Der erste Nornengesang im Jahr 2022 war nun nicht gerade das, was dem Erbe eines Tomas Liljedahl gerecht wäre. „Star Is Way, Way Is Eye“ war weder so gelungen wie „Feast On Your Gone“, das einzige Album von THE OLD WIND und konnte es schon gar nicht mit der Diskografie der legendären BREACH aufnehmen. Denn NORNA haben ein ähnliches Problem, wie viele Sludge-Bands der neueren Generation: Es geht ihnen rein um akustische Intensität, einfach Heaviness um der Heaviness willen, ohne emotionale Gravitas. Mit ihrem selbstbetitelten Zweitwerk hat das schweizerisch-schwedische Trio nun die Möglichkeit, diesen Makel zu beseitigen – doch es gelingt nur zu kleinen Teilen.
NORNA reichern die Musik ihres Debütalbums mit etwas Atmosphäre und ein paar Harmonien an, doch es reicht nicht, um „Norna“ dauerhaft mitreißend werden zu lassen.
„Norna“ beginnt erbarmungslos düster und repetitiv mit dem schleppenden „Samsara“ und schraubt die Negativität mit rostigem Werkzeug in die Hirne der Hörenden. Nun, dass NORNA ein leichtverdauliches Album erschaffen würden, war ausgeschlossen, doch dieser Schwall an Negativität ist schon besonders. Liljedahl und seine beiden Mitstreiter lassen das Skalpell ruhen und gehen mit dem Holzhammer vor, selbst dann, wenn sie trostlose Zeitlupenriffs und -grooves mit einem Hauch Laut-Leise-Dynamik und Atmosphäre abwechseln. Schon „Samsara“ zieht sich mit seinen sieben Minuten überraschend stark, auch trotz dieser homöopathischen Abwechslung.
Das pechschwarze Spiel geht fünf Songs und 33 Minuten lang so weiter und findet nur wenige Highlights. Der Sludge des Trios ist auf maximale Brutalität und Tristesse gepolt und dabei werden die wirklichen Emotionen leider vergessen. Immerhin, NORNA beweisen zwischendurch, dass sie ein Händchen für Melodien („For Fear Of Coming“) und Atmosphäre („Shine By It’s Own Light“) haben und es gibt mehrere Songs mit wirklich guten Mainriffs als Ausgangspunkt („Ghost“, „Shadow Works“), doch die Band kastriert sich selbst, indem sie ihre Stücke nicht zur vollen Größe wachsen lässt.
Die Gravitas von „Norna“ ist da, aber die Ganzheitlichkeit fehlt: NORNA beschränken sich auf das rein akustische, nicht das emotionale Erleben.
Vielleicht ist es genau das, was NORNA ausdrücken wollen – dieses tonnenschwere Gewicht der Welt auf den Schultern, das den Menschen nicht wachsen und sich nicht entfalten lässt. Das wird durch die Gravitas des Albums spürbar und so heben sich NORNA auch von der lärmenden Antimusik PRIMITIVE MANs ab. Deshalb ist es schade, dass „Norna“ nicht zu Ende gedacht scheint, ein wenig wie ein Schnellschuss. So als hätte das Trio die Eckpunkte abgeklopft („Mainriff? Check. Kurzer Melodiepart? Check. Atmosphärischer Part? Check.), und dann die Songs vorschnell abgenickt.
Es steckt viel Erfahrung und Potenzial in dem Trio, gleichzeitig ist NORNA eine limitierte Band, die sich zu stark auf die üblichen Zutaten verlässt. Im Prinzip führt Tomas Liljedahl damit den zu THE OLD WIND eingeschlagenen Weg weiter, nur dass die simplen Zutaten von damals für das Heute nicht mehr ausreichen. Das ist insofern schade, da NORNA das Zeug zu viel mehr hätten – selbst wenn sie sie die allumfassende Dunkelheit und unerträgliche Schwere der Seele so minimalistisch hör- und spürbar machen wollen. Kurz: Ins Hirn fräsen sich die Songs zwar bis zu einem gewissen Grad, aber eben nicht ins Herz.
Wertung: 3 von 6 ungesalzene Suppen
VÖ: 30. August 2024
Spielzeit: 40:49
Line-Up:
Thomas Liljedahl
Christophe Macquat
Marc Theurillat
Label: Pelagic Records
NORNA „Norna“ Tracklist:
1. Samsara
2. For Fear Of Coming (Official Video bei Youtube)
3. Ghost (Official Audio bei Youtube)
4. Shine By It’s Own Light
5. Shadow Works
6. The Sleep
NORNA „Norna“ Full Album Stream bei Youtube
Mehr im Netz:
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