Ein gutes Jahr ist es nun bereits her, dass wir mit dem Century Media-Labelportrait den Startschuss setzten für eine lose Folge von Specials, die einen Einblick hinter die Kulissen des Musikbusiness gewähren sollen. Nachschub gibt es nun in Form eines zweiteiligen Portraits des im nordrhein-westfälischen Kleve ansässigen Labels InsideOut Music. 1993 als Kleinst-Label gegründet, das zunächst nur den Vertrieb für einige ausgewählte Platten übernahm, folgten schon bald die ersten eigenen Veröffentlichungen von solch illustren Namen wie SYMPHONY X oder SPOCK´S BEARD, den beiden Bands, die auch heute noch die Zugpferde des Labels darstellen. Es dauerte nicht lange, bis sich das Label einen ausgezeichneten Ruf für hochqualitative Prog-Veröffentlichungen erarbeitet hatte, den es – auch wenn sich das musikalische Spektrum mittlerweile erweitert hat – auch heute noch inne hat. Grund genug für unsere Prog-Junkies doomster und ruuud, mal in Kleve vorbeizuschauen. Vize-Geschäftsführer Michael Schmitz und Detlev Schmidt, der für Presse und PR verantwortlich ist, waren so freundlich einen Abend für die genaue Inspizierung der Geschäftsstelle und ein ausführliches Interview zu opfern. Bei mithörendem iPod und einer heißen Tasse Kaffee, die den bitterkalten Tag vergessen ließ, kam von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft alles zur Sprache. Ein interessanter Einblick hinter die Kulissen eines einzigartigen Labels.
InsideOut wurde 1993 gegründet und ist schon seit einigen Jahren kaum mehr wegzudenken aus der Progrock- und Metalszene. Was war, eurer Meinung nach, der Durchbruch, der entscheidende Moment, an dem ihr gemerkt habt: „Jetzt haben wir es geschafft, InsideOut als Namen zu etablieren, der für hochwertige Prog-Musik steht“?
Michael: Da muss man vielleicht doch ein bisschen zurückgehen. Thomas und ich sind Fans, und wir haben uns hier in Kleve durch einen Zufall kennen gelernt. Ich habe in einem Jugendheim Konzerte veranstaltet, er hat einen IQ-Fanclub geleitet und ist dann mal bei einem Progressive-Rock-Konzert gewesen, welches ich im Radhaus veranstaltet habe. So sind wir irgendwie zusammengekommen. Er meinte dann, dass er noch eine Band kenne und ob man da nicht was machen könne, und so haben wir langsam angefangen. Wir haben zunächst als Tochter einer holländischen Firma eineinhalb Jahre ein holländisches Fanzine hier in Deutschland gemacht, haben es eingedeutscht, teilweise eigene Artikel dazu geschrieben und versucht, die hiesige Progressive-Rock-Szene ein wenig zu organisieren. Damals hieß das noch SI Music, das haben wir aber nach eineinhalb Jahren aufgelöst und stattdessen InsideOut Music gegründet. Kurz darauf haben wir auch mit den ersten Platten angefangen, die wir damals nur vertrieben haben. Die kamen also nicht auf InsideOut heraus, sondern kamen größtenteils von GEP Records, diesem IQ-Label in England. Da kamen dann die erste THRESHOLD, das erste JADIS-Album, IQs „Ever“, und schließlich von PENDRAGON „Window Of Life“. Das waren die ersten Platten, mit denen wir angefangen haben. Wir haben daraufhin ziemlich schnell Kontakt zu einem Vertrieb gekriegt, das waren auch damals schon SPV, und dann ging das alles los. Nach und nach haben wir auch unsere eigenen Sachen gemacht, und das immer im kleinen Rahmen. Wir sind jahrelang nur zu zweit gewesen und haben das sozusagen aus dem Schlafzimmer heraus gemacht.
Irgendwann sind wir dadurch, dass wir immer unterwegs waren und viele Leute aus der Szene und auch viele Musiker kennen gelernt haben, an Kontakte gekommen, die uns wieder einen Schritt weiter gebracht haben. Wir haben über einen Consultant SYMPHONY X kennen gelernt, die uns wirklich ein Stückchen höher gebracht haben, weil sie ziemlich schnell vom Geheimtipp größer geworden sind. SPOCK´S BEARD kamen dann um die Ecke und haben auch einiges losgetreten. Dann ging es auch schon schnell los mit irgendwelchen DREAM THEATER-Nebenprojekten. SPOCK´S BEARD war die Lieblingsband von Mike Portnoy, bei DREAM THEATER waren wir sowieso schon immer, haben ständig irgendwelche Vorgruppen gehabt. Thomas hat eine Zeit lang den DREAM THEATER-Fanclub gemacht, hat darüber auch die Band gekannt, und so kamen immer mehr Kontakte, wir haben immer mehr gemacht und auch Dinge veröffentlicht, die eine größere Akzeptanz hatten, wo mehr Leute Interesse dran hatten, und das hat sich über Jahre so aufgebaut. Ich würde allerdings nicht sagen, dass wir irgendwann mal so etwas wie einen Durchbruch hatten. Wir hatten das Glück – eigentlich sind wir irgendwann dazu genötigt worden, weil es so groß wurde -, dass wir auch Personal brauchten. Dadurch hat sich das immer mehr aufgebaut. Wir sind jetzt zehn Leute. Hier sind wir zurzeit neun…
Detlev: Zwei Produkt-Manager, einer für die Herstellung…
Michael: Genau. Dann haben wir die Presse, Presse-Assistenz, Buchhaltung mit Assistenz, dazu noch eine Teilzeitkraft. Geschäftsführer ist Thomas Waber, ich bin im Bereich Marketing und auch Produkt-Management. Vor gut drei Jahren haben wir zudem ein Büro in Pittsburgh gegründet, wo auch nochmal drei Angestellte arbeiten, die das A&R in Amerika machen und sich dort um Marketing und Promotion kümmern. Das hat sich wirklich über die Jahre immer mehr aufgebaut, und wir haben natürlich durch das Volumen auch die Möglichkeit bekommen größere Sachen zu machen. Ich glaube, dadurch dass wir stetig und langsam gewachsen sind, haben wir eine Basis gebildet, die gut funktioniert.
Und dann ist es, wenn man über einen bestimmten Punkt hinaus gekommen ist schon so, dass einem einfach mehr Möglichkeiten offen stehen…
Michael: Mehr Möglichkeiten in welchem Sinne? Wir haben dadurch, dass wir größer geworden sind, die Möglichkeit auch größere Themen zu machen. Das ist die eine Sache. Durch das Volumen haben wir aber auch die Möglichkeit, im Marketingbereich größer dazustehen. Wir haben Zeiten gehabt, da haben wir das auch versucht heraufzubeschwören, indem wir ständig große Anzeigen gemacht haben. Irgendwann haben wir das wieder heruntergefahren, weil jeder wusste: „Alles klar, InsideOut!“ Ich sehe es aber nicht so, dass es irgendwann einen Durchbruch gegeben hat, genauso wie manche Leute davon reden, dass Progressive Rock oder Progressive Metal irgendwann wieder so einen richtigen Durchbruch hatte. Das ist immer da gewesen, mal hat es mehr Leute gegeben, die das hören, mal weniger. Wir haben eine gute Basis aufgebaut, und ich denke, dass dies hauptsächlich dadurch geschehen ist, dass wir langsam aber stetig gewachsen sind.
Glaubt ihr, dass es heutzutage schwieriger ist, sich in diesem Genre mit einem neuen Label zu etablieren?
„Im Grunde genommen ist der Plattenfirmen-Job ein Büro-Job.“ – Vize-Geschäftsführer Michael Schmitz zerschlägt sämtliche Illusionen vom spannenden und abenteuerlichen Leben im Musikbusiness. |
Michael: Bestimmt. Würde man mich heute noch einmal vor die Wahl stellen, ein Label gründen zu können, würde ich es nicht tun. Die Marktlage ist in Deutschland einfach katastrophal, und wenn man sich die anderen Länder in Europa anschaut ist es nicht anders. Es ist also wirklich nicht einfach im Moment. Wir merken das nicht so extrem, und ich mache das immer daran fest, dass wir zum einen inhaltlich immer versuchen gute Produkte auf den Markt zu bringen, zum anderen aber auch sehr viel Wert auf die Verpackung legen. Wir versuchen, den Leuten für ihr Geld sowohl inhaltlich als auch verpackungstechnisch wirklich etwas zu bieten. Ich denke, es gibt immer noch viele, die dann auch bereit sind das Geld dafür auszugeben und sich die CDs nicht beim Kumpel zu brennen.
Detlev: Deswegen haben wir mit illegalen Downloads und ähnlichen Sachen auch nicht so ein Problem, wie sicher viele andere Labels. Manch einer hört möglicherweise schon erst einmal rein und guckt, ob es ihm gefällt, aber die meisten wollen dann eben doch das Gesamtprodukt oder das Gesamtkunstwerk in der Hand haben. Sie wollen ein schönes Booklet sehen, schöne Fotos, sie wollen die Texte lesen und sie haben immer das Gefühl, etwas Wertiges in der Hand zu haben, wenn sie ein InsideOut-Produkt haben. Das ist gut so und auch ein roter Faden, der sich durch all unsere Produkte durchzieht, wenn sie auch stilistisch mittlerweile recht breit gefächert sind und nicht mehr so speziell, wie sie es am Anfang mal waren.
Michael: Stimmt. Das ist unser Kopierschutz. Den Kopierschutz vom Presswerk kann man ja jederzeit knacken, die halten alle nicht lange. Wir haben immer versucht, das wirklich so wertig wie möglich zu machen und den Leuten für ihr Geld auch etwas zu bieten.
Könnt ihr vielleicht kurz die Zuständigkeiten im Label darlegen, wie es aufgebaut ist und wer für welche Aufgaben verantwortlich ist?
Michael: Klar. Thomas, der ja heute nicht da ist, macht die Geschäftsführung, ist also in erster Linie für alles Finanzielle und fürs Wirtschaftliche verantwortlich und macht nebenher auch noch A&R zusammen mit Jim. Wir haben drei Produkt-Manager in der Firma, das sind Dirk, Oliver und zum Teil auch ich. Ein Produkt-Manager kümmert sich um die Band xy, und wenn ein neues Produkt ansteht, macht er von vorne bis hinten alles dafür. Oliver übernimmt zusätzlich noch die Produktionsseite, das heißt, wenn alle Teile da sind, stellt er alles zusammen, und es muss Richtung Druckerei und Presswerk. Er kümmert sich darum, dass immer wieder nachbestellt wird, und dass der Vertrieb ausreichend versorgt ist. Dann haben wir Detlev, der die Deutschland-Promo macht und die Europa-Promo mit koordiniert. Dazu haben wir noch Peter, der die Europa-Promoter betreut und Susanne, die dem Detlev als Assistentin zur Verfügung steht. Maggie macht die Buchführung…
Detlev: Dann haben wir noch einen freien Grafiker, der Booklets macht, für Anzeigen zuständig ist, Hand-Flyer macht und so weiter. Der ist aber nicht hier angestellt, sondern frei, hat sein eigenes Büro in Düsseldorf und arbeitet uns zu.
Michael: In Amerika haben wir zusätzlich noch Bob und Jennifer, die dort Promotion und Marketing machen. Ich mache noch zusätzlich Marketing, ich kümmere mich europaweit um Anzeigenschaltung. Das sind die Gebiete, und vom Ablauf wird hier Hand in Hand gearbeitet. Nehmen wir mal als Beispiel die Band SPOCK´S BEARD. Sie sind im August letzten Jahres im Studio gewesen, haben eine neue Platte aufgenommen, das haben sie mit dem Geschäftsführer und A&R Thomas Waber alles geklärt. Sie haben ihren Vorschuss bekommen, gehen ins Studio, liefern nach etwa zwei Monaten einen Master ab. Das landet dann bei mir auf dem Tisch, weil ich der Produkt-Manager für die Band SPOCK´S BEARD bin. Ich sorge dafür, dass unser Grafiker Thomas Eberhard aus den Puschen kommt und das Cover und das Booklet gestaltet, ich besorge ihm die Informationen, die er dafür braucht, sprich die Texte und Credits, die da rein müssen, Thanks-Liste und so weiter. Das geht dann an Oliver, der alles zum Drucker schickt beziehungsweise zum Presswerk, wo es gefertigt wird, und dann geht es zum Vertrieb nach Hannover zu SPV. Und da wird dann verkauft.
Detlev: Bevor verkauft wird, bekommen wir hier die Stecktaschen-Promos, die ihr ja auch kennt, immer mit einem möglichst langen Vorlauf. Anzustreben ist, dass wir zwei bis drei Monate vor Veröffentlichung die Promos hier haben wollen, die wir dann zum einen hier in Deutschland streuen an Medienpartner im Bereich Print, Online, Radio, auch ein bisschen Tagespresse, und die wir andererseits an unseren externen Koordinator für die europäischen Promoter weitergeben. Der wiederum streut sie in jedem wichtigen Markt, wo auch Promoter sitzen, die sie, genau wie wir es von hier aus tun, an die Medien verteilen.
Michael: Entschuldige dass ich dich jetzt vergessen habe. Man muss immer an so viel denken. Das ist wirklich eine ganz automatische Sache, die man tagtäglich macht. Aber natürlich machst du, bevor das fertige Produkt kommt, erst einmal die Promo. Ohne Promo kriegen die Leute ja auch gar nicht mit, dass es die Platte gibt.
Detlev: Wenn sie im Laden steht, ist sozusagen die Arbeit getan.
SPOCK´S BEARD gehören zu den Zugpferden von InsideOut und sind eine der Bands, die schon fast von Anfang an dabei waren. |
Michael: Genau. Allerdings noch nicht ganz. Ist die Platte einmal draußen, geht es natürlich auch darum, dass Detlev regelmäßig Promo-Updates macht, damit der Vertrieb und die Leute, die die Platte verkaufen müssen, auch immer neues Futter bekommen. Dann kann man auch den Handel nochmal ein bisschen pushen, dass da vielleicht noch etwas mehr geht. Das einzige, was dann noch dazu kommen kann, wenn eine Platte draußen ist, dass die Promo weiter beobachtet werden muss, der Vertrieb mit den Informationen bestückt werden muss und dass eventuell eine Tournee ansteht. Tourneen machen wir selbst mittlerweile nicht mehr. Früher, als wir noch eine richtig kleine Firma waren, haben wir auch die Tourneen noch selber veranstaltet, das heißt, wir haben selber die Hallen gebucht, selber die Flüge für die Bands gebucht, das Merchandising in Auftrag gegeben, sind auch mit auf Tour gefahren, haben die T-Shirts dort verkauft und haben das Tour-Management gemacht. Das machen wir alles nicht mehr, das machen mittlerweile richtige Konzert-Agenturen. Aber auch die müssen natürlich gefüttert werden, benötigen Promo-CDs für die einzelnen lokalen Veranstalter. Zudem müssen Tour-Poster entworfen werfen, was auch wieder von uns bereitgestellt wird an Grundmaterial. Oft machen wir auch noch irgendwelche Marketing-Aktionen, die mit den Tourdaten zu tun haben. Aber nach vielleicht vier Monaten ist so eine Sache durch. Parallel laufen natürlich schon wieder andere und dann kann man sich um diese kümmern.
Könnt ihr vielleicht mal ein wenig Licht ins Dunkel zwischen Label und Vertrieb bringen? Es gibt ja InsideOut Music als Label, dann habt ihr Revisited Records, dann gibt es den InsideOut-Vertrieb und ihr lasst aber wiederum eure CDs über SPV vertreiben…
Michael: Ja, das ist eigentlich ganz simpel. SPV ist der Vertrieb, und SPV ist auch der einzige Vertrieb. Sie sind diejenigen, die die Platten europaweit für uns verkaufen. Die haben natürlich in verschiedenen Ländern ihre Partner, aber da wird verkauft. Bei uns gibt es den Begriff InsideOut-Vertrieb, weil wir auch Produkte mit ins Haus nehmen, die wir nicht auf das InsideOut-Label packen. Es gibt Bands, die ihr eigenes Label haben, zum Beispiel ARENA mit ihrem Verglas-Label. Mit denen haben wir einen Vetrag. Wenn sie eine neue Platte machen, geht diese in diversen europäischen Ländern über uns in den Handel. Das heißt aber nicht, dass es ein InsideOut-Produkt ist, sondern es bleibt ein Verglas-Produkt, es wird aber von uns gehandlet. Eigentlich passiert genau das gleiche damit, nur dass wir es nicht herstellen müssen. SPV bekommen dann direkt von denen die Ware geliefert, aber wir machen trotzdem die Promotion, wir machen auch das Marketing und alles andere bis auf die Herstellung. Das gleiche gilt für GEP, das Label, mit dem wir angefangen haben. Wir bekommen ein fertiges Produkt angeliefert, machen alles andere, aber stellen nicht selber her und verdienen dann eine gewisse Marge mit daran.
Revisited Records ist ein neues Baby, welches wir jetzt mit den ersten KLAUS SCHULZE-Re-Releases ins Leben gerufen haben. Es handelt sich dabei um ein reines Re-Issue-Label, welches wir neu gegründet haben. Darauf sollen in Zukunft interessante CDs veröffentlicht werden von Dingen, die es teilweise nicht gibt oder schon lange nicht mehr gibt. Wir legen uns da musikalisch gar nicht fest. Wir haben zurzeit konkret KLAUS SCHULZE mit seinem Back-Katalog von 53 CDs, die wir machen, und den AMON DÜÜL II-Katalog mit ca. 13 CDs. Wir sind zudem in Zusammenarbeit mit SPV auf der Suche nach weiteren Sachen – im Krautrock-Bereich, im Elektronik-Bereich, aber auch in ganz anderen Bereichen. Das kann auch Blues sein, da legen wir uns nicht fest. Wir orientieren uns da auch an anderen Re-Issue-Labels, die es bereits gibt. Revisited Records ist einfach ein neues Standbein, das wir uns jetzt schaffen wollen.
Und welchen Sinn hat es das auszugliedern?
Michael: Dem einen anderen Namen zu geben? Ganz einfach, InsideOut Music steht nun mal für etwas anderes und nicht für ein Oldie-Label. Revisited Records ist ein Oldie-Label.
Es ist also doch so, dass man da Imagepflege betreiben muss…
Michael: Ja natürlich, es ist einfach etwas anderes. Ich kann eine IKE & TINA TURNER-Platte, die 40 Jahre alt ist, nicht auf einmal auf InsideOut herausbringen. Das ist der Gedanke dahinter, das anders zu nennen, damit auch wirklich jeder weiß, dass es sich um ein Revisited-Release handelt, dass es somit etwas Altes und ein Re-Issue ist.
Detlev: Es ist einfach eine neue Marke, Revisited Records. So wie auch InsideOut eine Marke ist, wo jeder, der den Markennamen liest, etwas damit verbindet. Das, was er damit verbindet, kann sich auch im Laufe der Zeit behutsam verändern. Am Anfang war das klassischer Prog-Rock wie IQ und Prog-Metal, und inzwischen öffnen wir uns ein bisschen. Das Eine ist, dass wir zum Beispiel ASIA unter Vertrag genommen haben, die eher Melodic Rock der Mainstream-Richtung sind, also ein sehr breites potenzielles Publikum ansprechen. Andererseits haben wir auf InsideOut so etwas wie HAPPY THE MAN wieder ausgegraben, eine Prog-Band, die in den USA Mitte der Siebziger einen recht hoch gehandelten Geheimtipp-Status hatte und die eher zur Frickel-Fraktion gehört. Inhaltlich also alles etwas breiter, aber es ist eine runde Sache, da passt eins zum anderen und nichts haut raus. Wenn man nun eine IKE & TINA TURNER-Platte mit reinpackt, stimmt es irgendwie nicht mehr, es würde die Marke verwässern.
Kann mit einem rekordverdächtigen Back-Katalog von 53 CDs aufwarten, die über das Label Revisited Records wiederveröffentlicht werden: KLAUS SCHULZE |
Michael: Ich komme auch auf IKE & TINA TURNER, weil das tatsächlich das erste Ding war, das ursprünglich im Gespräch war, dann kam es aber doch nicht dazu, stattdessen war es eben KLAUS SCHULZE (lacht). Und was InsideOut betrifft, so stehen wir für viele wirklich für Progressive Rock und Progressive Metal. So hat es mal angefangen, aber wir sind mittlerweile in so vielen Bereichen unterwegs, die irgendwo zwar artverwandt sind…
Detlev: Wir haben zum Beispiel einen RAY WILSON, den ehemaligen GENESIS-Sänger, der mit seiner letzten Platte eher in Richtung Singer/Songwriter unterwegs war, der aber natürlich schon Sinn macht in diesem Zusammenhang, denn er war mal bei GENESIS und er gehört somit in diesen Gesamtzusammenhang herein.
Michael: Oder das CALIFORNIA GUITAR TRIO. Die Jungs haben mal mit KING CRIMSON getourt, haben auch eine Platte mit Pat Mastalotto und Tony Levin von KING CRIMSON gemacht, die aktuelle Scheibe wurde von Tony Levin produziert. Auch wenn es musikalisch etwas ganz anderes ist, irgendwo sind die Leute doch immer zu finden.
Von RAY WILSON habe ich auch, als das Album erschien, eine Radio-Werbung gehört.
Michael: Eine Radio-Werbung? Aber nicht von uns, oder? Ganz bestimmt nicht, ich mache ja hier das Marketing (lacht).
Detlev: Aber du musst wirklich sagen, dass oft Sachen passieren, die man gar nicht mehr im Blick hat, wie auch bei den Promos. Wenn man die an eine zentrale Stelle schickt, verliert man oft aus dem Blick, wohin sie dann weitergehen. Man hat so viele Ansprechpartner, man verteilt so viel und ist eigentlich schon wieder beim nächsten Thema. Da passieren oft so viele Dinge. Vielleicht gab es auch mal einen Radiobeitrag, der wie ein Werbe-Spot aufgemacht war.
Michael: Das kann natürlich sein, vielleicht im Zusammenhang mit einem Konzert oder eine Werbung von einem örtlichen Veranstalter… aber worauf zielte deine Frage?
Darauf, ob ihr so etwas öfter macht, oder ob es sich aufgrund des Mainstream-Potenzials von RAY WILSON um eine Ausnahme handelte.
Detlev: So etwas machen wir eigentlich gar nicht. Bezahltes Marketing findet nur im Bereich von Print-Anzeigen statt.
Michael: Wo sollten wir mit unserer Art von Musik – ich nehme jetzt einfach mal den Durschnitt – Radio-Werbung schalten? Das macht keinen Sinn. RAY WILSON ist halt sehr mainstreamig.
Detlev: Er ist fast radiotauglich. Deswegen gab es ja auch eine Single und deshalb haben wir auch einen professionellen Radio-Promoter – so einen haben wir nicht im Haus – beauftragt und versucht die Single anzuschieben, aber es hat nicht wirklich funktioniert.
Michael: 2003, mit der ersten Single, die wir gemacht haben, vom „Change“-Album, hat es bei einigen Sendern wirklich sehr gut geklappt.
Detlev: Es gibt auch in den Öffentlich-Rechtlichen Nischen oder einzelne Redakteure, die schon mal was von uns spielen, aber das kann man nicht vergleichen mit einer Kommerz-Single wie von ROBBIE WILLIAMS oder ANASTACIA, die dort rauf und runter laufen. Du dringst dort mit unseren Themen einfach nicht so durch.
Michael: Mit RAY WILSON haben wir bei WDR2 mal eine C-Rotation gehabt, das heißt, das Stück lief drei- oder viermal am Tag.
Um die Singleauskoppelung des aktuellen RAY WILSON-Albums in die Rotation zu bekommen, wurde ein professioneller Radio-Promoter beauftragt. |
Detlev: Radio-Promotion ist auch ein eigener Job, dafür braucht man eigenes Knowhow. Radio-Promoter schnüren ihre Vertreter-Koffer, packen ihre aktuellen Singles rein und marschieren zu den den öffentlich-rechtlichen Sendern, kennen dort idealerweise die Redakteure und gehen einmal in der Woche oder einmal im Monat – ich habe keine Ahnung, wie oft sie das machen – gezielt zum Redakteur und versuchen das inb die Rotation in den Radios reinzubringen. Wir von hier aus machen auch Radio-Promotion, diese ist aber beschränkt auf kleinere und Kleinst-Radiosender, dort wo die Leute sitzen, die – wie im Internet ihr – unsere Art von Musik mögen. Da gibt es Offene Kanäle, da gibt es Bürgerfunk, da gibt es ab und an einen im Öffentlich-Rechtlichen, auf den wir stoßen. Die bekommen Sachen von uns und spielen es auch, aber das muss man ganz klar trennen von dem großen Radio, von den großen Privaten oder den Öffentlich-Rechtlichen. Da machst du mit unserer Art von Musik nur ab und an mal einen Glückstreffer.
Ihr seid ja ein Label, das stark auf Alben fixiert ist. Sind dann für euch solche Konzepte wie iTunes Music Store überhaupt interessant, was ja mehr auf der Idee basiert, sich einzelne Songs herauszupicken und herunterzuladen?
Michael: Du kannst dich nicht davor verschließen, natürlich ist es nicht uninteressant. Mich persönlich, ich kann da nur für mich sprechen, interessiert so etwas überhaupt nicht. Ich bin ein Fan, der, wenn er sich für irgendeine Band oder einen Künstler interessiert, ein festes Produkt in der Hand haben muss. Da kann ich mit einer Sache, die ich als mp3 habe, nichts anfangen. Aber trotzdem ist das die Zukunft, man darf sich nicht davor verschließen. Thomas ist aktuell auch nicht da, weil es in Hannover genau darum geht. Klar, da sind wir natürlich auch am Ball, aber ich wage es zu bezweifeln, dass das mit unserer Art von Musik einen großen Durchbruch haben könnte, wenn man da einzelne Sachen als Download anbietet.
Detlev: Ich muss allerdings sagen, dass auf unserer Homepage der mp3-Bereich, also der Bereich, wo du mal etwas vorhören kannst, sehr stark frequentiert ist. Die Leute möchten schon testen und reinhören. Das können sie bei uns umsonst. Ob sie es auch annehmen würden in Online-Shops zum bezahlten Download, käme auf einen Versuch an.
Michael: Ist angedacht, wird auch dran gearbeitet, aber ist nicht unbedingt die höchste Priorität hier (lacht).
Differenziert ihr eigentlich bei verschiedenen Veröffentlichungen, wen ihr mit Promo-CDs bemustert, oder habt ihr einen großen Verteiler und schickt die Promos unabhängig davon, um welchen Künstler es sich handelt, immer an alle Adressen, die da drin stehen?
Detlev: Es gibt undurchdachte und durchdachte Pressearbeit. Durchdachte Pressearbeit bedeutet, dass du dir speziell im Printbereich schon überlegst, wem du was schickst. Ich muss ein RAY WILSON-Album nicht an Orkus oder Zillo schicken, damit macht man sich auch keine Freunde. Wir verschicken einmal im Monat alle aktuellen Veröffentlichungen, die Stecktaschen-Promos, im Bereich Print, und dann verschicken wir sie in einem zweiten Durchgang an die Bereiche Online, Radio und Tagespresse. Im Print-Bereich wird für jedes Produkt genau überlegt, ob die Redaktion A oder der Freie B, der bestimmten Redaktionen zuarbeitet, die Platte bekommt oder nicht. Ich drucke jedes Mal 100 bis 120 Etiketten aus, jedes Etikett wird beschriftet und es wird genau gesagt, wenn wir vier Themen verschicken: „Der hier kriegt Thema 1 und 3, der andere 1, 2 und 4 oder er kriegt alle.“
Nicht so genau sortieren oder auseinander halten kann man es, aber nur aus Man-Power-Gründen, im Bereich Radio und Internet. Da ist es einfach so: Ich bemustere 60 oder 70 Radio-Leute, diese Radio-Leute haben manchmal einen Schlag in die Heavy-Richtung, manchmal haben sie einen Schlag in die Prog-Richtung. Da kriegen von mir alle alles, weil ich es einfach nicht schaffe, jeden Monat noch genauer auseinander zu sortieren, und da denke ich mir: „Die einen, die Metal mögen, mögen auch schon mal Prog“. Manchmal ist es so in der Mitte, das kann man ihnen auf den Tisch legen, ohne sie zu verärgern. Wenn dann mal nichts dabei ist, tun sie es auf die Seite, dann haben wir Pech gehabt. Ähnlich ist es im Internet-Bereich. Ihr bekommt von mir genauso ein JAMES LABRIE-Album wie ihr ein RAY WILSON-Album bekommt, weil ich eure Seite kenne und weiß, das kann dort alles stattfinden. Wüsste ich, irgendetwas ist für euch völlig abseitig, würde ich es vielleicht heraustun. Wenn ich einen Versand mit fünf Themen habe, würde ich es aber wahrscheinlich auch drin stecken lassen, weil ich mir sage: „Vier passen schon!“, und du musst auch einfach zusehen, wie du mit der Zeit klarkommst.
Bei den großen Print-Magazinen gilt aber die eherne Regel, dass sie natürlich nur etwas kriegen, was theoretisch auch stilistisch bei ihnen ins Heft passt, alles andere ist sinnlos und sie sind genervt, denn diese Redaktionen werden jeden Monat, wie ihr vermutlich auch, zugeworfen mit Zeug. Natürlich muss man auch telefonisch nachfragen, sonst geht bei den meisten Magazinen nichts. Es gibt die Magazine, bei denen wir Anzeigenkunden sind, natürlich, da findet man in der Regel offene Türen vor mit unseren Themen. Aber bei vielen Magazinen, gerade bei HiFi-Magazinen, muss man kämpfen für jede Platte, die dort untergebracht werden soll. Stereo, Stereoplay, Audio, Audio Video Foto-Bild und so weiter, da muss man wirklich um jeden Abdruck kämpfen, und diese Redakteure darf man um Gottes Willen nicht nerven, indem man ihnen Zeug auf den Tisch legt, das sie auch theoretisch nicht brauchen können. Das wäre ganz kontraproduktiv.
Michael: Ja. Wir arbeiten hier also nicht nach dem Gießkannen-Prinzip.
Detlev: Ganz genau, das wäre definitiv das Schlimmste, was man machen kann.
Das Solo-Album des SYMPHONY X-Sängers erscheint Ende April. |
Und wie sieht es ansonsten aus mit den Marketingkonzepten, arbeitet ihr da bei allen Bands gleich, oder versucht ihr da auch zu differenzieren?
Michael: Da gibt es schon Prioritäten. Habe ich ein neues SYMPHONY X-Album, dann mache ich definitiv größere Anzeigen und lege den Schwerpunkt auch eher auf eine Band wie SYMPHONY X, als wenn ich die neue KAIPA promote, die dann zwar mit in die Anzeige kommt, aber dementsprechend kleiner. Da gibt es schon Unterschiede. Natürlich machen wir uns vorher auch Gedanken, welche Verkaufserwartungen wir von einem neuen Produkt haben, und danach richtet sich auch in etwa die Größenordnung des Marketings.
Anzeigen sind bei uns in der Regel eine halbe Seite quer oder eine drittel oder viertel Seite hoch. Und dann gibt es noch unseren Katalog, den wir grundsätzlich bei unseren CDs dazulegen, um die Leute darüber zu informieren, was es als Nächstes gibt. Dort kommt vorne groß immer das drauf, was aktuell ist, da lege ich keinen Wert auf Prioritäten. Da ist jetzt das SPOCK´S BEARD-Album, das beim letzten Mal groß war, klein, aber das JADIS-Album, das jetzt wiederveröffentlicht wird, kommt groß drauf, weil es jetzt aktuell ist. In Anzeigen mache ich das aber schon anders. Alle vierzehn Tage machen wir auch eine Mitarbeiter-Runde, wo solche Dinge auch besprochen werden.
Da findet dann auch eure Ideenfindung in dem Bereich statt?
Michael: Ein bisschen kreativ ist man da natürlich auch, aber es geht auch viel ums Tagesgeschäft. Was steht an, was gibt es, welche Priorität hat es und so weiter. Kreativ ist dann vielleicht eher wieder jeder einzelne für sich bei der Frage, was er machen kann und wie er es umsetzt. Dabei sind die Möglichkeiten jedoch auch eher bescheiden, was eher am Zeitfaktor liegt, weil die Firma mittlerweile auch eine Größe hat und einen Output hat, der bearbeitet werden muss. Kreativ ist man dann auf dem Weg nach Hause oder unter der Dusche (lacht).
Detlev: Insgesamt ist die Arbeit bei einem Platten-Label, glaube ich, wesentlich weniger abenteuerlich und aufregend als man es sich allgemein vorstellt. Du hast es natürlich mit einer interessanten und spannenden Materie zu tun, und ich mache lieber Pressearbeit für Rockmusik als für Babywindeln, aber jeder von uns hat es überwiegend mit Routineabläufen zu tun. Klar, es kommt mal ein Musiker vorbei, aber das ist auch nur die ersten drei Male richtig aufregend. Ich glaube, das stellt man sich oft viel spannender vor von außen als es tatsächlich ist. Die Materie an sich ist schon faszinierend und macht Spaß.
Michael: Das ist ja das Schöne. Fast jeder, der hier arbeitet, ist auch hobbymäßig sehr mit Musik verbunden. Das macht es natürlich schön, so etwas auch beruflich machen zu können. Aber im Grunde genommen ist der Plattenfirmen-Job ein Büro-Job, das ist einfach so.
Glaubt ihr, dass der Einfluss von Online-Magazinen von den meisten Promotern unterschätzt wird?
Detlev: Ich glaube, dass er von vielen Marketing-Leuten unterschätzt wird. Bei einem Online-Magazin sehe ich auf den ersten Blick, ob es regelmäßig gepflegt wird, ob dort jemand ist, der zwei oder drei Sätze sinnvoll, vernünftig und einigermaßen stilvoll aneinander hängen kann. So siebe ich schon mal aus, wen ich eigentlich bemustere und wen nicht. Was man nicht immer schlüssig nachvollziehen kann ist, wie sie frequentiert werden. Da sind zwar oft Zähler und Statistiken auf der Seite, aber, auch wenn ich nichts von Technik verstehe, denke ich, dass man da auch schummeln kann. Man entwickelt schon ein Gespür dafür, ob eine Seite akzeptiert und frequentiert ist. Wenn kluge Leute in der Plattenfirma sitzen, würden sie sicherlich auch, sofern sie das Budget haben, in Erwägung ziehen bezahlte Banner-Werbung zu schalten. Aber so wie es im Augenblick im Allgemeinen in der Musikindustrie aussieht, nehmen die meisten davon Abstand, weil sie schlicht und ergreifend, wenn sie ihre Print-Anzeigen schalten, ihr Budget abgefrühstückt haben. Und diese müssen sie schalten, weil das einfach immer noch die klassischen Magazine sind.
Es besteht natürlich die Gefahr, dass man eine Entwicklung übersieht. Online ist aktueller, online kann spannender sein als eine Zeitschrift zu lesen und zu benutzen, es ist interaktiv, jeden Tag aktualisierbar. Ich denke, es gibt die Gefahr, dass man übersieht, dass sich da Prioritäten verschieben. Wenn du einfach immer in der Zeitschrift Heavy, oder was!? deine Anzeige drin hattest, kriegst du vielleicht gar nicht mit, wenn da die Auflagen bröckeln, vielleicht könntest du in einem gut besuchten Internet-Magazin mehr Breitenwirkung erzielen. Es besteht die Gefahr, dass man es vielleicht übersehen würde. Was wir uns jetzt ausgedacht haben, ist, bei Themen, wo wir glauben, dass es zu vielen Online-Magazinen passt, Banner zur freien Verfügung anzubieten. Als Dankeschön bieten wir für Leute, die da mitziehen, Finished Products zum Verlosen an, weil wir schlicht kein Geld haben für bezahlte Banner-Werbung. Das funktioniert auch ganz gut bisher.
Ich glaube, die Breitenwirkung von Online-Magazinen wird weithin unterschätzt, und ich bin bemüht, dass mir kein gutes Online-Magazin durch die Lappen geht und habe auch einen breiten solchen Verteiler. Ich werfe aber auch Magazine heraus, wenn ich merke, dass es in die stümperhafte Richtung geht, und da gibt es ganz viele von, die kriegen nichts, das ist sinnlos. Aber so ein Magazin wie euch, ohne herumschleimen zu wollen, dem sieht man an, dass es mit Liebe gemacht ist, dass es regelmäßig aktualisiert wird, und es macht Spaß die Texte zu lesen, das ist auch nicht bei allen der Fall. Es gibt allerdings bestimmt zwei Dutzend Magazine in Deutschland, die ähnlich gut gemacht und ähnlich ansprechend aufbereitet sind.
Der zweite Teil dieses Labelportraits wird in Kürze folgen.
Interview: doomster und ruuud
Layout: doomster
Fotos: InsideOut Music
Website: http://www.insideout.de