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THE AMENTA: Revelator

Szenen der dreckigen Antiwelt von Morgen: THE AMENTA haben sich nochmal zusammen gerauft. Die Australier gehören nicht zur Gruppe der Optimisten, aber das ist ja nichts Neues. Schon ihr Debütalbum „Occasus“ hinterließ eine Schneise der Verwüstung, und vielleicht fragen sich THE AMENTA dieses Mal auch deshalb, was innerhalb der Ruinen so alles zu finden ist. Statt zu einem weiteren Vernichtungsschlag anzusetzen, portraitieren sie lieber die Hölle, die sie hinterlassen haben. Zwischen „Flesh Is Heir“ und „Revelator“ liegen nicht nur mehr als sieben Jahre, sondern ganze Welten, und das wird schnell deutlich.

Statt immer am Anschlag zu sein, hat die Industrial Death Metal-Band endlich die Dynamik entdeckt. Und das steht der Band gut zu Gesicht. „Revelator“ wird so zu einem Werk voller Überraschungen, anstatt mit abgestumpfter, maximaler Brutalität durch eine mit giftigen Farben gesprenkelte Zukunft zu rauschen. „An Epoch Ellipsis“ leitet das Album sehr brachial ein, wird aber nach anderthalb Minuten zu einem Verzweiflungsschrei und sorgt schon zum ersten Mal für Verwunderung. Als plakatives Beispiel für die Entwicklung der Band dient jedoch am besten „Sere Money“, das mehr mit SKINNY PUPPY zu tun hat als mit dem emotionslosen Geblaste auf „n0n“ und nebenbei ein kleiner Hit ist – für einen Club, in dem Mutantenstripperinnen in kaltem Neonlicht auf absinthverklebten Tischen tanzen. Doch nicht nur diese Nummer beeindruckt.

Endlich auch mit Dynamik: THE AMENTA haben sich auf “Revelator” enorm gewandelt

„Twined Towers“ ist ein achtminütiger Monolith, der THE AMENTA von einer langsamen, fast doomigen, verzweifelten Seite zeigt. „Silent Twin“ basiert auf Akustikgitarre, wird unterlegt mit verzerrtem Flüstern und Synthesizern und ist am unteren Ende der Lautstärkeskala angesetzt. So erzeugen die Australier erstmals in ihrer Karriere echte Spannung. Daneben gibt es Stücke, die für THE AMENTA am ehesten typisch sind, und genau mit „Psoriastasis“ und „Overpast“ kann das Quintett am wenigsten Akzente setzen und für Intensität sorgen. Immerhin gelingt das mit „Parasight Lost“, einem weiteren eher klassischen Track und dem zweiten Hit des Albums, der an die 2000er Ikonen SCARVE denken lässt.

„Revelator“ ist unbequem, spielt eine Dreiviertelstunde lang mit den Erwartungen der Hörer wie eine Katze mit ihrer Beute und zeigt THE AMENTA so vielseitig wie wenig andere, die im Spannungsfeld zwischen Death Metal und Industrial agieren. Das vierte Album der Australier ist kurzweilig, verstörend, brutal, aber die eigentlichen Qualitäten liegen wo anders. THE AMENTA haben gemerkt, dass abseits vom überbrutalen Geballer ihre Stärken beheimatet sind. Und vergleichen wir die Cover von „Flesh Is Heir“ (Tortureporn-Klischee) und „Revelator“ (Ikonische Arbeit von Valnoir), wird deutlich, dass die Ästhetik von THE AMENTA nicht nur musikalisch definierter und wertvoller ist.

Weltuntergangsjünger und Dystopisten dürfen frohlocken: THE AMENTA sind so gut wie niemals zuvor

Großen Verdienst an der Steigerung der Band hat Sänger Cain Cressall, der nicht nur bestialisch brüllen und schreien kann, sondern daneben eine kräftige, versierte Singstimme hat. Darin stecken Wahnsinn und Wut ebenso wie Trauer und Entsetzen. Auch Gitarrist Erik Miehs hat sein Spektrum erweitert und läuft abseits von tiefen Hochgeschwindigkeitsriffs zur Bestform auf, ganz im Gegensatz zu Drummer David Haley. Der drischt humorlos auf sein Triggerdrumset, beherrscht aber immerhin auch die komplexesten Rhythmen spielerisch. Obwohl Tim Pope als Keyboarder eine tragende Rolle im Songwriting hat, ist er für die Details im Gesamtsound von „Revelator“ zuständig. Und derer gibt es viele bei THE AMENTA. Also lautet die Prämisse: Genau zuhören!

Mit dem knapp sechsminütigen Epilog „Parse Over“ und seinen manisch zwischen leiser Verzweiflung und ohnmächtiger Wut pendelnden Momenten endet THE AMENTAs Rückkehr und hinterlässt einen bitteren Blick auf eine zerstörte Welt. Weltuntergangsjünger und Dystopisten dürfen frohlocken, denn THE AMENTA haben nicht nur ihr mit Abstand bestes Album geschrieben, sondern auch einen kreativen Befreiungsschlag geschafft, mit dem so nicht zu rechnen war. Auf einer Stufe mit RED HARVEST stehen die Australier noch nicht, aber endlich zeigen sie, dass sie eine Menge drauf haben. „Revelator“ ist wegen zwei eher schwachen Songs eben nicht perfekt, aber verdammt kurzweilig, abwechslungsreich, finster und energiegeladen.

Wertung: 7 von 9 Missionen für Snake Plissken

VÖ: 19. Februar 2021

Spielzeit: 45:44

Line-Up:
Cain Cressall – Vocals
Erik Miehs – Guitars
Timothy Pope – Samples, Keyboards
Dan Quinlan – Bass
David Haley – Drums

Label: Debemur Morti

THE AMENTA „Revelator“ Tracklist:

1. An Epoch Ellipsis (Official Video bei Youtube)
2. Sere Money (Official Video bei Youtube)
3. Silent Twin
4. Psoriastasis
5. Twines Towers
6. Parasight Lost (Official Audio bei Youtube) 
7. Wonderlost
8. Overpast
9. Parse Over

Mehr im Netz:

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