WHITECHAPEL: The Valley

WHITECHAPEL öffnen sich für genrefremde Stilmittel: “The Valley” lockt mit spannender Dynamik und klingt konsequent und ehrlich. Das verdanken wir der instrumental konsequenten und lyrisch ehrlichen Aufarbeitung einer persönlichen Tragödie.

Hardin Valley – nicht viel mehr als ein kleiner, unscheinbarer Vorort westlich von Knoxville, Tennessee. Und doch ist er als Schauplatz einer Familientragödie unabänderlich mit dem Schicksal Phil Bozemans verknüpft. Die schwere Kindheit, das komplizierte Verhältnis zu seiner psychisch kranken Mutter, all das hat den WHITECHAPEL-Frontmann dauerhaft geprägt. „The Valley“ ist somit jetzt als der Blick in den Spiegel zu verstehen; eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die persönlicher nicht sein kann und deren dunkelste Kapitel doch eine reinigende Wirkung entfalten.

Angesichts der übergreifenden Thematik ist es kaum überraschend, dass sich WHITECHAPEL musikalisch komplett in den Dienst des lyrischen Konzepts stellen. Den reinen Deathcore der früheren Schaffensperioden („The Somatic Defilement“, „This Is Exile“) legen die Amerikaner ad acta, um sich neuen Einflüssen zu öffnen.

WHITECHAPEL öffnen sich für genrefremde Stilmittel

Der fantastische Einstieg „When A Demon Defiles A Witch“ fungiert zugleich als Quintessenz der stilistischen Bandbreite WHITECHAPELs. Ein kurzes Gitarrenintro stimmt nachdenklich, bevor Blastbeats den Weg für monströse Growls ebnen. Der heftige Auftakt mündet alsbald in einen ungleich melodischen Refrain und später in einen melancholischen Akustikpart, der Bozemans emotionale Singstimme trägt.

Es spricht für das Quintett, dass sie ihren modernen und nach wie vor unerbittlichen Death Metal für zahlreiche genrefremde Stilmittel freilegen. Für WHITECHAPEL öffnen sich dadurch neue Dimensionen, ihren Stil selbst nach sieben Alben interessant zu halten. „The Valley“ besticht durch eine dramatische Spannungskurve, die Höhen und Tiefen kennt und nicht davor zurückschreckt, Verletzlichkeit zu zeigen.

“The Valley” lockt mit spannender Dynamik

Allein deshalb kann auf den walzenden Death Metal mit Doom-Einschlag in „Brimstone“ das ruhige „Hickory Creek“ folgen, ohne deplatziert zu wirken. Hier verzichtet ein in Gedanken versunkener Phil Bozeman nahezu komplett auf harsche Vocals, während er stimmlich niedergeschlagen seinen Frieden mit der Vergangenheit macht. An anderer Stelle nutzen WHITECHAPEL den Klargesang ihres Frontmannes, um in „Third Depth“ eine spannende Dynamik zwischen ruhiger Strophe und brachialem Refrain zu erzeugen.

Wenngleich der simple Banger „Black Bear“ mit seinem Hauptriff irgendwo zwischen GOJIRA, KORN und MESHUGGAH liegt, besinnen sich WHITECHAPEL in „Forgiveness Is Weakness“ sowie „We Are One“ auf die Stärken, die sie einst groß gemacht haben. Hier drücken die Amerikaner das Gaspedal durch und nutzen ihren dritten Gitarristen für mehr, als dem Material auf „The Valley“ lediglich größere Wucht zu verleihen.

WHITECHAPEL erschaffen eine bedrohliche Kulisse

Vom zusätzlichen Sechssaiter profitiert schließlich auch das finale „Doom Woods“, dessen Intro so klingt, als coverten CULT OF LUNA MASTODONs „March of the Fire Ants“. Durch die atmosphärische Gitarrenarbeit erschaffen WHITECHAPEL eine bedrohliche Kulisse zwischen Death Metal, Post Metal und Sludge, die auch durch die abwechslungsreiche Performance von Studiodrummer Navene Koperweis (Ex-ANIMALS AS LEADERS, Ex-ANIMOSITY) zusammengehalten wird.

Konsequent und ehrlich

„The Valley“ ist beizeiten so düster wie trostlos. Als Blick in Sänger Phil Bozemans Vergangenheit nimmt uns das Album mit bis in die dunkelsten Ecken seines Seelenlebens. Das ist mutig, auch in musikalischer Hinsicht. Dass selbst wir als Außenstehende uns nach diesen intensiven 40 Minuten wie von einer schweren Last befreit fühlen, verdanken wir der instrumental konsequenten und lyrisch ehrlichen Aufarbeitung einer persönlichen Tragödie. ‚Katharsis‘ nennt man diesen Prozess in der Psychologie, wir verstehen darunter nun auch „The Valley“.

Veröffentlichungstermin: 29.03.2019

Spielzeit: 40:34

Line-Up:
Phil Bozeman – Vocals
Ben Savage – Gitarre
Alex Wade – Gitarre
Zach Householder – Gitarre
Gabe Crisp – Bass

Gastmusiker:
Navene Koperweis – Schlagzeug

Produziert von Mark Lewis

Label: Metal Blade

Homepage: https://www.whitechapelband.com/
Facebook: https://www.facebook.com/whitechapelmetal/

WHITECHAPEL “The Valley” Tracklist

1. When a Demon Defiles a Witch (Video bei YouTube)
2. Forgiveness Is Weakness
3. Brimstone (Audio bei YouTube)
4. Hickory Creek (Video bei YouTube)
5. Black Bear (Audio bei YouTube)
6. We Are One
7. The Other Side
8. Third Depth (Audio bei YouTube)
9. Lovelace
10. Doom Woods

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