„Are We All Angels?“, fragen SCOWL und bleiben dabei ambivalent. Selbst das Artwork begnügt sich mit einer schemenhaften Andeutung, die wir auf verschiedene Weise lesen können. Der Band aufgrund dessen Unentschlossenheit vorzuwerfen, wäre jedoch ein vorschnelles Fazit, denn genau diese fehlende Trennschärfe macht am Ende den Reiz des Albums aus. Nicht nur inhaltlich, wo die US-Amerikaner die eigene Rolle in der Szene reflektieren und über Entfremdung sinnieren, wohlgemerkt: Musikalisch sitzt das Quintett mit seinem Zweitwerk ganz selbstbewusst zwischen den Stühlen.
Grob im Hardcore beheimatet, ist „Are We All Angels“ tatsächlich einen Schritt weitergedacht. Natürlich haben wir die rohen und aggressiven Augenblicke, die hysterischen Screams von Sängerin Kat Moos, die aber noch lieber auf melodischen Klargesang zurückgreift. Quäkende Gitarren und harsche Vocals stehen so im Opener „Special“ der eingängigen Hook gegenüber.
Nichts für Puristen: SCOWL offenbaren mit „Are We All Angels“ ständig neue Seiten
Dabei halten es SCOWL oftmals eher simpel und direkt: Die schrammelnden Punk-Riffs von „B.A.B.E.“ verorten uns etwa an den Beginn der 2000er Jahre, als die Disc des ersten „Tony Hawk’s Skateboarding“ in unserem Sega Dreamcast in Dauerschleife rotierte. Catchy und unbeschwert schlägt „Not Hell, Not Heaven“ in eine ähnliche Kerbe, das folgende „Tonight (I’m Afraid)“ wiederum reduziert zunächst das Tempo, um erst im letzten Drittel die Rock-Anleihen gegen eine rotzige Punk-Kante einzutauschen.
Ein bisschen trockenen Sand wirbelt „Fleshed Out“ auf, dessen Alternative-Einfluss zur Halbzeit eine neue Seite der Band präsentiert. Was man SCOWL somit bei aller Experimentierfreude vorwerfen könnte, ist die zunehmende Distanzierung vom musikalischen Ausgangspunkt. Zumindest Puristen dürften über die Pop-Harmonien und die sanften Melodiebögen nicht durchgehend erfreut sein, obwohl Kat Moss in ihrer Performance selbst dann noch einen Anflug an (gespielter) Resignation durchschimmern lässt: ein fast unscheinbares, doch wichtiges rebellisches Zeichen.
SCOWL versuchen mit „Are We Alle Angels“ bewusst, auf eigenen Beinen zu stehen
Denn angepasst haben sich SCOWL nicht an ihre Umgebung. Zu spüren ist eindeutig der originäre Antrieb des Gespanns: sich keine Ketten anzulegen und der Szene notfalls zu einem neuen Gesicht zu verhelfen. Demzufolge ist „Are We All Angels“ tatsächlich eine so nicht gekannte Schattierung des Genres, das eigentlich mit Post Hardcore viel präziser umschrieben wäre, als es die geläufigen Vertreter des Subgenres dieser Tage tun. Denn SCOWL erweitern die Spielregeln des Hardcore Punk ganz gezielt, indem sie sich neuen Impulsen öffnen, das direkte, bisweilen raue Fundament der Spielart aber nicht auf dem Abstellgleis entsorgen. Keine Entfremdung also, aber ein bewusst breit gestreuter Versuch, auf eigenen Beinen zu stehen.
Veröffentlichungstermin: 04.04.2025
Spielzeit: 32:56
Line-Up
Kat Moss – vocals
Malachi Greene – guitar
Mikey Bifolco – guitar
Bailey Lupo – bass
Cole Gilbert – drums
Produziert von Will Yip
Label: Dead Oceans
Homepage: https://www.scowl40831.com/
Facebook: https://www.facebook.com/Scowl40831
Instagram: https://www.instagram.com/scowl40831
Bandcamp: https://scowl831.bandcamp.com/
SCOWL “Are We All Angels” Tracklist
- Special (Video bei YouTube)
- B.A.B.E (Video bei YouTube)
- Fantasy (Video bei YouTube)
- Not Hell, Not Heaven (Video bei YouTube)
- Tonight (I’m Afraid) (Video bei YouTube)
- Fleshed Out
- Let You Down
- Cellophane
- Suffer The Fool (How High Are You?)
- Haunted
- Are We All Angels