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PLANET X: Live From Oz

Hier gibt es keinen Ohrwurm. Diese Scheibe eignet sich überhaupt nicht dazu sie nebenbei zu hören – das ist das Faszinierende und das Fordernde.

Dass Derek Sherinian oft etwas überheblich und exzentrisch sein kann, ist kein Geheimnis. So ist auch klar, dass der selbst definierte Anspruch von PLANET X, die Progressivsten der Progressiven zu sein, wohl maßgeblich seinen Hirnwindungen entspringt. Ist es auch überheblich nach erst 2 Studioalben eine Live CD zu veröffentlichen?

„Live From Oz“ wurde – wie der Name erahnen lässt – 2001 in Australien aufgenommen. Auf der Scheibe befindet sich vor allem Material von „Universe“ und des ersten Albums „Planet X“, das noch unter der Flagge eines „Derek Sherinian“ Soloalbums lief. Die Besetzung der ersten beiden Alben sowie der Liveaufnahme lautet: Derek Sherinian am Keyboard, Tony Macalpine an der Gitarre, Virgil Donati an den Drums und Dave LaRue bedient als Gastmusiker den Bass.

Der Anspruch von PLANET X ist definiert und dementsprechend legen die Jungs auch los. In ihrem einzigartigen Jazz/Rock/Fusion Mix frickeln sie sich durch das Live Programm. Die Tracks von PLANET X bestehen meistens aus wenigen komponierten Themen, die mit Solospiel und Improvisation verlassen werden und irgendwann wieder aufgegriffen werden. Eine Schlüsselrolle hat hier natürlich Drummer Virgil Donati. Sein Spiel ist derartig komplex, dass mir hier absolut keine Vergleiche einfallen. Es ist selbst für Musiker schwierig, seinen Patterns zu folgen. Absolut faszinierend ist, wie er die Soloeskapaden seiner Mitstreiter unterstützt und dann wieder die Band auf das Thema zusammenführt. Tony Macalpine und Derek Sherinian teilen sich die Soloausflüge auf. Gitarre und Keyboard sind bei PLANET X gleichberechtigt. Einzig Gastbassist Dave LaRue hat auf „Live From Oz“ keinen eigenen Solotrack.

Bei solch komplexer Musik ist es sicher nicht einfach einen guten Livesound zu kreieren und schon gar nicht, diesen gut auf einen Tonträger zu transportieren. Was die Tontechniker zusammen mit Simon Phillips hier geleistet haben, ist schlichtweg unglaublich. Ein klarer, präziser Sound, in dem man jeder Basslinie folgen kann. Kein Frequenzbereich geht hier unter und man hört das Publikum an den richtigen Stellen. Die Songs können mich hier mehr überzeugen als auf allen Studioalben von PLANET X. Vielleicht liegt es auch daran, weil man hier hört, dass progressive Musik nicht unbedingt etwas mit seelenlosem Gefrickel zu tun haben muss. Gerade Musiker werden hier heraushören können, dass das verdammt viel mit Leidenschaft zu tun hat und nicht mehr aus dem Staunen herauskommen, seien es Duelle zwischen Macalpine und Sherinian wie in „Pods Of Trance“ oder unisono Linien wie in „Apocalypse 1470 BC“, in denen erst in den Pausen der rasend schnellen Scales noch eine Beatorientierung durch das Schlagzeug stattfindet und später dieselbe Passage noch mal ohne Orientierung gespielt wird. Ein Schauspiel, dessen Ehrfurcht erregende Präzision mir mal für mal einen schockierten Gesichtsausdruck verleiht. Es ist schwierig hier einzelne Tracks hervorzuheben, da sich die Songs schon sehr ähneln und natürlich absolut gleiche Trademarks aufweisen. Es ist eher so, dass man Track für Track die Virtuosität auf`s neue bestaunt. Zu erwähnen sind das durch eine verdammt tighte Double Bass angetriebene „Dog Boots“, genauso wie der lange Opener „Ignotus Per Ignotium“, der damals ein Vorgriff auf das folgende Studioalbum „Moonbabies“ war und mit coolen Gitarrenriffs auf Tony Macalpine`s 7 saitiger Gitarre überzeugt.

Natürlich handelt es sich hier um Musik für Musiker, alle anderen sollten sich hier nicht angesprochen fühlen und diese Scheibe ignorieren. Was PLANET X von Projekten wie dem BLACK LIGHT SYNDROM (Bozzio/Levin/Stevens) unterscheidet, ist, dass hier kaum klassische Rock/Blues Einflüsse vorherrschen. Der jazzige Stil überwiegt mit modernen Elementen. Es gibt hier auch nur wenige Momente, die wirklich hängen bleiben, zu schnell wechseln die Themen, zu vertrackt sind selbst einfache Melodien gespielt. Ein gutes Beispiel liefert hier das kurze Warfinger Reprise, bei dem die eigentlich recht eingängige Melodie sofort abstrahiert wird. Wer wert auf Songwriting legt, wird hier auch überhaupt nicht glücklich werden. Hier gibt es keinen Ohrwurm. Diese Scheibe eignet sich überhaupt nicht dazu sie nebenbei zu hören. Gerade das ist aber das Faszinierende und das Fordernde. Musiker, die gerne andere großartige Musiker hören, sollten hier absolut begeistert werden. Die abgefahrene – teilweise kaum nachvollziehbare – Rhythmik und die schrägen Harmonien sowie die großartigen Solos hinterlassen immer wieder ein ungläubiges Staunen. Die Atmosphäre ist spannend, technisch und auch etwas düster, was den Grundtenor von PLANET X beschreibt. Man kann die musikalische Genialität und die Liebe zur Musik einfach spüren. Das hat in meinen Augen verdammt viel Seele. Und nein, es ist nicht überheblich ein solches Livealbum zu machen.

Veröffentlichungstermin: 03.04.2002

Spielzeit: 73:01 Min.

Line-Up:
Derek Sherinian (Keyboards)

Virgil Donati (Drums)

Tony Macalpine (Guitars)

Dave LaRue (Bass)

Produziert von Simon Phillips
Label: InsideOut Music

Homepage: http://www.xplanetx.com

Tracklist:
1. Ignotus Per Ignotium (7:46)

2. Inside Black (5:16)

3. Dog Boots (3:55)

4. Apocalypse 1470 BC (6:24)

5. Sea Of Antiquity (4:20)

6. Lost Island (6:21)

7. Derek Sherinian Solo (2:41)

8. Warfinger (4:36)

9. Virgil Donati Solo (4:00)

10. Warfinger Reprise (1:52)

11. Tony Macalpine Solo (4:14)

12. Her Animal (4:40)

13. Europa (4:20)

14. Pods Of Trance (8:08)

15. [Untitled Track] (4:24)

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