Vor etwa einem Monat präsentierten wir euch den ersten Teil unseres InsideOut-Labelspecials, bei dem Vize-Geschäftsführer Michael Schmitz und Detlev Schmidt, der für Presse und PR verantwortlich zeichnet, doomster und ruuud Rede und Antwort standen. Lest nun den zweiten Teil dieses Gespräches über Label-Sammler, Re-Releases, Soloprojekte und vieles mehr.
Lasst uns jetzt mal mehr über die Bands sprechen. Bei euch kann man beobachten, dass ihr recht viele etablierte zu euch holt, oft auch Projektbands bekannter Musiker. Versucht ihr auch neue Leute ins Geschäft zu bringen und diese von Anfang an zu begleiten?
Michael: Das haben wir ja auch gemacht und versuchen es auch immer noch. Bei einer Band wie SYMPHONY X sind wir beispielsweise seit dem zweiten Album mit dabei, also auch recht früh. Das gleiche gilt für eine Band wie ENCHANT, die auch immer noch bei uns sind. SPOCK´S BEARD haben wir auch von Anfang an begleitet. Da gibt es noch einige Beispiele, etwa JADIS. Wir haben Bands groß oder größer gemacht und sind von Anfang an dabei. Und dann gibt es diese Projekt-Sachen, die ja nicht zwingend von uns inszeniert werden, sondern an uns herangetragen werden. Wenn Mike Portnoy mit der Idee kommt mit NEAL MORSE und Roine Stolt von den FLOWER KINGS und Pete Trewavas von MARILLION eine Platte machen zu wollen, dann schreien wir natürlich hier und wollen die machen! Das ist klar, aber es ist nicht so, dass wir nur darauf setzen. Es ist sicherlich einfacher zu vermarkten und auch einfacher zu verkaufen, aber ich sehe das nicht so, als wenn wir das ausschließlich machen würden. Natürlich, Newcomer auf InsideOut sind vielleicht weniger geworden, weil wir unseren Katalog jetzt erst einmal pflegen, aber wir versuchen es immer wieder. Es kommen auch immer wieder neue Sachen dazu. PAATOS ist für mich so ein Beispiel. Oder UMPHREY´S MCGEE ist für mich etwas Neues, eine Jam-Band.
Detlev: Auch etwas Ungewöhnliches für unsere Verhältnisse.
Michael: Ja und wir haben im letzten Jahr z.B. TOC gemacht, eine komplett neue Band. Also immer wieder mal etwas Neues, aber wir haben natürlich mittlerweile auch einen richtig fetten Katalog und auch produktive Künstler, die ständig mit neuen Produkten kommen. Da ist auch noch Bedarf. Klar, ich weiß genau, was du meinst: Da kommen dann die ganzen Soloprojekte noch dazu. Bei den FLOWER KINGS macht der Keyboarder noch etwas und der Gitarrist ist dann noch bei einer anderen Band. Auch der Sänger von VANDEN PLAS macht sein Soloding.
Detlev: Oftmals ist es aber auch so, dass du Solointerpreten, die eigene Platten veröffentlichen, erst einmal zeigst, dass du gute Arbeit machst, und irgendwann bekommst du dann auch die Anfrage von ihrer Hauptkapelle, die vielleicht ab dem übernächsten Album keinen Vertrag mehr hat, und dann sagt einer: Hallo, ich habe hier für meine Solosachen ein Projekt, da bin ich gut aufgehoben, die machen gute Arbeit. Denken wir doch mal drüber nach, ob wir da nicht mit unserer Band hingehen. So etwas fließt natürlich auch oft in die Überlegungen mit ein, das ist klar.
Michael: Klar, da kannst du dich nicht von freisprechen. Das ist logisch, aber das ist nicht der Hauptgrund, um so etwas zu machen. Das würde ja unter Umständen bedeuten, dass man irgendetwas macht, bei dem man musikalisch nicht dahinter steht. Nein, in erster Linie geht es darum, dass es musikalisch interessante Projekte sind, die auch irgendwo zu uns passen und wo wir dahinter stehen können. Dann schreien wir natürlich hier, dann wollen wir das machen!
Dazu fällt mir gerade Jonas Reingold von den FLOWER KINGS ein…
Michael: Den wir nicht gemacht haben! Da haben wir explizit gesagt: So, das machen wir mal nicht.
Ich hatte ein Interview mit ihm, da hatte er schon zur Hälfte des Jahres bei etwa 15 CDs mitgespielt.
Michael: Jonas ist ein Berufsmusiker, der spielt überall mit.
Detlev: Roine übertreibt es teilweise auch ein bisschen.
Michael: Ja, bei Jonas war es tatsächlich so mit seinem KARMAKANIC. Weil wir schon Thomas Bodin als Keyboarder bei seinen Solo-Sachen unterstützen und Roine ständig auf irgendwelchen Hochzeiten tanzt, haben wir da gesagt, dass wir nicht noch etwas machen können, das mit den FLOWER KINGS zu tun hat. Es geht einfach nicht, da du die Leute dann irgendwann übersättigst. Wir haben ihn deswegen gebeten, sich jemand anderen zu suchen. Das hatte noch nicht einmal damit zu tun, dass wir die Platte schlecht fanden. Wir mussten die Bremse ziehen, wir können einfach nicht alles machen.
Detlev: Die Platte hat gute Kritiken bekommen, aber ich komme jetzt gerade auch nicht darauf, auf welchem Label die erschienen ist.
VANDEN PLAS wurden bereits erwähnt. Das ist eine der wenigen Bands von euch, die aus Deutschland kommen.
Michael: Ich glaube wir haben zwei, VANDEN PLAS und POVERTY´S NO CRIME.
Und natürlich die entsprechenden Nebenprojekte wie ABYDOS.
Detlev: RPWL haben wir noch im Vertrieb.
Michael: ANYONE´S DAUGHTER müsste man dann auch noch erwähnen. Reichlich wenig.
Habt ihr eine Erklärung dafür? Sind die deutschen Musiker zu untalentiert?
Michael: Ich glaube, das hat nicht damit zu tun, dass es in Deutschland keine guten Musiker gibt. Das ist ja nicht so, es gibt auch in Deutschland tolle Sachen. Wir sind anscheinend noch nicht darauf gestoßen. Wenn man mal auf die Demos schaut, mit denen wir täglich zugeschüttet werden, dann ist das aus deutschen Landen meistens Neo Progressive Rock. Da sind wirklich viele dabei, die nicht über den Proberaumstatus hinaus kommen. In solchen Fällen müssen wir nein sagen, da gibt es die Engländer oder Amerikaner, die einfach besser sind. Das ist einfach so, da gibt es, glaube ich, keine Erklärung für. Da würde ich mich auch nur verzetteln, wenn ich versuchen würde zu erklären, warum wir so wenige Deutsche haben.
Detlev: Es gibt deutsche Bands, die interessant sind, THE AMBER LIGHT zum Beispiel. Ich habe auch manche Platte von denen, aber entweder ein anderes Label war schneller oder sie waren vorher auch mal bei uns. Meistens waren sie vorher bei uns.
Michael: Wir versuchen einfach Künstler unter Vertrag zu nehmen, die eine gewisse Eigenständigkeit haben. Bands, die nicht klingen wie der fünfte GENESIS-Klon oder der sechste DREAM THEATER-Klon. Wir kriegen aus Italien jeden Tag CDs ohne Ende. Die klingen alle wie SYMPHONY X. Wir haben SYMPHONY X unter Vertrag, wir brauchen nicht noch eine Band, die so klingt. Wenn wir eine Band aus einem Segment haben, dann brauchen wir nicht noch eine Band, die genauso klingt. Das macht keinen Sinn.
Das Cover der BE-Live-DVD |
Wie groß ist euer Einfluss auf das fertige Produkt, musikalisch gesehen? Über ihr musikalisch keinen Einfluss aus?
Michael: Nein, überhaupt nicht. Nur wenn wir gefragt werden, aber grundsätzlich nicht. Bei uns hat jeder Künstler freie Hand. Wir werden bei manchen Künstlern mit eingebunden, wenn es darum geht eine Auswahl zu treffen, welche von den 20 Songs auf das Album kommen sollen oder in welcher Reihenfolge die Songs auf das Album kommen sollen.
Natürlich gibt es auch manchmal Überlegungen, dass man sich nach einer Platte nach einer gewissen Zeit zusammensetzt und es steht ein neues Album an. Dann kommen manchmal schon Fragen, was oder ob mal etwas anders gemacht werden soll. Unsere Meinung wird also schon manchmal gefragt, aber Einfluss, in der Form, dass wir sagen, wie der Künstler etwas zu tun hat, nehmen wir nicht.
Das widerstrebt ja auch dem Grundgedanken der progressiven Musik.
Michael: Wir sind noch nie auf den Gedanken gekommen, jemandem zu sagen, was er machen soll. Ich bin ja nicht der Künstler.
Nehmen wir mal das aktuelle PAIN OF SALVATION-Album. Wart ihr euch da vorher vielleicht schon bewusst, dass das bei den Fans nicht ganz so gut ankommen würde? Die Kritiken ganz allgemein waren nicht so gut.
Michael: Das ist so ein Album – entweder man liebt es oder man hasst es.
Detlev: Manche meinen, Daniel Gildenlöw habe jetzt den letzten Grad der Genialität erreicht. Andere haben gemeint, jetzt spinnt er total.
Michael: Als er das Album abgeliefert hat, war uns schon klar, dass das eine schwierige Sache sein würde. Wenn man da vom wirtschaftlichen Denken her rangeht, dann sagt man sich auch, dass die Band eigentlich ein Album hätte abliefern müssen, das eine Ecke heavier ist. BE ist ja alles andere als ein hartes Album.
Detlev: Als wir ihn baten uns ein paar Zeilen Info zum Konzept des Albums zukommen zu lassen, wie viele DIN A4-Seiten hat er uns da geschrieben?
Michael: Zwölf waren es, glaube ich. Das waren dann nachher 20 im Promo-Booklet. Um bei PAIN OF SALVATION zu bleiben: Ich mag nicht in irgendeiner Form über Daniel herziehen oder beurteilen, ob das genial ist oder nicht. Das ist sein Ding, und man kann dazu stehen, wie man will. Wir haben ihm ermöglicht das Album zu veröffentlichten, das ist das, was er machen wollte. Wir haben keinen Einfluss geübt, sondern ihn einfach machen lassen.
Es verkauft sich auch. Es ist Potenzial da und Fans, die das gut finden. Es gibt zwar auch Kritiken, die eher das Gegenteil behaupten, aber die wirst du bei jeder Platte haben.
Habt ihr auch Bands im Programm, die ihr – sozusagen – nur noch aus Liebe zur Musik im Programm habt. Bands, die sich vielleicht nicht so verkaufen, wie ihr euch das vorstellt?
Michael: Ja, alle. (lacht) Wir haben alle Bands bei uns aus Liebe zur Musik im Programm.
Bands, die ihr weiter unterstützt, auch, wenn sie vielleicht keinen Profit machen?
Michael: Nein, die gibt’s eigentlich nicht. Es gibt Bands, die sich weniger verkaufen als andere, die sich aber immer noch tragen, die wir natürlich weiter machen. Man hat teilweise auch schon eine lange Geschichte miteinander, und das macht man dann weiter, auch wenn man nicht auf ein höheres Level damit kommt. Dann ist es vielleicht eher eine Sache, die plus/minus null ausgeht, aber man macht es selbstverständlich weiter, einfach aus der Geschichte heraus. Andersherum gibt es Sachen, die man neu ausprobiert und die nicht aufgehen und bei denen man es beim nächsten Mal bleiben lässt. Es ist schon eine recht familiäre Geschichte, würde ich sagen. Man hat mit vielen Musikern über viele Jahre Kontakte und man macht die Dinge dann einfach. Wenn es finanziell total in die Hose geht, dann lässt man es. Wir haben hier mittlerweile ein Unternehmen, das auch getragen werden muss. Da kannst du dir aus der Liebe heraus nicht leisten irgendwas zu machen, was sich gar nicht verkauft.
Habt ihr also nicht genügend Künstler, von denen ihr sagen könnt, die verkaufen genug, so dass andere mitfinanziert werden können?
Michael: Nein, haben wir nicht.
Gibt es auch das genaue Gegenteil? Cash-Cows, bei denen ihr sagt, die Musik geht so, aber es verkauft sich einfach klasse?
Michael: Nein, wir haben auf InsideOut keine Band, die wir nur des Geldes wegen machen. Die Band, die sich am besten verkauft, die wir unter Vertrag haben, ist SYMPHONY X, mit denen arbeiten wir seit 1995 zusammen. Warum arbeiten wir mit denen? Weil wir die Musik klasse finden. Mittlerweile verkauft die Band etwa 80.000 bis 100.000 Einheiten, Japan eingeschlossen.
Detlev: Man kann auch ruhig noch ein paar andere Spitzenverkäufe nennen. OSI ist mit dabei.
Michael: OSI ist ganz weit vorne, von denen dieses Jahr aller Voraussicht nach noch eine neue Platte kommen wird. SPOCK´S BEARD sind vorne mit dabei. TRANSATLANTIC war ein richtig großer Seller, momentan aber leider auf Eis gelegt. Andere Bands entwickeln sich richtig gut, wie zum Beispiel EVERGREY, PAIN OF SALVATION und DEAD SOUL TRIBE. AYREON ist natürlich ein richtiger Hammer, das verkauft sich richtig gut.
Bei DEAD SOUL TRIBE hatte ich beim Konzert in Essen letztes Jahr den Eindruck, dass es sich gut verkauft, da waren am Merchandising-Stand die CDs sogar zwischenzeitlich ausverkauft, während die Band zuvor manchmal nur vor ein paar Leuten gespielt hat.
DEAD SOUL TRIBE-Frontmann Devon Graves auf dem Rock Hard-Festival 2004 |
Michael: Mit der letzten Platte, The January Tree, hat es da wieder einen richtigen Schwung gegeben. Da ist auch Potenzial vorhanden. Zumindest sehen wir da welches, deshalb haben wir sie ja auch, nachdem sie mit THRESHOLD getourt sind, noch einmal mit RAGE auf Tour geschickt. Jetzt macht Devon eine neue Platte, und dann machen wir da weiter. Wir finden das, was er macht, auch richtig gut und ich denke, da ist definitiv Potenzial.
Detlev: Das ist gewitzt gemachte Musik. Die gefällt den alten Proggern, die hören da ihre Ecken drin, an denen sie aufhorchen. Aber man kann es auch ohne weiteres als moderne Musik hören.
Michael: Er mischt JETHRO TULL mit TOOL.
Wie sehen bei euch Verträge aus, die ihr mit Bands schließt? Geht das über eine bestimmte Anzahl von Alben oder sind die Verträge über Jahre geschlossen?
Michael: Das ist unterschiedlich. Das kann ich nicht genau beantworten, da ich die Verträge nicht mache. Ich weiß, dass es verschiedene Arten von Verträgen gibt. In den meisten Fällen ist es so, dass die Verträge über eine Zahl von Alben gehen und mit Optionen, also nicht über einen Jahreszeitraum. Der Vertrag ist allerdings an eine Jahreszahl gekoppelt, da man Verträge in der Regel über eine bestimmte Anzahl von Alben abschließt mit Option für fünf oder zehn Jahre.
Ist es eigentlich auch schon passiert, dass ihr einen riesigen Vertrag abgeschlossen habt und dann auf halber Strecke gemerkt habt, dass ihr mit dem Künstler gar nicht so gut könnt? Wie geht ihr in solchen Fällen vor?
Michael: Dann trennt man sich einfach.
Knallhart?
Michael: Nein, nicht knallhart, sondern mit einem Einverständnis. Du machst da dein Ding, arbeitest aktuell an einer Platte und wenn du dann wirklich an den Punkt kommst und siehst, dass es für beide Parteien nichts mehr bringt weiterzumachen, ziehen wir einfach unsere nächste Option nicht mehr. Das hat es auch schon gegeben.
Könnt ihr auch feststellen, dass sich Leute blind InsideOut-Alben kaufen, weil sie sich darauf verlassen können und wissen, was sie zu erwarten haben?
Michael: Ja, definitiv, die gibt es. Ich weiß, dass es sie gibt, weil sie hier manchmal anrufen.
Detlev: Labelsammler.
Michael: Labelsammler. Es gibt Leute, die jede InsideOut-Platte kaufen, weil sie die Nummer haben müssen. IOMCD 205 und als nächstes die 206. Denen ist ganz egal, was da drauf ist.
Habt ihr denn schon mal über ein Abo-System nachgedacht, bei dem solche Leute sämtliche Veröffentlichungen erwerben, diese dafür aber etwas günstiger bekommen?
Michael: Das ist eine gute Idee. Nein, da haben wir noch nicht drüber nachgedacht, aber das können wir jetzt tun (lacht). Ich glaube auch, dass es sicherlich Leute gibt, die vielleicht eher eine Platte kaufen, wenn InsideOut hinten drauf steht, als wenn es nicht hinten drauf stehen würde. Ich weiß es natürlich nicht, aber das kann ich mir vorstellen. Ich weiß, dass es Leute gibt, die das komplette Label sammeln. Aber ich denke, dass wir eine Marke geschaffen haben, bei der die Leute ein Produkt ausprobieren oder sogar blind kaufen, weil es bei InsideOut herauskommt und weil ihnen die Beschreibung oder eine Kritik im Internet zusagt.
Bekommt ihr auch viel Feedback von Leuten, die eure Platten kaufen? Wir sind ja eine klassische Anlaufstelle für Feedback. Ist das bei euch auch so?
Michael: Ja, wir haben ja auf unserer Internet-Seite ein Forum, in dem die Leute die Möglichkeit haben uns Nachrichten zukommen zu lassen. Da kommen natürlich Kommentare.
Detlev: Du bekommst unter Sammlern natürlich ein Feedback. Die Leute, die unsere Musik mögen, sind natürlich auch im Internet organisiert. Es gibt Mailinglisten und Diskussionsgruppen. Da merkst du natürlich schon, dass Platten diskutiert werden. Da haben Leute ein Album schon gehört, obwohl es erst in vierzehn Tagen erscheint, vielleicht weil sie jemanden kennen, der bemustert wird. Da merkt man, dass die Leute irre daran interessiert sind. Speziell im Bereich Online-Promo und auch Radio-Promo haben wir einfach deshalb sehr gute Karten, weil die Leute uns einen Gefallen damit tun. Das sind Leute, die machen ihr Radio oder ihre Website, weil sie sich für die Thematik interessieren. Denen habe ich eigentlich nur eine Platte anzubieten, im besten Fall dann eine fertige CD als Dankeschön, mehr kann ich diesen Leuten nicht anbieten. Trotzdem stürzen sie sich drauf und sind wirklich scharf darauf, worüber wir natürlich froh sein können. Gerade da merkt man auch, dass manch einer wie wir Musik-Junkie ist und viele Jahre intensiv Platten gesammelt hat. Es gibt Leute, für die ist es einfach ein sehr wichtiger Bestandteil ihres Lebens, neue Platten und vor allem gute Platten zu finden, und da bekommst du Feedback ohne Ende.
Habt ihr auch ungefähr eine Vorstellung, was das für Leute sind die eure Platten kaufen?
Michael: Nein, ich zumindest nicht. Ich könnte jetzt etwas sagen, aber ich habe keine Ahnung, ob das der Wahrheit entspricht.
Proggies waren oft die Nerd-Fraktion mit den schmutzigen Brillen und den ungewaschenen Haaren. Heutzutage ist das anders. – Detlev Schmidt über den typischen Prog-Hörer. |
Detlev: Empirische Erhebungen oder Marktforschungen gibt es nicht. Wir schauen uns in den Konzerten um, und manchmal stehen da nur ältere Leute herum, manchmal aber auch Leute, die um die 18 sind, dann freust du dich natürlich, weil du merkst: Es stirbt nicht aus. Es kommt beides vor und natürlich steht in einer bestimmten Art von Konzerten ein bestimmter Menschenschlag.
Michael: Ja, aber selbst das ist bei uns oft unterschiedlich. Wenn du zu einem SPOCK´S BEARD-Konzert gehst, siehst du genauso viele Metaller wie Normalos.
Detlev: Ich hab Mitte der Neunziger ein IQ-Konzert gesehen, das war, glaube ich, , in Hamburg. Damals waren sie hier noch nicht so bekannt. Es waren 60 Leute dort. Dann hat sich ein klassischer Prog-Hörer – zum Glück gibt es solche in dieser Ausprägung noch vereinzelt, auch wenn sie nicht in der Mehrheit sind – , einen Hocker geschnappt. Es war eine niedrige, kleine Bühne, und der Mann hat sich unmittelbar vor der Band aufgebaut. Und so saß er dort das ganze Konzert über. Ich habe gedacht, wenn ich der Musiker wäre, ich würde… (lacht)
Proggies waren oft die Nerd-Fraktion mit den schmutzigen Brillen und den ungewaschenen Haaren. Heutzutage ist das anders.
Michael: Nein, das ist nicht mehr so.
Detlev: Das ist eine ganz große Bandbreite. Das bekomme ich auch mit, wenn ich Redakteure aus dem Radio-Bereich am Telefon habe. Das sind Leute von 25 bis 55. Die Musik steht in einer bestimmten Tradition und in der einen Ausprägung ist sie traditioneller, da spricht sie eher Ältere an. Aber es gibt auch Sachen wie DEAD SOUL TRIBE, wo Alte etwas zum Aufhorchen finden und zum Glück auch jüngere hinzukommen. Das ist bunt gemischt, und zum Glück wird es wieder breiter, was das Publikum anbelangt. Auch in der Presse dringt man mit der Art der Musik wieder besser durch. Man merkt, wie man Land gewinnt. Wenn jetzt noch der Handel besser in Schwung käme oder so, wie er vor ein paar Jahren mal war, wären wir alle froh.
Ihr habt ja kürzlich von AYREON-Platten Re-Releases gemacht.
Detlev: Von allen AYREON-Alben haben wir Re-Releases gemacht. Fünf Stück gab es.
Teilweise sind die Re-Releases mit Bonus-Tracks angereichert, teilweise ohne. Welche Idee steckt dahinter? Wollt ihr das Material einfach besser zugänglich machen?
Michael: Die beiden The Universal Migrator sind ohne, weil er zum einen nichts hatte und beide Platten randvoll sind. Wir haben beide Einzelveröffentlichungen genommen und diese zum Preis von einer CD als Doppel-CD angeboten. Das ist kein musikalischer Bonus, aber man kriegt zwei zum Preis von einer. Bei Into The Electric Castle gab es auch kein Material oder es hätte vielleicht etwas gegeben, aber er wollte nichts draufpacken, weil es ein Konzeptalbum ist, genau wie The Universal Migrator. Da wollte er nichts hinter das Konzept packen, weil es einfach nicht gepasst hätte. Dafür gibt es auf beiden Scheiben einen Multimedia-Part. Dort gibt er ein Interview und Erklärungen zur Platte und bei der Actual Fantasy hat er sich richtig ins Zeug gelegt. Dazu gibt es sogar eine DVD. Die eigentliche CD ist komplett neu abgemischt und teilweise mit neuen Instrumenten aufgenommen. Das Schlagzeug und der Bass sind beispielsweise neu aufgenommen zu diversen Sachen. Dann gibt es eine Bonus-DVD, auf der der alte Stereo-Mix drauf ist und noch einmal ein Surround-Mix vom Neuen sowie ein Video-Clip. Da ist also richtig satt Bonusmaterial drauf. Bei der letzten, die wir gemacht haben, The Final Experiment, ist eine Bonus-CD dabei mit neun neuen Stücken.
Wenn ihr also Bonusmaterial macht dann richtig, dass es sich auch für die Leute lohnt, die Sachen zu kaufen, die die CD schon haben?
Michael: Ich finde, wenn es ein oder zwei Bonus-Tracks sind, reicht das schon. Wir bringen die Platte ja auch nicht nur einfach neu heraus und packen zwei Stücke hinten dran, sondern sorgen dafür, dass die Verpackung modifiziert und verbessert wird. Nicht, dass jetzt irgendein Deluxe-Digipack kommt, aber wir machen da ein schönes Slipcase drum, verschönern das Booklet und erweitern es in der Regel auch, unter anderem mit neuen Liner Notes. Wir versuchen es so interessant zu machen, dass es sich tatsächlich lohnt, sich das Album ein weiteres Mal zu kaufen. Wir versuchen es so zu machen, wie wir es gerne hätten. Wir haben die Platten vorher nicht gemacht, also versuchen wir jetzt, mit unserem Know-How, das Beste daraus zu machen. Nichts anderes machen wir da. Und wenn eben nur zwei Bonusstücke da sind, dann sind es eben nur zwei, und wenn es neun sind, dann sind es neun – super, da freut sich der Fan.
Wir das auch angenommen?
Michael: Von der Verkäufen her: ja. Sonst würden wir das nicht machen (lacht). Bei der einen Platte mehr oder weniger als bei der anderen, aber du kannst es machen und es lohnt sich auch das noch mal zu machen. Im Falle von SPOCK´S BEARD haben wir jetzt die ersten drei Platten neu veröffentlicht. Wir hatten sie ja vorher nicht, wir hatten sie zwar im Vertrieb durch GEP, aber nicht auf InsideOut. Wir haben uns jetzt die Rechte besorgt und die Platten selbst herausgebracht und versucht so gut wie möglich zu machen. Somit haben wir nun auch den kompletten Backkatalog der Band. Das Bestreben vollständig zu sein ist auch mit ein Grund so etwas zu machen. Revisited Records ist ja auch so eine Kiste. Das sind ebenfalls alte Sachen, bei denen man auch schauen muss, was man dazu bekommt. Ich habe gestern für Klaus Schulze die nächste Staffel fertig gemacht und kurz bevor ich die Verpackung freigegeben habe, hat er mich angerufen und gemeint, er habe noch zwei Stücke gefunden – und das war ursprünglich schon eine Doppel-CD, die randvoll war. Ich habe lange mit ihm hin und her überlegt, schließlich haben wir uns dazu entschieden eine dritte CD dazuzupacken. Er hatte noch ein über 13 Minuten langes Stück gefunden, was irgendwie passte. Ich war gerade dabei die Freigabe für ein Digipack zu geben, da ruft er mich wieder an, und jetzt habe ich 53 Minuten auf der dritten CD (lacht). Es ist klasse, wenn du so etwas kriegen kannst, dann muss es eben noch mit drauf, damit der Anreiz auch da ist, dass die Leute tatsächlich noch einmal Geld dafür ausgeben müssen. Die Idee dahinter ist einfach, das ganze Ding so ultimativ wie möglich zu machen. Besser geht es einfach nicht mehr, da ist jetzt alles drauf, was in irgendeiner Form dazu gehört.
…so dass es auf keinen Fall einen weiteren Re-Release geben kann.
Michael: Genau.
Ihr habt ja bei InsideOut hauptsächlich mit progressiver Musik zu tun. Hört ihr denn privat auch mal was anderes?
Michael: Ja, klar. Ich für meinen Teil höre zum Beispiel aktuell oder in den letzten Monaten sehr viel BUDDHA BAR. Das ist ein französischer Sampler mit ziemlich chilligen Klängen irgendwelcher DJs und geht ein bisschen in die House-Richtung. Das kannst du gut nebenbei hören. Wenn ich intensiv Musik höre, dann kann es die letzte SANTANA sein, die ich total klasse finde. DIDO finde ich ebenfalls super. Im Moment ist auch wieder OPETH im CD-Player, obwohl das ja schon wieder eher zu uns passt.
Haben die immer noch keinen neuen Plattenvertrag?
Michael: Nein, die haben noch keinen. Aber wir sind dran. (andächtige Stille)
Detlev: Ich würde sie ja nehmen. Ich finde, dass es zu jeder Zeit und zu jeder Phase der Rockmusik interessante Sachen gibt. Ich höre sie alle gerne. Das geht los in den späten 60er Jahren. Ich höre gerne Folk Rock, und neulich habe ich anhand einer Wieder-Veröffentlichung von Universal die erste THE CURE in die Hand bekommen. Da ist mir wieder aufgefallen, dass ich unbedingt THE CURE hören muss (lacht). Ich bin da recht offen. Auch Jazz höre ich ganz gerne mal. Absolut breit gestreut, aber Musik, die etwas Besonderes hat. Die gibt es in allen Epochen und in allen Stilrichtungen.
Michael: Ich höre natürlich auch Job-bedingt unsere Sachen und höre sie auch privat, weil ich sie hier im Büro nicht vernünftig hören kann. Mein Platz zum Musikhören ist mein Auto. Da höre ich wirklich richtig Musik. Ich habe auch meine InsideOut-Highlights, die ich immer wieder spiele. Ganz klar.
v.l.n.r.: InsideOut-Vize-Geschäftsführer Michael Schmitz, Detlev Schmidt (Presse und PR), ruuud und doomster |
Wollt ihr uns noch einen kleinen Ausblick auf die Zukunft geben? Was habt ihr mit InsideOut noch vor? Mehr Qualität oder mehr Quantität?
Michael: Qualität statt Quantität. Also nicht noch mehr. Wir sind eigentlich an unseren Grenzen des Möglichen. Im Grunde genommen machen wir das, was wir machen und werden das weiter so gut wie möglich machen. Da gibt es keine Zukunftspläne, die in irgendwelche anderen Richtungen gehen, sei es musikalisch oder anderweitig. Das Bestreben ist natürlich da noch andere Bands aus anderen Bereichen zu kriegen. Wenn da etwas frei wird, sind wir natürlich auch dabei.
Detlev: Da wird sich nächstes Jahr um diese Zeit auch schon wieder einiges getan haben.
Michael: Ja, das ist das Einzige, was jetzt noch kommen kann, dass wir mittlerweile an noch größeren Namen dran sind, die wir gerne hätten. Da bieten wir einfach mit.
Lest auch Teil 1 dieses Label-Specials
Interview: doomster und ruuud
Layout: doomster
Fotos: InsideOut Music und doomster (Live-Foto)
Website: http://www.insideout.de