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WALDGEFLÜSTER: Dahoam

„Mia san WALDGEFLÜSTER, und do san mir dahoam.“

Es könnte eine Anmoderation im Bayerischen Rundfunk für diese Band geben: „Mia san WALDGEFLÜSTER, und do san mir dahoam.“ Und ja, es verwundert nicht, dass WALDGEFLÜSTER auf ihrem sechsten Album ihrer bayerischen Heimat Tribut zollen. Als naturverbunden hat sich die deutsche Black Metal-Band schon immer präsentiert, und da liegt es nahe, die eigenen Wälder, Berge und Täler, Flüsse und Seen zu besingen – und das auch in Mundart. Damit sind sie natürlich nicht die Ersten, LUNAR AURORA haben hier Pionierarbeit geleistet und parallel zu WALDGEFLÜSTER schicken sich auch GRÀB an, den bayerischen Dialekt in einen Black Metal-Kontext zu bringen.

„Dahoam“ ist aber nun nicht grimmige Folklore, wie sie auf „Zeitlang“ präsentiert wird, sondern recht persönlich. Stilistisch standen sich WALDGEFLÜSTER und PANOPTICON, ALDA und so weiter schon immer nahe und das ändert sich auch mit diesen 50 Minuten Musik nicht. Konkret heißt das: Bierzeltatmosphäre vermeiden die Musiker glücklicherweise auch auf diesem Album, so kitschig-bayrisch sind WALDGEFLÜSTER eben nicht. Stattdessen zeigen sich WALDGEFLÜSTER mal hochmelodisch, mal furios, mal nordisch-folkig und mal episch. Stilistisch ist „Dahoam“ schön ausgewogen und darf mit dem Akustikstück „A Taglachinger Morgen“ friedlich und beinahe idyllisch beginnen.

WALDGEFLÜSTER sind mittlerweile erfahrene Songwriter – die Stücke von „Dahoam“ sind komplex, abwechslungsreich und stimmig.

Mit „Im Ebersberger Forst“ zeigen WALDGEFLÜSTER dann erstmals ihre Zähne. Zehn Minuten lang schwanken die Bayern zwischen rasenden Riffs und schwelgerischen Momenten, grimmige Momente und Twin Guitar-Harmonien stehen nebeneinander und wenn zwischendurch die Eule im Wind zu Akustikgitarren singt, baut das zusätzlich Stimmung auf. Auch der häufige Einsatz von Klargesang wirkt nicht aufgesetzt, sondern fügt sich gut ins Gesamtbild ein. Schnell wird deutlich, dass Epik und bayrische Heimatverbundenheit gut zusammenpassen. Und von Lied zu Lied trauen sich WALFGEFLÜSTER mehr zu, ohne stilistisch von dem auszubrechen, was sie seit einigen Jahren auszeichnet.

Das aggressivste Stück des Albums „Am Tatzlwurm“, bei dem auck JJ von HARAKIRI FOR THE SKY mitbrüllen darf, funktioniert wunderbar. Es fließt von rasender Wildheit hin zu einem großen Finale, das in den klirrenden Riffs eine sehnsuchtsvolle Melodie eingearbeitet ist. „In da Fuizn“ wirkt trotz seiner Kürze beinahe BATHORYesk und in „Mim Blick aufn Kaiser“ fahren WALDGEFLÜSTER endgültig alle Geschütze auf. Der elfminütige Song hat einen ganz großen Refrain, der Kitsch und Klischees gekonnt umschifft. Wer gerne Bergluft schnuppert, wird eher ein wohliges Gefühl im Bauch bekommen.

Es braucht keinen primitivem Lokalpatriotismus: WALDGEFLÜSTER finden auf „Dahoam“ einen Weg, ihrer Heimat Tribut zu zollen.

Was den einen Gänsehaut verschafft, erzeugt bei denen, die beim Terminus „Heimat“ Übelkeit verspüren, auch ein eher maues Gefühl. An dieser Stelle ließe es sich wunderbar über diesen Begriff und Heimatverbundenheit an sich diskutieren. Ja, man darf die Gegend lieben, in der man lebt. Und ja, man darf es auch besingen, nur meistens wird das eben unerträglich. WALDGEFLÜSTER sind ein positives Beispiel dafür, dass das Wertschätzen der Heimat nicht zu primitivem Lokalpatriotismus mutieren muss, sondern sich eher auf regionale Kraftorte beziehen. Und vielleicht muss der Mensch auch die Welt gesehen haben, um den Wert des Boden der Herkunft wirklich zu spüren, wer weiß das schon. Mit diesen Gedanken entlässt das Akustikstück „Am Wendelstoa“ das Publikum und hinterlässt ein durchaus friedvolles Gefühl.

Abschließend sei gesagt, dass WALDGEFLÜSTER auf ihrem sechsten Album am ehesten auffallen, weil sie eben dieses Mal Texte im regionalen Dialekt präsentieren. Und doch ist dieses Stilmittel nicht überpräsent wie ein schlechter Witz, der auch nicht besser wird, je öfter er erzählt wird. Viel mehr verweben Winterherz und seine Band Dialekt und Musik zu einem stimmigen Ganzen, das von Markus Stock anständig gemixt und gemastert wurde, das müsste auch der Bayerische Rundfunk anerkennen. „Dahoam“ ist somit wirklich gut geschriebener, atmosphärischer Black Metal, der auch hier im groben als deutsche Variante des „Cascadian Black Metal“ durchgehen kann. Zusammen mit „A Distant Fire“ finden Freundinnen und Freunde des atmosphärischen, naturverbundenen Black Metals also diesen Monat genügend Stoff, um die schöne Herbstzeit einzuleiten. Eine Sensation ist „Dahoam“ nicht geworden, wohl aber ein sehr solider Genrebeitrag.

Wertung: 5 von 7 Wolpertinger

VÖ: 22. Oktober 2021

Spielzeit: 49:23

Line-Up:
Winterherz – Vocals, Guitars, Keys & Samples
Dominik Frank – Guitars, Backing Vocals
Markus Frey – Guitars
Arvagr – Bass, Backing Vocals
Thomas Birkmaier – Drums

Label: AOP Records

WALDGEFLÜSTER „Dahoam“ Tracklist:

1. A Taglachinger Morgen
2. Im Ebersberger Forst (Offical Audio bei Youtube)
3. Am Stoa
4. Am Tatzlwurm (Official Audio bei Youtube)
5. In da Fuizn
6. Mim Blick aufn Kaiser
7. Am Wendelstoa

Mehr im Netz:

https://blackmetalwaldgefluester.bandcamp.com/
https://artofpropaganda.bandcamp.com/album/dahoam
https://www.waldgefluester.com/
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