CALLENISH CIRCLE: Veränderung und eigene Identität

Wer wissen will, warum CALLENISH CIRCLE momentan recht glücklich sind und wie sie es indirekt geschafft haben, Teile einer tschechischen Kleinstadt von der Stromversorgung zu trennen, sollte weiterlesen…

Power_Flesh_Dominion ist gar kein so geheimer Tipp mehr, live kann die Band wie in Offenbach gesehen, auch überzeugen. Höchste Zeit also, dem gutgelaunten und auskunftsfreudigen Sänger Patrick Savelkoul ein paar Dinge zu fragen. Wer also wissen will, warum die Band momentan recht glücklich ist und wie sie es indirekt geschafft hat, Teile einer tschechischen Kleinstadt von der Stromversorgung zu trennen, sollte weiterlesen.

CALLENISH CIRCLE haben eine interessante Entwicklung gemacht: Anders als die meisten Bands wird eure Musik mit jedem Release heftiger und aggressiver.

Stimmt. Wir haben als Doom-inspirierte Death Metal Band angefangen, das Demo „Lovelorn“ und das Album „Drift Of Empathy“ gingen in eine etwas andere Richtung als die aktuelleren Veröffentlichungen. Irgendwie sind wir dann aber mit jedem Release aggressiver geworden. Das war nicht geplant, wir haben einfach Song um Song geschrieben. Natürlich spielt auch eine Rolle, dass man mit der Zeit sein Instrument besser beherrscht und aggressiver und tighter spielen kann. Wir wissen auch jetzt im Voraus nicht, wie das nächste Album klingen wird – das werden wir sehen, wenn wir mit dem Songwriting beginnen. Die logische Konsequenz wäre im Moment ein noch aggressiveres Album, aber wie gesagt, wir haben noch keine konkreten Pläne. Meist geht die Entwicklung ja in die entgegengesetzte Richtung, Bands verlieren die Extreme in ihrer Musik und werden vielleicht auch kommerzieller. Manche schaffen es, mehr Hörer zu gewinnen, aber meistens geht es doch schief, die Fans sind sauer und die Band stirbt…

Das Vorgänger Album Graceful …yet Forbidding war eher eine Mischung aus verschieden Stilen, während Power_Flesh_Dominion eher in die moderne Thrash Ecke passt und statt Stilmix auf den Punkt gebrachte Aggression bietet. Du hast es schon angesprochen, man kann seine Publikum erweitern, indem man seinen Stil verändert. Denkst du dass ihr mit Power_Flesh_Dominion das Publikum für CALLENISH CIRCLE eher eingeschränkt habt, da die Variation jetzt fehlt?

Auf Graceful …yet Forbidding gibt es Songs, die vier, fünf Subkategorien wie Heavy Metal, Thrash Metal, Doom Metal, Death Metal und auch ein bisschen Gothic Metal vereinen. All diese Einflüsse kannst du in den Songs hören Dadurch hast Du dann aber das Problem, dass die Musik für Death Metal Fans zu sehr nach Thrash klingt, den Thrashern ist alles zu Death Metal-inspiriert und so weiter. Meiner Meinung nach saßen wir zwischen allen Stühlen. Power_Flesh_Dominion zeigt eine geschlossenere Band. Man kann jetzt die Musik von CALLENISH CIRCLE einfacher beschreiben: Moderner Death/Thrash Metal. Der Zuspruch wird dadurch eher größer. Wir sind zwar in Deutschland noch immer recht unbekannt, aber es ich sehe gerade hier Leute im Publikum, die die Songs kennen und mitsingen – das gab es bislang in Holland, wo wir etwas bekannter sind, nicht so oft. Es freut mich natürlich, wenn ich Leute sehe, die das Album gekauft und angehört haben.

Wurde ja auch Zeit, schließlich wart ihr in der Vergangenheit nicht immer auf der Erfolgsstraße, was aber nicht unbedingt an euch lag…

Ja, wobei die Presse eigentlich immer gut über uns geschrieben hat. Natürlich kann man nicht alle glücklich machen, ein paar Leute gibt es immer, die nichts mit deiner Musik anfangen können – damit muss man leben. Wir merken jetzt aber schon, dass wir bei einem verdammt guten Label unterschrieben haben. Die Promotion von Metal Blade ist super, aber das ist nur eine Sache. Ich glaube, dass die Fans anders auf uns reagieren, denn schließlich sind wir jetzt bei Metal Blade unter Vertrag, und nicht bei einem kleinen Label das keiner kennt. Ich meine damit nicht, dass deine Musik automatisch besser ist, nur weil du bei einem großen, bekannten Label unterschreibst. Es kommen auch sehr gute Platten bei kleinen Firmen raus – Qualität bleibt Qualität, das nichts damit zu tun, bei wem du deinen Hugo unter ein Stück Papier setzt. Aber ich bin überzeugt, dass eine Metal Blade-Band anders bei den Fans ankommt, denn dieses Label hat einfach einen sehr, sehr guten Ruf. Natürlich ist es auch für eine Band wichtig und erfreulich, wenn sie spürt, dass ihr Album promoted wird. Interviews, Anzeigen und so weiter – all das gehört dazu. Mit DSFA, wo wir früher unter Vertrag waren, haben wir ganz andere Erfahrungen gemacht: Kaum Werbung, kaum Promos; es war ein einziger Kampf, weil wir so viel selbst erledigen mussten.

Umso erstaunlicher ist es eigentlich, dass ihr nach all den Jahren noch mal die Motivation für ein dermaßen energiegeladenes Album wie Power_Flesh_Dominion gefunden habt. Oder waren es genau diese schlechten Erfahrungen, die euch wütend gemacht haben und die dann auch bestimmend für das Album waren?

Eher zweiteres, wir mussten uns viel ärgern, speziell nach der Veröffentlichung von Graceful …yet Forbidding hatten wir keine gute Zeit. Nichts lief, wie wir es uns vorgestellt hatten. Es gab eine Zeit, in der wir uns ernsthaft überlegt haben, warum wir uns diesen ganzen Stress antun. Wir haben verdammt viel Energie und auch Geld investiert und wurden wieder von einem Label verarscht. Was hätten wir denn noch tun sollen? Wir haben ein gutes Album aufgenommen, die Kritiken waren positiv, aber wenn dich das Label im Stich lässt, dann ertrinkst du! Irgendwie haben wir dann doch noch mal die Motivation gefunden, ein neues Album zu machen – wir haben eine Menge Blut und Schweiß und Tränen in Power_Flesh_Dominiongesteckt. Als wir das Album aufgenommen haben, hatten wir nicht einmal einen Vertrag. Wir sind einfach noch einmal das Risiko eingegangen und alleine schon die finanzielle Seite war nicht ohne, denn die Rechnung vom Studio war heftig. Aber wir haben dieses Risiko auf uns genommen, denn wir waren und sind von den Songs überzeugt. Dieses Mal hat die ganze Sache ein glückliches Ende genommen – es hätte auch ganz anders ausgehen können. Aber Glück gehört eben auch zum Leben… Stell dir vor der A&R-Mensch eines Labels, der darüber entscheidet, ob du weiter im Rennen bist, hat einfach einen schlechten Tag, und legt dein Demo einfach zur Seite….

Studio war ein gutes Stichwort, ihr habt bei Andy Classen aufgenommen. Er scheint den großen schwedischen Studios mehr und mehr Konkurrenz zu machen…

Nun, wir wollten das Album nicht in Schweden aufnehmen, denn Schweden ist ein verdammt teures Land. Wenn du dort ein paar Wochen leben musst, ist dein Budget schnell aufgebraucht. Deshalb haben wir auch nie ernsthaft daran gedacht, in Schweden aufzunehmen. Außerdem hat Andy Classen hat einen eigenen Sound – wir wollten nicht wie eine weitere Fredman oder Abyss Produktion klingen. Diese Produktionen haben keinen schlechten Sound, aber wir sind eine niederländische Band und eine Menge Leute sagen, wir würden sehr „schwedisch“ klingen. Wenn wir jetzt auch noch in einem schwedischen Studio aufgenommen hätten, dann könnte man schon den Eindruck bekommen, dass wir wie eine typisch schwedische Band klingen wollen. Natürlich haben wir schwedische Einflüsse in unserer Musik, ohne Frage. Aber wenn man alles genauso macht wie die anderen, dann ist man eben nur eine Kopie. Ich habe die letzte CD von den APOCALYPTISCHEN REITERN gehört und war beeindruckt. Da dachte ich mir, dass das Stage One Studio genau das richtige für CALLENISH CIRCLE ist. Graceful …yet Forbidding haben wir in den Niederlanden in Franky´s Recording Kitchen aufgenommen. Ich bin mit dem Sound zufrieden, aber es war eben das Maximum, das wir in Holland erreichen konnten. Wir wollten einen Schritt weiter, deshalb sind wir nach Deutschland gegangen. Wir werden wohl auch das nächste Album im Stage One aufnehmen, wir kennen nun die Gegebenheiten dort und ich denke, dass auch deshalb eine weitere Verbesserung drin ist.

Das Cover von Power_Flesh_Dominion ist allerdings von einem Schweden, Nikal Sundin hat es gemacht. Um ehrlich zu sein, ich finde dass er mittlerweile einfach zu viele, zu ähnliche Covers macht. Ich habe irgendwann mal ein paar Artworks von ihm nebeneinander gelegt und es ist immer dasselbe. Für mich gibt es da einen Widerspruch zwischen dem, was du eben sagtest und diesem sehr typischen Coverartwork.

Jaaaaaaa… Ich verstehe was du meinst. Wir haben mit Niklas gearbeitet, da wir ein modernes Album gemacht haben. Das Cover von Graceful …yet Forbidding ist von Kris Verwimp, einem sehr traditionellen Maler. Für Power_Flesh_Dominion wollten wir aber ein modernes, futuristisches Konzept und wir haben uns eine Menge Artworks von verschiedenen Leuten angeschaut. Die Wahl fiel dann auf Niklas, da er genau dieses futuristische Element in seinen Arbeiten hat. Wir hatten das Konzept des Albums an Niklas weitergegeben und er traf sehr schnell genau den Punkt, deshalb haben wir uns für ihn entschieden.

Power_Flesh_Dominion hat im Vergleich zu Graceful …yet Forbidding, einem Album, dessen Texte eher einen depressiven, melancholischen Unterton hatten, nicht nur in musikalischer, sondern auch in Bezug auf die Texte direkter und aggressiver.

Ja, stimmt. Ich denke, dass sich die Entwicklung der Texte mit der Entwicklung der Musik deckt. Allerdings schreibt unser Gitarrist 95% aller Texte, er wäre also die richtige Person um darüber zu reden. Leider ist er halt im Moment nicht da.

Sehr gut gefallen hat mir an Power_Flesh_Dominion, dass ihr trotz der aggressiveren Ausrichtung noch immer etwas Variation in den Songs habt. So finden sich auch DARK TRANQUILLITY Anleihen…

…ja, bei „The Final Swansong“, ich weiß, haha. Wenn wir neue Songs schreiben ist es wie bei allen Bands: Die Songs haben keinen Titel und dann redet man im Proberaum halt über das „DARK TRANQUILLITY-Riff“ oder den „BOLT THROWER-Part“. „The Final Swansong“ hieß tatsächlich auch zunächst „DARK TRANQUILLITY-Song“, das gebe ich zu. Ich persönlich bin allerdings gar nicht so glücklich, wenn Leute CALLENISH CIRCLE generell mit Bands wie DARK TRANQUILLITY, IN FLAMES oder anderen melodischen Göteborg Bands vergleichen. Ich denke, wir sind etwas intensiver und konzentrieren uns mehr auf thrashige Riffs, wir kommen eher auf den Punkt, während bei IN FLAMES oder DARK TRANQILITY der Schwerpunkt eher auf ausgedehnten Gitarrenharmonien liegt. Wenn Du mich nach Einflüssen für CALLENISH CIRCLE aus dieser Richtung fragst, dann würde ich AT THE GATES zu „Slaughter Of The Soul“ Zeiten nennen. Auch sie haben diese Energie in ihrer Musik, die man vielleicht auch bei uns hören kann. Natürlich haben wir auch andere Elemente in unserer Musik, aber diese Intensität von „Slaughter Of The Soul“ gibt es auch bei CALLENISH CIRCLE.

Nun, Power_Flesh_Dominion klingt für mich auch sehr nach Thrash Metal, da Rhythmus und das Riffing – und nicht die Melodien – im Vordergrund stehen. In sofern würde ich CALLENISH CIRCLE in einer Reihe mit Bands wie THE HAUNTED oder SOILWORK sehen…

Oder mit THE CROWN! Ja, ich weiß, was du meinst. Aber von wem wurden diese Bands beeinflusst? THE HAUNTED besteht aus Leuten, die die “Slaughter Of The Souls“ eingespielt haben, THE CROWN haben Tompa am Gesang. Man sieht also schon, woher das alles kommt. Es kann natürlich sein, dass viele Leute heute AT THE GATES nicht mehr kennen, das letzte reguläre Album kam schließlich schon 1995 raus. Bands wie SOILWORK, THE HAUNTED und THE CROWN sind heutzutage vielleicht einfach bekannter. Und ich mag diese Bands natürlich auch… hehe.

Lass uns wieder über CALLENISH CIRCLE reden. „Bleeding“ fällt etwas aus dem Rahmen – ich bin mir nicht ganz sicher, ob man diesen Song Ballade nennen kann, aber er geht schon in die Richtung eines ruhigen, melancholischen Stückes….

Ja, der Song hieß im Proberaum „Ballad-Song“! Musikalisch ist der Song eine Verbindung zu den alten Tagen der Band, in denen wir noch PARADISE LOST-ähnliche Elemente in den Tracks hatten. Wir haben auf Power_Flesh_Dominion nicht mehr die Mischung verschiedener Stile innerhalb eines Songs, sondern ein paar richtige schnelle Stücke, ein paar Midtempo-Nummern und eben auch diesen ruhigen Song. „Bleeding“ ist bewusst in der Mitte des Albums platziert, denn davon hast du vier richtig schnelle Songs, „Bleeding“ ist wie eine kleine Pause, denn danach geht es schnell weiter. Der Text ist vor mir, und er steht nicht im Booklet. Er behandelt etwas sehr persönliches, das ich nicht unbedingt mit dem Rest der Welt teilen wollte; was aber auch nur bedingt funktioniert, denn wenn man genau hinhört, versteht man schon, um was es geht.

Tja, und da es sich wirklich lohnt, das Album genau anzuhören, gehe ich auf den Text gar nicht weiter ein. Es gibt nämlich noch andere ausgefallene Songs auf Power_Flesh_Dominion: zwei Coverversionen. Die DEATH Coverversion von „Pull The Plug“ erklärt sich eigentlich von selbst.

Wir haben diesen Songs seit sieben Jahren auf unseren Liveshows gespielt, es war einfach an der Zeit, ihn auch aufzunehmen. Ich will aber in diesem Zusammenhang trotzdem noch was loswerden: Wir haben den Song aufgenommen, als Chuck noch am Leben war. Es könnte so aussehen, als ob wir den Song nur aufgenommen haben, weil DEATH durch Chucks Tod verstärkt im Licht standen und wir das ausnutzen wollten – das stimmt nicht! DEATH war ein großer Einfluss für CALLENSISH CIRCLE, wir haben in unseren Anfangstagen sehr viele DEATH Coversongs gespielt.

Die zweite Coverversion ist „When The Lady Smiles“ von GOLDEN EARRING –

Du kennst GOLDEN EARRING?

Mit der Band verbinde ich sofort „Radar Love“

Ja, das war der große Hit dieser Band. Soweit ich weiß, war der Song auch in Deutschland sehr erfolgreich. „When The Lady Smiles“ ist hier nicht so bekannt, deshalb haben wir ihn auch nicht in der Setlist für Deutschland. 1985 war „When The Lady Smiles“ ein Riesenhit in den Niederlanden, es gab einen sehr coolen Videoclip zu dem Song. Wir wollten neben einem typischen Metal-Coversong einen eher untypischen Song auf dem Album, konnten uns aber nicht auf einen einigen. Irgendwann habe ich dann diesen Song im Radio gehört und wusste, dass er der richtige ist. Bei der Probe habe ich es vorgeschlagen – tja und so hatten wir uns geeinigt. Der Song erinnert uns eben an unsere Kindheit – und dann war da ja auch noch dieses Video, in dem eine verdammt hübsche Nonne von dem Sänger der Band belästigt wird, da er von der Idee, Nonnen zu nerven, besessen ist. Am Ende des Videos sieht man, wie der Sänger auf einem Operationstisch liegt und ihm der Teil des Gehirns, der für diese Obsession verantwortlich ist, entfernt wird. Der Hirnfitzel wird dann an einen Hund verfüttert.

Es ist kein 100%ig ernstgemeinter Song wie das DEATH Cover, wenn wir den Song in den Niederlanden spielen ist es immer ziemlich lustig, da ihn dort jeder kennt. Es mag Fans geben, die das albern finden, aber die meisten Leute mögen den Song.

Ich kenne das Original, und ich war schon überrascht, irgendwie hat der Song einiges an Potential…

Ja, das Original ist ziemlich soft, Akustikgitarren und so weiter. Aber es hat großartige Dynamik in dem Song, die wir dann betont haben. Es passiert eine Menge in dem Song. GOLDEN EARRING sind in den Niederlanden noch immer aktiv, sie sind zwar über Fünfzig, aber die Musik ist nicht schlecht. Ich höre mir das auch nicht jeden Tag an, aber so zwischendurch…

Und nun noch der Vampster-Fragebogen: Welche drei Alben hast du dir in den letzten 14 Tagen angehört?

VOMITORY – Blood rapture

THE HAUNTED – The Haunted made me do it

PARADISE LOST – Gothic

Wen würdest Du gerne mal treffen?

Fiese Frage. Ich würde gerne Gott treffen – dann wüsste ich endlich, ob es ihn gibt, hehe. Ich könnte danach rumlaufen und erzählen, dass es ihn nicht gibt – oder ein guter Mensch werden, haha. Es gibt natürlich eine Menge Leute, die ich gerne treffen würde. Keine Ahnung, wen ich da aussuchen würde.

Ist euch bei einem Auftritt mal etwas besonders lustiges passiert?

Ja, da habe ich eine sehr coole Geschichte. Du hast doch noch Zeit, oder? Wir haben zum ersten Mal in der Tschechei gespielt, auf dem Brutal Soul Festival, das war 1995. Wir sind 15 Stunden in drei vollgestopften Autos hingefahren; das Festival war nicht wirklich professionell aufgezogen, aber es war sehr schön dort. Wir sollten am zweiten Tag als drittletzte Band vor MYSTIC CIRCLE und NIGHT IN GALES spielen. So weit, so gut. Zehn Minuten bevor wir auf die Bühne sollten, fiel die komplette Stromversorgung aus. Kein Licht, keine Musik – nichts ging mehr. Wir waren ziemlich angepisst, denn hinter uns lag eine eklige 15 Stunden-Fahrt und wir wollten unbedingt spielen. Eine Viertelstunde verstrich, dann eine halbe. Zwischenzeitlich war die Polizei auf dem Festivalgelände angerückt und stellte Scheinwerfer auf. Du musst dir vorstellen, da waren lauter Fans, die zwei Tage lang durchgefeiert und durchgesoffen hatten – es gab damals nicht allzu viele Festivals in diesem Teil Europas. Und wenn es dann plötzlich stockdunkel ist, ist das nicht wirklich cool. Es gab ein paar Schlägereien, Leute schrieen und es wurde sehr ungemütlich. Nach anderthalb Stunden war dann plötzlich wieder Strom da, wir haben dann unser Set gespielt und es war auch klasse. Das Lustige ist, dass wir erst nach der Show erfahren haben, warum der Strom ausgefallen ist: Das Festivalgelände war gerade mal 100 Meter von einem Wohngebiet entfernt. Dort wohnte ein Typ, der sich ein paar Mal bei der Polizei über den Lärm beschwert hatte. Das war allerdings zwecklos, denn das Festival war genehmigt, und die Lautstärkenbegrenzungen wurden auch eingehalten. Nun, nach zweit Tagen wurden es dem Typen einfach zu viel und er tickte völlig aus. Er schnappte sich eine Axt und verarbeitete damit den Verteilerkasten zu Kleinholz. Noch viel cooler ist, dass er damit nicht nur das Festival vom Stromnetz getrennt hat, sondern gleich dafür gesorgt hat, dass ein Viertel der gesamten Stadt keinen Saft mehr hatte. Keine Ahnung, was mit ihm passiert ist – wir können heute jedenfalls über diese Geschichte lachen.

Interview: vampiria

Fotos: boxhamster

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