. Für mich ist das politisch, man kann den Musiker nicht von seiner Vergangenheit und der Welt um ihn herum trennen. Deshalb brauche ich diese Bilder, damit sicher ist, dass die Leute meine Musik hören und meinen Hintergrund verstehen. Dann kann man sich den Film vorstellen, den man sehen will. Aber die Story und die Schauspieler liefere ich ab.

Im Herbst kommst du wieder auf Tour. Hast du schon genaue Details?

Die Europatour wird Ende des Jahres stattfinden, dann werde ich sicherlich auch nach Deutschland kommen. Ich arbeite auch an neuen Songs, aber ich werde mich auf die Konzerte fokussieren, damit mein Album bekannter wird.

Ehrlich gesagt, die Show auf dem SWINGFEST vor zwei Jahren war gut, aber zu wenn deine Musik zu Hause läuft, ist sie viel intensiver. Wie wirst du die Konzerte auf der Tour gestalten? Ich denke, gerade im visuellen Bereich ist noch viel Luft nach oben.

Ja, ich denke auch mehr und mehr über einen visuellen Hintergrund für die Konzerte nach, aber ich bin mir noch nicht sicher. Es kommt darauf an, was es zu meiner Musik beiträgt, ob es die Shows auf positive oder negative Art und Weise erweitert.

Wie werden THE EYE OF TIME weiter machen? Arbeitest du schon an neuem Material?

Es stehen schon ein paar Solostücke für das Klavier, die ich im Sommer aufnehmen werde und ein paar neue elektronische Songs. Ich weiß aber noch nicht, wie und wann sie herauskommen werden. Unter Druck zu stehen mag ich nicht.

Bilder: (c) DENOVALI RECORDS

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