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MUSE: Will Of The People

“Will Of The People” fehlt es nicht an Abwechslung: MUSE vereinen Glam Rock, 80er Synths und sogar Metal-Anleihen mit ihrer charakteristischen Megalomanie.

Geht man nach den vorherrschenden Stimmen im gegenwärtigen Online-Diskurs, dann ist der Wille des Volkes relativ eindeutig: Mehr „Absolution“ (2003), mehr „Origin Of Symmetry“ (2001) und vielleicht noch etwas von „Black Holes & Revelations“ (2006). Aber ab dann werden die Fürsprecher immer leiser – eigentlich das klassische Narrativ einer Band von Weltstatus. Früher war also alles besser. Eine Schlussfolgerung, der MUSE diesmal selbst zustimmen, wenn auch in anderem Kontext: „We Are Fucking Fucked“ schließt das neunte Album „Will Of The People“ mit einem recht desillusionierten Fazit des aktuellen Weltgeschehens.

Pandemie, Naturkatastrophen, Krieg, Desinformation – wenn alles aus dem Ruder läuft und nicht einmal der Alltag noch eine gewisse Konstanz liefern kann, hinterlässt das natürlich Spuren. Thematisch also ohnehin gefundenes Fressen für Sänger und Gitarrist Matt Bellamy, der ja ohnehin schon immer ein Faible für Verschwörungstheorien und asymmetrische Machtstrukturen unter Beweis stellte.

MUSE beweisen der Megalomanie zum Trotz einen Blick für das Individuum

Dementsprechend findet sich dies auch als roter Faden in „Will Of The People“ wieder: Überwachungsstaat trifft auf Widerstand, trifft auf Unterdrückung, trifft auf Sehnsucht nach und Kampf für Freiheit. Was die vielleicht größte Rock-Band der aktuellen Generation allerdings diesmal hinzuaddiert, ist ein besonderes Augenmerk auf die emotionale Ebene: Das kontemplative „Verona“ mit seinem behäbigen Songaufbau und dem flächigen Synth-Gerüst etwa zieht mögliche Parallelen zwischen Shakespeares „Romeo und Julia“ und den sozialen Schranken der frühen Covid-Lockdowns. Die Piano-Ballade „Ghosts (How Can I Move On)“ wiederum schrieb Bellamy für all jene, die durch die Pandemie Familie, Freunde oder Verwandte verloren haben.

Das zeigt trotz der Megalomanie, die MUSE sonst gerne betreiben, einen Blick für das Individuum, das in den dystopischen Visionen der Band sonst bewusst untergeht. Nicht umsonst fordert der geradlinige Pop-Song „Compliance“ dank eingängiger 80s-Keyboards und zuckriger Melodieführung Bellamys absoluten Gehorsam. Dass der Track als kalkulierter Ohrwurm konzipiert ist, reflektiert dann auch die dystopische Grundthematik, die musikalisch darüber hinaus auf verschiedenste Weise beleuchtet wird: Mag es hier noch ein einfaches „Hirn aus und (zu)hören“ sein, tobt sich „Will Of The People“ trotz seiner knackigen Spielzeit von 38 Minuten nämlich in verschiedensten Ecken des MUSE-Kosmos aus, ohne dabei zum Flickwerk zu verkommen.

Es fehlt nicht an Abwechslung: “Will Of The People” vereint Glam Rock, 80er Synths und sogar Metal-Anleihen

Da ist der aufrüttelnde, ja fast schon naiv-optimistische Titeltrack, dessen unverkrampften Glam-Rock-Ansatz wir erst live erleben mussten, um Gefallen daran zu finden. Da ist das knackige „You Make Me Feel Like It’s Halloween”, das mit seinen cheesy Horror-Tropen eigentlich gar nicht funktionieren dürfte, aber irgendwo zwischen 80er-Synths und Michael Jackson doch seiner ernsten Thematik der häuslichen Gewalt gerecht wird. Dazwischen schielen MUSE mit „Liberation“ einmal mehr Richtung QUEEN, bevor „Won’t Stand Down“ mit teils harten Riffs und sogar einem Breakdown das andere Extrem auslotet. Diese Metal-Anleihen finden sich darüber hinaus im starken „Kill Or Be Killed“, wo es satte Riffs, etwas Doublebass und ein generell packendes Arrangement um die Ohren gibt.

Die musikalische Bandbreite von „Will Of The People” ist somit fast so ambitioniert wie es dieser Tage der Versuch wäre, alle Fanlager der Formation vollends zufriedenzustellen. Gelingen wird das – wir kennen ja das Schicksal erfolgreicher Gruppierungen – voraussichtlich nicht, obwohl das straighte „Euphoria“ fast schon wie eine Art Zugeständnis wirkt; ein gut gemeintes Unterfangen, die Quintessenz von Hits wie „Hysteria“, „Time Is Running Out“ oder „Plug In Baby“ ganz beiläufig neu aufzugießen. Aber was soll’s, die wiedererstarkten MUSE können sich das erlauben. Denn egal, wie sie sich verdrehen oder zu verbiegen versuchen, allen werden die drei Musiker es sowieso nie recht machen – daran ändert selbst ein kurzweiliges Album wie „Will Of The People“ nichts.

Veröffentlichungstermin: 26.08.2022

Spielzeit: 37:40

Line-Up

Matt Bellamy – Vocals, Gitarre, Piano, Keyboard
Chris Wolstenholme – Bass
Dominic Howard – Drums, Percussion

Produziert von MUSE, Serban Ghenea (Mix), Dan Lancaster (Mix) und Chris Gehringer (Mastering)
Label: Warner

Homepage: https://muse.mu/
Facebook: https://www.facebook.com/muse

MUSE “Will Of The People” Tracklist

  1. Will Of The People (Video bei YouTube)
  2. Compliance (Video bei YouTube)
  3. Liberation
  4. Won’t Stand Down (Video bei YouTube)
  5. Ghosts (How Can I Move On)
  6. You Make Me Feel Like It’s Halloween (Video bei YouTube)
  7. Kill Or Be Killed (Video bei YouTube)
  8. Verona
  9. Euphoria
  10. We Are Fucking Fucked
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