LILLIAN AXE: Superhelden und Energy-Drinks

Steve Blaze hatte vielleicht nicht gerade seinen mitteilungsfreudigsten Tag, trotzdem gewährt er einen interessanten Einblick ins neue Album und hatte einige interessante Infos parat.

 

Nach der Reunion mit Sänger Ron Taylor und einigen Gigs mit anschließender Sängersuche passierte lange Zeit nichts im Lager der Melodic-Heroen. Als endlich das Nachfolgealbum mit dem neuen Fronter Derrick LaFevre im Kasten war, schienen die Reaktionen gespalten. Zwar gab es gesanglich absolut nichts auszusetzen, aber rein stiilistisch gab es für langjährige Fans schon einige Neuerungen zu verdauen.
Zwei Jahre später steht nun der Nachfolger Sad Day On Planet Earth in den Läden und orientiert sich meiner Meinung nach deutlich mehr an den Frühwerken, ohne dabei jedoch altbacken oder aufgewärmt zu klingen.
Höchste Zeit, Gitarrist und Bandchef Steve Blaze mal einige Antworten aus der Nase zu ziehen und zu hoffen, dass die Jungs auch mal wieder bühnentechnisch einen Sprung über den Teich wagen.

Hallo Steve! Nach eurem Comeback-Album Waters Rising seid ihr nun relativ zügig mit Sad Day On Planet Earth am Start. Vorab noch eine Frage zum Comeback. Wie kam das Album den allgemein an und wie haben vor allem die Stammfans die im direkten Vergleich zu den alten Alben teilweise doch anderen Einflüsse aufgenommen?

Unsere Fans sind fantastisch! Ich habe gelernt, dass es besonderer, einzigartiger Personen bedarf, um ein wirklich treuer Fan zu werden, bzw. um auch wirklich dahinter zu steigen, was wir tun. Zum Glück haben wir eine Menge solcher Fans! Der Großteil dieser  Leute mochte die Art und Weise, wie wir uns entwickelt haben und die Richtungen, die angesteuert wurden.
Natürlich, es gibt auch immer wieder Leute, die sich einfach weigern sich weiter zu entwickeln, oder Neuem gegenüber aufgeschlossen zu sein. Genau diese Leute wollen dann, dass wir uns niemals verändern und immer so klingen wie auf dem alten Material. Trotzdem, im Allgemeinen wurde unsere Entwicklung sehr positiv aufgenommen.

Würdest du euer Comeback bisher als Erfolg werten? Was hattest du erwartet?
 
Ich denke es war sogar ein großer Erfolg in dem Sinn, dass wir uns in der Musikwelt wieder einen festen Platz schaffen, uns wieder etablieren konnten, und ich bin sehr glücklich und zufrieden damit, wie alles gelaufen ist.
Selbstverständlich hatte ich mir eine bessere Vermarktung gewünscht, dass wirklich weltweit alle Leute mitbekommen hätten, dass es ein neues Album von uns gibt. Letzten Endes müssen aber auch wir damit leben, wie das Musik-Business momentan läuft und daher muss man heutzutage froh sein, überhaupt noch ein Album veröffentlichen zu können!
 
Als ich damals den Titelsong gehört hatte, der ja zu 100% typisch nach
LILLIAN AXE klang, war ich völlig begeistert, während ich dann am kompletten Album erst einmal zu knabbern hatte. War es Eure Absicht, die alten Fans zunächst in Sicherheit zu wiegen, indem ihr eine eher typischere Nummer vorab zur Verfügung gestellt habt?
 
Nicht unbedingt. Ich mag es, unsere Fans zu überraschen, aber wirklich nur im positiven Sinne!
 
Sad Day On Planet Earth klingt bereits beim ersten Durchlauf im direkten Vergleich wesentlich mehr nach eurem älteren Material und erinnert stilistisch eher an Poetic Justice oder an mein Lieblingsalbum Psychoschizophrenia. Wie siehst du das?
 
Ich habe wirklich Schwierigkeiten, unsere einzelnen Alben miteinander zu vergleichen. Ich würde sagen,
Sad Day On Planet Earth klingt anders als alle unsere Alben. Es erschließt komplett neue Gebiete, während unsere besonderen Merkmale aber beibehalten werden.
 
Stammt das Material komplett aus deiner eigenen Feder oder konnte sich der Rest mit einbringen?
 
LILLIAN
Ich habe alle Stücke selbst geschrieben, aber bekomme von den Bandmitgliedern Rückmeldungen und zusätzlichen Input, nachdem ich ihnen die ersten Demos vorgespielt habe. Die speziellen Talente von jedem
LILLIAN AXE-Mitglied fließen dann während der endgültigen Aufnahmen mit ein und dadurch wird dann eben auch der jeweilige Song nochmals zusätzlich geformt.
 
Euer nicht mehr ganz so neuer Sänger Derrick LaFevre erinnert nicht nur stimmlich sehr an Ron Taylor, sondern auch in den Melodien. Waren die Gesangslinien dann quasi auch immer komplett auf deinen Mist gewachsen?
 
Ja. Ich schreibe auch die Gesangsmelodien. Für mich ist der Gesang einfach ein weiteres Instrument!
 
Wie denkst du kam dieser typische
LILLIAN AXE-Sound zustande? Die Mischung aus Verspieltheit, eingängigen aber nicht ausgelutschten Melodien, ausgeklügelten Arrangements und eben eine gewisse Melancholie. Eigentlich war das ja bereits auf eurem Debüt vorhanden, während die Vorgängerband STIFF ja noch wesentlich gewöhnlicher klang.
 
STIFF hatte rein songwriterisch noch nichts mit mir zu tun, da ich erst kurz vor der Umbenennenung in LILLIAN AXE zu der Band gestoßen bin, daher gibt es auch bei den Songs des aufgenommenen Demos so gut wie keine Parallelen.
Ohne jetzt anmaßend klingen zu wollen: Ich denke die Basis unseres Sounds liegt in meinem großen Katalog an Einflüssen verborgen, in der Musik, die mich persönlich bewegt. Ich liebe dunkle, leidenschaftliche, kraftvolle Musik. Außerdem bin ich von großen Talenten umgeben, welche meine Ideen dann formen und damit zum Leben erwecken.
 
Könntest du dir heute vorstellen, nochmals Gute-Laune Hits wie She Likes It On Top oder All´s Fair In Love And War zu schreiben?
 
Schon, vorausgesetzt ich befinde mich in der entsprechenden Gemütsverfassung. Wobei ich auch sagen muss, dass All´s Fair In Love And War für mich nach wie vor ein dunkler Song ist!
 
cdreviewZurück zum neuen Album: Wie sind die bisherigen Resonanzen im Vergleich zum Vorgänger?
 
Viele Leute sind der Meinung, es ist unser bisher bestes Album und genau so viele meinen auch, es wäre der nächste, logische Schritt nach dem Vorgänger Waters Rising.
 
Trotz einer nicht unbedingt fröhlichen Ausrichtung wirkt das Album irgendwie lebensfroher oder vielleicht besser hoffnungsvoller, aber auch melancholischer. Liege ich damit falsch?

 
Nein, in diesem Punkt hast du absolut Recht.
Sad Day On Planet Earth bietet detaillierte Einblicke und Lösungen, anstatt nur Ideen aufzuwerfen oder Beobachtungen anzustellen.
 
Der Opener MegaSlowFade könnte meiner Meinung nach vom musikalischen Eindruck her ein Nachfolger zu Deepfreeze sein.
 
Ja, könnte er tatsächlich. Es ist eine treibende Uptempo-Nummer mit vielen Drehungen und Wendungen. Momentan arbeiten wir an einem Videoclip zu MegaSlowFade. Das Stück beschreibt in textlicher Hinsicht ein Ultimum an Energie und Geschwindigkeit, welches gleichzeitig immer zurückgehalten wird. Etwas schwierig zu beschreiben. Es ist im Prinzip vergleichbar mit dem Effekt, den ein Energy-Drink auslöst!
 
Meine persönlichen Faves sind die mit wahnsinnig starken Melodien ausgestatteten Cold Day In Hell, Down Below The Ocean und Within Your Reach. Kannst Du auf diese Stücke eventuell etwas näher eingehen?
 
Cold Day In Hell ist ein Song über Stärke! Über einen Kampf gegen das Elend, ohne Rücksicht darauf, welche Hürden man dafür überwinden muss.
Down Below The Ocean ist meine Fantasie, auf dem Meeresgrund zu leben, in absoluter Einheit und Harmonie mit dem Leben dort unten. Stell dir ein blaues Unterwasser-Paradies vor, mit Haien, Walen, Meerjungfrauen und alle Lebewesen singen und tanzen im endgültigen Frieden. Ein Song über Eskapismus!
Within Your Reach wurde von Die Schöne und das Biest inspiriert. Ein Stück über einen entstellten Außenseiter, der die Frau, die er liebt aus einer Distanz beschützt und sich davor schämt, ihr unter die Augen treten zu müssen.
Ich wollte schon immer ein Superheld sein!
 
Eines möchte ich doch anmerken. Sowohl auf Waters Rising als auch auf 
Sad Day On Planet Earth klingt der Gesamtsound zwar sehr natürlich, aber im direkten Vergleich zu euren alten Werken etwas muffig und bei weitem nicht so klar. Hatte das Budgetgründe oder war es eine bewusste Entscheidung, die Alben so klingen zu lassen? Ich denke ein etwas druckvollerer Sound würde vor allem beim neuen Album viel besser passen.
 
Es stimmt schon, dass die Budgets für beide Platten geringer ausgefallen sind, aber das ist eigentlich nicht der Grund gewesen. Ich habe das Gefühl, dass die Songs fetter und runder klingen. Die Veränderungen sind deshalb vorhanden, weil wir komplett anders aufnehmen und weil wir auf der Suche nach einem etwas rauheren Sound waren. Ich möchte, dass unsere Alben real klingen und nicht nach einem überproduzierten, auf Hochglanz polierten Produkt.
 
Zum Abschluss noch die übliche Frage. Wann kann man mit euch live rechnen? Ich hatte euch damals auf dem
BANG YOUR HEAD-Festival gesehen und war begeistert, es wird aber höchste Zeit, dass ihr wieder kommt.
 
Aller Voraussicht nach kommen wir im November!

Fotos: (c)Blistering Records

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner