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JAG PANZER: The Hallowed

Das bärenstarke “The Hallowed” zeugt eindrucksvoll davon, dass JAG PANZER als stählerner Stützpfeiler immer noch mithelfen, das alterwürdige Heavy Metal-Gebäude aus der Gründerzeit zu tragen.

Eine der dienstältesten Stahlschmieden Amerikas hat keinen Bock auf Altersmilde und haut mit “The Hallowed” ein furioses Heavy Metal-Geschoss raus, welches die eherne JAG PANZER-Flamme wieder in hellem Glanz erstrahlen lässt!

Und das wird nicht nur allen Traditionsfetischisten, sondern auch den Colorado Boys richtig gut tun: denn zu der seit jeher quälenden Fragen, was aus den 1981 aus der Taufe gehobenen Urgesteinen geworden wäre, wenn sie es nach dem genredefinierenden Götteralbum “Ample Destruction” schneller und in gleicher Besetzung geschafft hätten, einen ebenbürtigen Nachfolger zu liefern, gesellten sich seit dem letzten, 2017 fabrizierten “The Deviant Chord” noch mindestens folgende zwei dazu:

1. Warum ist der Sound auf eben jener Scheibe so abweichend von dem, was für eine amtliche Metalkapelle der alten Garde nötig wäre?

2. Warum musste Harry Conklin, der Tyrant himself, in den polarisierenden Coronamonaten ebenfalls seine höchstpersönliche Meinung zu Vakzinen und deren Sinnhaftigkeit auf die Reise in die unendlichen Weiten der weltweiten Vernetzung schicken?

JAG PANZER präsentieren sich selbstbewusst und als allürenfreie Einheit

“The Hallowed” wird – so viel lässt sich definitiv deklarieren – wieder für positiven Gesprächsstoff über jene Band sorgen, die sich nach “Thane To The Throne” erneut an ein Konzeptalbum gewagt hat und hierfür statt zusammengefasster Weltliteratur (“MacBeth”) eine eigene Story entwickelt hat. Doch dazu später mehr.

Der Eingangstrack des Atomic Fire-Einstands fasst in nicht mal vier knackigen Minuten die Quintessenz der JAG PANZER-Edition anno 2023 perfekt zusammen: ‘Bound As One’ ist nämlich nichts anderes als ein geradliniger Heavy Metal-Track mit einwandfrei flüssig durchlaufenden Melodien, der den bereits durch fünf gemeinsam absolvierten Touren bestens integrierten Leadgitarrero Ken Rodarte als Schlüssel- und Teamspieler und das selbstbewusst agierende Konglomerat als allürenfreie Einheit erscheinen lässt.

Rodarte, der vor seinem Engagement bei den US-Titanen nicht sonderlich in Erscheinung getreten ist, darf auf vorliegendem 11. Studioalbum mit seinen gelegentlich ausschweifenden, in den meisten Fällen aber erfreulich songdienlichen Saitenmoves ruhigen Gewissens als Frischzellenkur einer ohnehin nahezu faltenfreien Combo bezeichnet werden. Ein fabelhaftes Gegenstück also zum meines Erachtens manchmal zu selbstverliebt agierenden Joey Tafolla, der 2017 zum dritten Mal aus dem Panzer ausgestiegen ist. Diesmal übrigens, um sich der GRAHAM BONNET BAND anzuschließen…

Auch sonst ist auf dem neuen JAG PANZER-Langeisen so manches ein klein wenig anders: für den Entstehungsprozess hat Rhythmusgitarrist Mark Briody diesmal seine direktorischen Zügel an Drummer Rikard Stjernquist abgegeben, so dass sich der Sechssaiter voll und ganz auf seine Kernkompetenzen konzentrieren konnte: Riffs und Songwriting! Und dies hat sich definitiv ausgezahlt: so zeichnen ‘Ties That Bind’, das ebenso wie das gemächlich galoppierende ‘Edge Of A Knife’ deutliche “Thane To The Throne”-Komponenten aufweist sowie das knapp zehnminütige Abschlussepos ‘Last Rites’ (mit ultraseltenem Briody-Solo!) – nur um drei der zehn durchwegs bärenstarken “The Hallowed”-Tracks herauszupicken – durch deren individuelle und unwiderstehliche Rhythmus- und Kompositionsgestaltung ein heterogenes und in der Gesamtbetrachtung gleichzeitig harmonisches “The Hallowed”-Bild, das jedem einzelnen Aspekt der Story gerecht wird. Das kraftstrotzend-majestätische ‘Stronger Than You Know’ bspw. ist den Wesenszügen von Adlern,  die eine nicht unerhebliche Rolle in der Geschichte einnehmen, nachempfunden und aus deren Perspektive geschrieben.

Die Story von “The Hallowed”

Ach so, das Konzept (geschrieben übrigens von Mark Briody, Rikard Stjernquist and Harry Conklin):

In einem postapokalyptischen und eisdominierten Ödland, in der sich “The Hallowed” abspielt, will eine Gruppe von fünf Freunden jenen gleichnamigen und Wärme spendenden Ort finden und erlebt auf dem Weg dorthin natürlich ein paar Abenteuer und trifft auf allerlei gefährliche Kreaturen wie “The Swarm”, eine Art riesiger Fledermausschwarm, oder auch auf den hyänengleichen “The Jaw”. Die Geschichte auf dem akustischen Medium ist dabei aus der Sicht von Tieren erzählt, welche die Gruppe begleitet. Anfänglich noch als Team agierend, ändert sich im Verlauf des Plots durch das Verhalten der Menschen die Beziehung der Tiere zu ihnen. Mehr soll an dieser Stelle noch nicht verraten werden!

Als Novum haben JAG PANZER zusätzlich zum Album bereits ein Comicbuch (Artwork und visuelle Gestaltung: E. Rubio und Yan Sek) herausgebracht, in dem dieselbe Handlung aus der Sicht der fünf Menschen erzählt wird. Wer sich damit intensiver auseinander setzen möchte, kann sich beides als Bundle hier zulegen (Stand Juni 2023).

JAG PANZER mit dem Gespür für zeitlose Metalhymnen

In “The Hallowed”, das ein echtes Bandprodukt geworden ist und aufgrund mannigfaltiger Verwerfungen angeblich dreimal geschrieben worden ist, steckt also eine Menge Arbeit! Dies manifestiert sich auch in allerlei eingearbeiteten Details und – ähnlich wie bei BLIND GUARDIANs “Nightfall In Middle-Earth”, jedoch nicht ganz so ausgeprägt – in kleinen, narrativen Parts. Besonders nices Easter Egg: der Morsecode zu Beginn von ‘Edge Of A Knife’, der alsbald von der Rhythmussektion adaptiert wird und eine liebevolle Hommage an RUSH und deren Song ‘YYZ’ darstellt.

Die legendäre US-Metalcombo mit Ausnahmesänger Harry Conklin (auch bei TITAN FORCE), der hier mit seiner vokalen Akrobatik (inkl. wieder einmal phänomenalen Air Raid-Screams und überragendem theatralischem Ausdruck in seiner Stimme) erneut seinen Auftrag übererfüllt hat und weiterhin als einer der besten Sänger aus der Heavy Metal-Sektion gilt, hat mit “The Hallowed” das überzeugendste Album mindestens seit “Mechanize Warfare” (2001) abgeliefert. Dabei ist es längst kein großes Geheimnis mehr, wozu JAG PANZER nicht nur nach ihrem Überwerk “Ample Destruction” imstande sind: “The Fourth Judgement”, “The Age Of Mastery”, “Thane To The Throne”, “Mechanized Warfare”, “Casting The Stones”, “The Scourge Of Light” und auch “The Deviant Chord” – auf all diesen Releases der letzten 26 Jahre blitzt – mal mehr, mal weniger frequentiert – das charakteristische Songwriting und das Gespür für lupenreine Metallverarbeitung in Form von erdigen und zeitlosen Metalhymnen durch. Wer’s nicht glaubt, bitte umgehend mal ‘Black’, ‘Lustfull And Free’, ‘King At A Price’, ‘Take To The Sky’, ‘Achilles’, ‘Condemned To Fight’ und ‘Born Of The Flame’ anchecken!

Aus Fehlern gelernt

Endlich jedoch ist es den Altmeistern (wieder) gelungen, einen wohl- und alles andere als künstlich klingenden Sound hinzubekommen, der auf dem äußerst fokussiertem Material die sechssaitigen Äxte lautstark-schallend und in ruppigerer Manier erscheinen lässt und Stjernquists diesmal deutlich straighteres Drumming mit dem nötigen Punch ausstattet. Der Doppelwumms sozusagen.

Natürlich gebührt die Ehre hierfür nicht nur der Band, die ehemals aus den amerikanischen Tyrant hervorgegangen ist, allein, sondern – speziell für die Schlagbude – einem weiteren Meister seines Fachs: Ken Mary, seines Zeichens Fellvermöbler von FLOTSAM AND JETSAM und FIFTH ANGEL, hat in seinem Sonic Phish Productions-Tonstudio dank dessen hohem Raumvermögen ein wesentlich organischeres Endergebnis erzielen können als bei den grundverschiedenen Recording-Verhältnissen, die zuvor bei John Herrera vorherrschten. Bei der Rückkehr zu Stammproduzent/Soundguru Jim Morris und auch zur analogen Aufnahmetechnik haben JAG PANZER dankenswerterweise ebenfalls aus ihren “The Deviant Chord”-Fehlern gelernt.

“The Hallowed” ist rundum gelungen

Herausgekommen ist summa summarum ein rundum gelungenes und charismatisches JAG PANZER-Album mit hohem Wiederkennungswert der einzelnen Bestandteile: sei es die erste Singleauskopplung ‘Onward We Toil’ mit mächtigem Chorus, das subtil progressive, mit 7/8 Takten-veredelte ‘Dark Descent’ oder das ebenso wie ‘Last Rites’ mit dezentem Violineneinsatz punktuell untermalte ‘Renewed Flame’ – nur um drei weitere der zehn durchwegs bärenstarken “The Hallowed”-Tracks herauszupicken.

Während IRON MAIDEN oder JUDAS PRIEST schon frühzeitig durchgestartet sind, bis heute weltweit immense Erfolge feiern und zu den absoluten Zugpferden der metallischen Zunft zählen, mussten JAG PANZER – ähnlich wie z.B. ANVIL, RAVEN, RIOT (V) oder ARMORED SAINT – fortwährend deutlich kleinere Brötchen backen. Dass sie – mit kleineren Unterbrechungen – seit mehr als 40 Jahren einer der massiven und stählernen Stützpfeiler sind, die im Untergrund immer noch mithelfen, das alterwürdige Heavy Metal-Gebäude aus der Gründerzeit zu tragen, davon zeugt eindrucksvoll “The Hallowed”. Ein Album, das Wert auf Tradition ohne billige Effekthascherei legt und trotzdem am klassisch schlagenden Puls der Zeit ist! Bärenstark (falls ich es noch nicht erwähnt haben sollte)!

Veröffentlichung: 23. Juni 2023

Label: Atomic Fire Records

Spielzeit: 53:04

Line-up
Harry Conklin – Vocals
Mark Briody – Guitar
Ken Rodarte – Guitar
John Tetley – Bass
Rikard Stjernquist – Drums

Produced By: Jim Morris , Ken Mary

Coverartwork: Dusan Markovic

Layout: Travis Smith

Bass & Drum Recording & Production: Ken Mary @ Sonic Phish Productions (Arizona)

Guitars & Vocals Recording: SteamPunk Audio Labs (Arizona) and Hound House Studios

Mixing: Jim Morris @ Morrisound Studios (Florida)

Mastering: Maor Appelbaum

JAG PANZER “The Hallowed” Tracklist

01. Bound As One
02. Prey
03. Ties That Bind
04. Stronger Than You Know (Lyric-Video bei YouTube)
05. Onward We Toil (Lyric-Video bei YouTube)
06. Edge Of A Knife (Lyrics-Video bei YouTube)
07. Dark Descent
08. Weather The Storm
09. Renewed Flame
10. Last Rites

JAG PANZER “Welcome To The Hallowed Tour 2023”

29.07.2023 DE Brande-Hörnerkirchen – Headbangers Open Air Festival
01.08.2023 DE Aschaffenburg – Colos-Saal (w/ ELVENPATH)
02.08.2023 DE Kassel – Goldgrube (w/ GENERATION STEEL)
04.08.2023 DE Oldenburg – MTS
05.08.2023 DE Wacken – Wacken Open Air
09.08.2023 CH Aarburg – Musigburg
11.08.2023 NL Uden – De Pul
12.08.2023 BE Kortrijk – Alcatraz Festival
29.09.2023 US Madison, WI – Blades of Steel Metal Festival 3.0

 

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