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MORTIFICATION: IMMORTAL sind die Black Metal-Version von KISS!

20 Jahre im Death Metal-Underground – MORTIFICATION-Bandkopf Steve Rowe gibt einen Einblick in sein Leben als Christ und Death Metal-Bandkopf…

 

MORTIFICATION haben seit 20 Jahren eine Sonderposition inne in der Death Metal-Szene. Diese ist – trotz dem Scrolls Of The Megilloth-Werk aus den Frühneunzigern – nicht so sehr im rein musikalischen Bereich zu verorten, sondern insbesondere in der starken christlichen Überzeugung der Band und vor allem des Masterminds Steve Rowe. Dieser schöpft aus seinem Glauben nicht nur die Kraft, sich gegen den Krebs aufzulehnen, sondern nutzt ihn auch für die Texte seiner Death Metal-Songs. Zeit also, den kämpferischen Australier zum Jubiläumsalbum 20 Years In The Underground – für welches MORTIFICATION die alte Allianz mit NUCLEAR BLAST wiederbelebt haben – zu befragen…

 

Zuerst einmal würde ich gerne wissen, wie es dir zurzeit geht. Schliesslich gabs von dir in der Vergangenheit ja eher besorgniserregende Gesundheitsnachrichten…

Wenn man alles berücksichtigt, geht es mir richtig gut. Ich trainiere viel mit Gewichten, fahre Rad und laufe. Ich habe zwar noch immer Seh- und Organschäden von den Krebsbehandlungen vor 13 Jahren. Aber obwohl ich mit all diesen Dingen fertigwerden musste, bin ich gesundheitlich noch gut dran und kann alle geplanten Live-Konzerte spielen.

In der Vergangenheit gab es ja einige Metalkonzerte, die zum Ziel hatten, Geld für die Krebsforschung und verwandte Projekte zu sammeln (wie z.B. GUITARS AGAINST CANCER in der Schweiz). Ich nehme an, dass du mit anderen krebskranken Metallern in Kontakt gekommen bist, da du ja offen über deine Krankheit gesprochen hast. Welche Begegnung bleibt dir besonders in Erinnerung?

Ich traf Chuck Schuldiner (DEATH) kurz an einer Show bevor er an Krebs starb. Das war ein wirklich trauriger und schwerer Verlust für die Metalwelt! Ich habe viele bewegende Begegnungen dieser Art gehabt, aber am meisten geblieben ist mir diejenige mit Chuck und die mit Piggy von VOIVOD. Ich habe beide getroffen und ich bin derjenige, der überlebt hat. Für mich ist das traurig, weil weder DEATH ohne Chuck noch VOIVOD ohne Piggy haben weitermachen können.

Ich weiss, dass VOIVOD Shows gespielt haben nach Piggys Tod, aber ich weiss nicht, wie sie einen solch einzigartigen Gitarristen ersetzen wollen. Ich habe VOIVOD hier anno 2001 gesehen und Piggy spielte einfach unglaublich und extrem eigenständig. DEATH durfte ich 1992 live in Los Angeles und 1995 in Deutschland sehen…

Und solche Konzerte vergisst man sicherlich nicht… Etwas, was man sogleich mit dem Namen MORTIFICATION assoziiert, sind deine offenen Statements zu deinem Glauben an Jesus Christus. Ich habe von konservativen Christen hier in der Schweiz schon gehört, dass zum Beispiel AIDS eine Strafe Gottes sei. Was würdest du einer Person (Christ oder nicht), die diese Position vertritt, entgegnen? Und hast du deine Krankheit jemals als Strafe Gottes gesehen?

Jemand, der sagt, dass AIDS oder Krebs eine Strafe Gottes sei, ist einfach voll daneben. Das ist so eine lächerliche Idee und ein Grund, weswegen viele Leute Christen hassen. Die Leute denken, dass alle Christen solche dumme Überzeugungen haben. Aber echte Christen haben mindestens zehn Mal mehr Hirn als Leute, die sowas rauslassen!

Wir haben einen dummen Pastor hier, der behauptete, die Buschfeuer, die durch unseren Staat wüteten, seien Gottes Strafe für das Böse in unserer Stadt. Also echt! Ausserdem waren die Feuer nur draussen im Buschland, gar nicht IN unserer Stadt! Das Stadtzentrum wurde überhaupt nicht davon tangiert! Für so doofe Leute habe ich einfach null Zeit.

Ich bin Christ. Aber ich bin auch ein Realist. Wir leben in einer vergifteten Welt, in welcher die Menschheit durch den eigenen Egoismus und die eigene Gier andere zugrunde richten. Es gibt viele Krankheiten, die Menschen töten ohne auszuwählen. Gut und Böse sind immer da, Seite an Seite. Gottes Hand hat die Kontrolle, aber die Menschen haben ihren eigenen freien Willen. Und dieser kann sie sehr wohl dazu motivieren, Kriege oder Buschfeuer zu starten, jemanden umzubringen oder Gottes Plan für Seine Welt abzulehnen. Die Menschheit ist einfach zerstörerisch und was hinterlassen wir unseren Enkeln? Vielleicht wird nichts mehr übrig sein, weil die hässliche Gier alles schon vorher vernichtet hat.

Mit dieser Befürchtung stehst du nicht alleine da. Kommen wir zu einem echten Christen: Wenn du Jesus treffen könntest, was würdest du ihn fragen?

Als Reborn Christian glaube ich, dass ich durch meine Gebete jeden Tag spirituell mit Jesus sprechen kann. Die Bibel lehrt uns, dass alle Menschen nach dem Tod gerichtet werden und ihr Leben dann analysiert wird. Ich glaube, an diesem Punkt wird Gott mir all die Fragen stellen zu meinem Leben, die ich mir vorstellen kann. Ich glaube ebenfalls, dass ich durch seine Gnade erlöst werde und nicht dadurch, was ich hier auf der Erde erarbeitet habe. Für mich geht es also rein um die Vergebung der Sünden. Ausserdem sagt die Bibel: Die Menschen werden unseren Glauben an unseren Werken erkennen, obwohl unsere Werke uns nicht erlösen. Nur der Glaube an Christus kann uns erlösen.

Ich glaube, in der Ewigkeit werden Fragen irrelevant sein. Wir sind dort und begegnen unserer Ewigkeit – wie auch immer sie aussieht. Ich weiss nur, dass Mutter Theresas Glaube sie gerettet hat. Aber ihre Werke, ihr selbstloses Leben und ihre heilige Lebensweise – obwohl all das zählt, ist sie einzig durch Gottes Gnade gerettet worden. Obwohl – was für ein herrlich christliches Leben hat sie gelebt!

Und wie beeinflusst dein Glaube dein tägliches Leben?

Leben mit Barrieren bringt Sicherheit. Die Menschen glauben, dass das Christentum eine Ansammlung von irrelevanten Regeln ist. Aber das ist es nicht. Es geht darum, so zu leben, wie Gott will, dass wir leben.

Vor vielen Jahren gab es einen Versuch in den USA. Man bildete zwei identische Kindergärten für Kinder unter vier Jahren. Ein Kindergarten mit einem Zaun in 25 Abstand zum Kindergarten und ein Kindergarten ohne Zaun. Die Kinder im Kindergarten mit dem Zaun spielten furchtlos bis zum Zaun. Einige von ihnen hielten sich am Zaun fest und schauten raus, sie beobachteten Fremde durch den zweieinhalb Meter hohen Zaun.

Die Kinder im Kindergarten ohne Zaun zeigten ein anderes Verhalten. Sie spielten nur in der Nähe des Gebäudes und hatten Angst, wenn Leute 25 Meter entfernt auf dem Gehweg vorübergingen. Das ist ein einfaches Beispiel dafür, wie Grenzen Sicherheit kreieren und Ängste nehmen. Ich habe keine Angst vor AIDS oder davon, verhauen zu werden (zum Beispiel), weil ich innerhalb der christlichen Grenzen lebe und gefährliche Handlungen, Plätze und Trunkenheit meide. Natürlich gehe ich in Clubs, um Metal- und Rockbands zu sehen, aber diese Szene ist sehr sauber. Natürlich gibt es Leute, die sich betrinken und freien Sex haben, aber es gibt keine Drogen und ich habe praktisch noch nie eine Gruppenschlägerei an einem Metalgig gesehen.

Melbourne selber ist eine normale Stadt, so gefährlich wie jede andere dieser Grösse auf dieser Welt. Man darf einfach nicht zur falschen Zeit am falschen Ort sein. Wenn Menschen älter werden, werden sie risikofreudig. Aber das hat für gewöhnlich Konsequenzen. Ich selber bin natürlich nicht immun gegen die Gewalt von anderen, aber ich vermindere die Risiken durch meine Entscheidungen. Und ich schaue, dass ich innerhalb Gottes Grenzen bleibe.

Die Grenzen Gottes werden von den Menschen ja gerne selber abgesteckt und organisiert. Was ist deine Meinung zu organisierter Religion? Schliesslich ist man als Christ nicht unbedingt ein loyaler Unterstützer der Kirche…

Ich selber bin Mitglied in einer grossartigen Kirche. Aber ich bin sehr selektiv, wenn es darum geht, wem ich zuhöre und was ich mir anhöre aus christlichen Kreisen. Das Christentum ist eine der missbrauchtesten Religionen, überall gibt es Betrüger, die sich am Christentum bereichern und ihren eigenen Stolz mit der Religion nähren, indem sie Leute, die es nicht besser wissen, ausnehmen. Das ist sehr traurig! Aber alles, was sie am Ende bekommen werde, ist dieser Spruch Gottes: Geht weg von mir, ich kannte euch nie!

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Jemand, der sagt, dass AIDS oder Krebs eine Strafe Gottes sei, ist einfach voll daneben. Das ist so eine lächerliche Idee und ein Grund, weswegen viele Leute Christen hassen. Die Leute denken, dass alle Christen solche dumme Überzeugungen haben. Aber echte Christen haben mindestens zehn Mal mehr Hirn als Leute, die sowas rauslassen! – Steve Rowe (MORTIFICATION)

Viele vergessen in diesem Zusammenhang ja gern, was in der Bibel steht. Die Texte MORTIFICATIONs sind ja klar von der Bibel inspiriert. Welches Testament findest du inspirierender für das Schreiben von Texten und Musik? Und welches findest du hilfreicher beim Meistern von schwierigen Lebenssituationen?

Sowohl das Alte wie auch das Neue Testament helfen beim Meistern des Lebens. Natürlich ist das Alte Testament vor Jesus und im Neuen Testament wirkt Jesus. Aber es gibt vieles im Alten Testament, wo man sieht, dass die Leute nicht in Gottes Gnade leben. Seit Jesus Christus profitieren wir enorm von Gottes Gnade. Im Alten Testament wurde das Böse oft einfach ausgewischt von Gott – das ändert sich mit der Ankunft Christi im Neuen Testament.

Beeinflussen dich aktuelle Gegebenheiten (religiöser Natur oder nicht) eigentlich beim Schreiben deiner Texte?

Manchmal. Aber mein Hauptaugenmerk liegt nicht auf ihnen.

Was ist deine Lieblingspassage im Alten Testament? Und im Neuen?

Im Alten Testament: Die Flucht der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei. Diese Passage zeigt die grosse Macht Gottes. Aber nach all den Wundern, die sie gesehen hatten, waren sie zu ängstlich, das Gelobte Land zu übernehmen. Für mich zeigt das eine direkte Verbindung zur modernen Kirche auf. Sie sehen und fühlen die Kraft, aber sie bleiben in ihren alteingesessenen Routinen. Sie haben zu grosse Angst, das zu sagen, was sie glauben.

Im Neuen Testament: Jakob, Kapitel 1: Die wahre Religion ist es, sich um Witwen und Waisen in Not zu kümmern (die Armen und Hilflosen) und sich selber sauber und rein zu halten von den Sünden der Welt. So sollten wir alle leben!

Normalerweise wird extremer Metal ja nicht mit der Bibel oder dem Christentum assoziiert, Heavy Metal genausowenig. Welche Bands haben dich zum Metal gebracht?

Ich fing an mit Bands wie DEEP PURPLE, SLADE, AC/DC und STATUS QUO – das war 1973, als ich acht Jahre alt war. 1981 war ich 16 und meine Lieblingsbands waren MOTÖRHEAD, IRON MAIDEN und MANOWAR. 1984 hörte ich dann die ersten christlichen Bands: STRYPER, REZ BAND, JERUSALEM, BARNABAS und 100% PROOF. Als Kind war ich in der Baptistenkirche dabei und somit hatte ich ein starkes Glaubensfundament. Aber erst 1984 fühlte ich mich richtig im Metal zuhause, denn diese frühen christlichen Rock- und Metalbands weckten in mir die Idee, eine christliche Band ins Leben zu rufen.

Die ersten extremeren Bands, die ich hörte und mochte, waren DEATH, PESTILENCE und KREATOR. Auch den britischen Death Metal fand ich inspirierend – BENEDICTION, NAPALM DEATH und BOLT THROWER. Das brachte mich dazu, mich mehr mit Grindcore und Death Metal zu beschäftigen. Die Szene in Florida hat mich abgesehen von DEATH jedoch nie so interessiert.

Schert es dich, welche Religion oder Ideologie eine Band vertritt? Widern dich satanistische Bands an?

Ich höre mir keine satanistischen Bands an. Allerdings finde ich IMMORTAL gut. Sie sind die Black Metal-Version von KISS! Haha! Ich glaube, dass IMMORTAL gut sind in diesem Genre und sich nicht um die absoluten Extreme kümmern.

Was ist deine Meinung zu DARK FUNERAL?

Die höre ich nie an.

Trotzdem hat MORTIFICATION ja eine Verbindungslinie zum Black Metal. Dein Ex-Drummer Jayson Sherlock hatte ja seine Band HORDE. Was macht er eigentlich jetzt? Gibt es HORDE noch? Und was hältst du von HORDE?

HORDE hat nur eine einzige Show gespielt, in Oslo 2006. Ich hatte nie was mit der Band zu tun – musikalisch jetzt – aber ich habe die CD (Hellig Usvart), die NUCLEAR BLAST anno 1994 rausbrachte, finanziert. Ich mag Black Metal überhaupt nicht, aber ich dachte, das Konzept HORDEs war zu dieser Zeit interessant. Jayson spielt noch immer in einigen Bands.

Danke fürs Finanzieren von Hellig Usvart, ich liebe dieses Album! Du hast NUCLEAR BLAST gerade erwähnt und für 20 Years In The Underground wurde die alte Allianz zwischen MORTIFICATION und NUCLEAR BLAST ja wiederbelebt. Ist das der Beginn einer längeren Zusammenarbeit?

Ich hoffe es! Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

Welche Band aus dem NUCLEAR BLAST-Sortiment magst du am liebsten und warum?

BENEDICTION, weil sie eine der Original Death Metal Bands sind. GOREFEST sind auch gut – guter positiver Death Metal! Ich mag auch EXODUS, OVERKILL und TESTAMENT – alles grossartige Thrash Metal Bands. Und ich mag EDGUY und SONATA ARCTICA, weil ich sie live gesehen habe und sie absolut gekillt haben! Wir waren mit MORTIFICATION der Support-Act für EDGUY hier in Melbourne anno 2002.

Welche Bands aus dem australischen Metal Underground kannst du empfehlen?

Da gibts ein paar, zum Beispiel MEDUSA, CONTRIVE, SCRATCH N SNIFF, PEGAZUS und BLACK MAJESTY.

Und wie siehts aus mit einem neuen MORTIFICATION-Album? Arbeitest du momentan an einem?

Nein. Wir brachten letztes Jahr The Evil Addiction Destroying Machine raus, man kann es online bei NUCLEAR BLAST kaufen.

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Und 2001 hat uns eine Frau in Brasilien darum gebeten, ihr neugeborenes Baby zu signieren. – Steve Rowe erinnert sich noch an verrücktere Live-Geschichten, als die Mitschnitte auf 20 Years In The Underground vermuten liessen. 

Kommen wir nochmals zu eurem 20 Years In The Underground-Doppelalbum zurück. Es wartet ja auch mit einigen Live-Mitschnitten auf und du hast sicher das eine oder andere Verrückte erlebt bei MORTIFICATION-Gigs. Was war das Verrückteste, was bei einem eurer Konzerte je passierte?

Lincoln sprang mal von einer oberen Bühne in Stuttgart auf eine untere – das war 1999 – um sein Solo stilvoll zu beginnen. Er fiel durch die untere Bühne, auf seinen Rücken – und überall war Holz. Er hat trotzdem weitergespielt – ein shreddriges Solo, im wahrsten Sinne des Wortes, haha!

Und 2001 hat uns eine Frau in Brasilien darum gebeten, ihr neugeborenes Baby zu signieren. Ich hoffe, sie hat die Unterschriften danach nicht auf das Kind tätowieren lassen, haha!

Geht ihr dieses Jahr eigentlich auf Tour oder werdet ihr warten, bis ihr wieder ein neues MORTIFICATION-Album am Start habt?

Vielleicht spielen wir ein paar europäische Festivals nächstes Jahr – es kommt darauf an, ob wir ein anständiges Angebot dafür bekommen.

Danke fürs Interview!

Das beste Blut ist das Blut Jesu! Vergossen für unsere Erlösung!

Fotos und Logo: Label / Band
Layout und Titelbildfoto: Arlette Huguenin D.

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