KAMELOT Studioreport , 8. Februar 2001, Wolfsburg

Im Wolfsburger "Gate-Studio" präsentierten Gitarrist Thomas Youngblood und Sänger Roy Khan die ersten Höreindrücke vom kommenden KAMELOT-Album "Karma" – leider nur drei an der ZAhl. Aber DIE hatten`s in sich…



Was, da gibt`s ein Tonstudio? Die ungläubige Miene des Taxifahrers spricht Bände: In dieser Ecke der Wolfsburger Gemeinde Ehmen würde wahrlich niemand annehmen, daß hier eine mittlerweile durchaus renommierte Klangschmiede zu finden ist. Doch die Fassade des alten Bauerngehöftes täuscht: Hinter den groben Holztüren verbirgt sich das Gate-Studio des HEAVEN’S GATE-Gitarristen Sascha Paeth, und einmal mehr hat er die Amerikaner KAMELOT zu Gast, die Sascha gemeinsam mit Keyboarder Miro bei den Aufnahmen zu ihrem fünften Studioalbum begleiten wird. Sie waren bei The Fourth Legacy schon erste Wahl und nach diesem Album wußten wir, daß wir wieder mit ihnen arbeiten möchten., berichtet Thomas Youngblood, Gitarrist und neben Sänger Roy Khan Hauptsongwriter der Band. Die Art, wie wir mit ihnen nicht nur als Produzenten, sondern auch als Freunde zurecht kommen, ist wichtiger Teil des Produktionsprozesses. Ich denke nicht, daß sich an diesem so bald etwas ändern wird.

KAMELOT:Gemeinsam mit Roy, der spätestens seit besagtem The Fourth Legacy nicht mehr aus dem Konzept KAMELOTs wegzudenken ist, stellt Thomas an diesem Tag die ersten Songs des kommenden Albums Karma vor. Und obgleich die drei Titel, die eigens für diesen Zweck auf CD ausgespielt worden waren, sich noch im sogenannten Premix-Stadium befanden und nicht nur Background-Vocals und Orchester-Arrangements, sondern auch komplette Soli-Passagen fehlten, belegten sie eindrucksvoll, in welchem Maße die Amerikaner ihren unverkennbaren Stil mittlerweile perfektioniert haben. Die Tage, in denen die Band sich Vergleiche mit melodischen US Metal-Bands wie CRIMSON GLORY gefallen lassen mußte, sind längst passé: Seit der Norweger Roy Khan, zuvor bei CONCEPTION tätig, 1998 zur Band stieß, haben die europäischen Einflüsse im Bandsound die Oberhand gewonnen. Vom musikalischen Einheitsbrei der immer noch anhaltenden Flut an HELLOWEEN/STRATOVARIUS-Epigonen trennen die Amerikaner dennoch Welten. Es sei wohl die besondere Konstellation des Songwriting-Teams, so Thomas Youngblood, die KAMELOT so einzigartig klingen lasse: Das Songwriting ist eben halb amerikanisch und halb norwegisch.

`Forever` überrascht zu Beginn mit einer vertrauten, trotz des voluminösen Instrumental-Arrangements unverkennbaren Melodie: Dem schwermütig-süßem Motiv von `Solveig’s Song`, einem Teil der Peer Gynt-Suite des Komponisten Edvard Griegs, an dessen `Halle des Bergkönigs` sich auch schon SAVATAGE und APOCALYPTICA versucht haben. Das Ganze entwickelt sich zu einem Double Bass-lastigem, ungemein druckvollen Song, der dank klassischer Komponente und atmosphärischer Breaks gar schon dramatische Züge annimmt. Insbesondere der Refrain, in dem das Peer Gynt-Motiv wiederaufgenommen wird, verdient allemal das Prädikat bewegend.

Auch im folgenden `Across The Highlands`, einem gewohnt melodischen Stück mit hymnischem Refrain, das auch auf dem Vorgänger-Album hätte stehen können, forciert die Bass Drum das Tempo. Und das einmal mehr, ohne daß der Song Gefahr läuft, in simple, allzu bewährte und beliebte Draufhau- und Abbang-Muster-Nähe zu geraten. Es ist eine Herausforderung für uns, Double-Bass-Songs zu schreiben, die nicht so klingen, wie die vieler anderer Melodic Metal-Bands., erklärt Thomas. Das hat sicherlich auch mit unseren Einflüssen außerhalb des Metals und unserem persönlichen Stil zu tun. Wir versuchen jeden Song unseren typischen, individuellen Sound mitzugeben. Und ja, es gäbe auch wieder keltische und arabische Elemente auf dem Album, doch die Band versuche ebenso neue Wege zu gehen. Wir wollten nicht einfach ein `Nights Of Arabia` Teil 2 schreiben und die Songs von The Fourth Legacy kopieren…, wirft Roy ein, und fügt grinsend hinzu: … jedenfalls nicht komplett.KAMELOT: Die Atmosphäre des Vorgängers, so der Sänger, solle jedoch beibehalten werden, denn auf diesem habe die Band ihren Stil gefunden. Textlich setze sich `Across The Highlands` mit dem Schicksal eines Unsterblichen auseinander. Es geht um den furchterregenden Gedanken, ewig zu leben. Ich habe das erste mal in meinem Leben über meine Sterblichkeit nachgedacht, und die macht mir eigentlich keine Angst. Die Aussicht, ewig zu leben, hingegen schon., erklärt Roy, und Thomas ergänzt: Man wäre nicht in der Lage jemals jemandem wirklich nahe zu sein, denn alle werden sterben und Du wirst ewig da sein. Der Protagonist des Songs wünscht sich nur noch zu sterben, so wie alle anderen Menschen, die er liebt. Aber er kann es nicht. Einmal mehr verpacken KAMELOT ihre Gedanken in Fantasy-nahe Texte, in diesem Falle angelehnt an den Kinofilm Highlander. Eine nüchterne Umschreibung der Realität sei für sie wenig interessant, meint Thomas. Es ist eine Herausforderung für uns, aktuelle Themen in ein Fantasy- oder ein historisches Gewand zu kleiden und als Metapher zu formulieren.

Der Titelsong `Karma`, die letzte der drei Hörproben, beginnt bedächtig, fast düster. Schicksalsschwangere Streicher- und Klavierklänge führen durch eine dicht inszenierte musikalische Einleitung, die schließlich in einer rhythmisch akzentuierten Strophe mit eindringlichen Vocals mündet. Im Refrain legen sich ungemein melodische, fast sanfte Gesangslinien über das schwere Rhythmusfundament und schaffen faszinierende Kontraste.

Alle Songs waren bis jetzt relativ schnell, resümiert Roy. Es wird allerdings auch eine Menge Midtemposongs und zwei Balladen auf dem Album geben. Und insgesamt, so Thomas, werden elf oder zwölf Titel und zwei Intros auf Karma vertreten sein, darunter die Trilogie `Elisabeth`, bestehend aus `Mirror Mirror`, `Requiem For The Innocent` und `Fall From Grace`. Dann wäre da noch `Once And Future King`, `Temples Of Gold` und `Don`t You Cry`., erklärt der Gitarrist. Zwei oder drei Songs haben bislang nur Arbeitstitel.

Offizieller Veröffentlichungstermin des Albums ist der 23. April. Und es scheint, als solle sich das Warten lohnen: So wenig aussagekräftig bloße Rohversionen und die geringe Zahl an Hörproben für ein komplettes Album auch sein mögen, sie lassen ob ihrer Qualität einiges erhoffen. Denn `Forever` und `Karma` zählen schon in diesem rudimentären Zustand zu den besten und mitreißendsten Kompositionen, die KAMELOT im Laufe ihrer nicht eben kurzen Band-Geschichte geschrieben hat…

Fotos: Frank Heumann (www.logan-5.de)

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