MARATHON: Mark Kelly’s Marathon

Tolle Musiker, tolle Songs – Mark Kelly hat alles richtig gemacht

Lange hat’s gedauert! Schon seit mehr als 30 Jahren hat MARILLION-Tastenmann MARK KELLY die Vision, ein Soloalbum zu machen. Schön dass es dann doch mal geklappt hat. Das unter dem Banner MARATHON geführte Album kommt right in time zu einer seltsamen Zeit, in der man sich zurückziehen kann und muss und schöne Musik ganz neu für sich entdeckt. Und davon gibt es hier ganz viel in ganz toll, das vorweg genommen.

Braucht man MARILLION, um über Mark Kelly zu reden? Nun ja, die englischen Prog-Veteranen habe ich nach dem schönen, entspannten 2009er “Less Is More“-Album aus den Augen verloren. Schauen wir doch lieber auf MARATHON. Nicht wirklich überraschend ist man auch hier im gemäßigten Prog Rock unterwegs, man wird entführt in Klangwelten, die einen sofort erfolgreich bei der Hand nehmen und in die Songs ziehen.

MARK KELLY’S MARATHON zieht einen in die Songs

Den Auftakt macht “Amelia”, welches in drei Teilen erklingt. Dies beginnt mit einem Intro, welches mich trotz seiner Kürze erst an ALI FERGUSON und seine Soloalben denken lässt. Zufall, dass einem im Verlauf des Albums oft mal dessen Arbeitgeber RAY WILSON in den Sinn kommt? ” Whistling At The Sea” zeigt sich dann als schwebender Rocksong. Wer unbedingt mag, kann an MARILLION denken oder an GENESIS zu Zeiten von “Calling All Stations”, da sind wir wieder bei WILSON. Sofort nimmt einen die Stimme von Oliver M.Smith gefangen. Man muss unweigerlich etwas an PETER GABRIEL denken. Zieht er die Stimme hoch, dann denkt man an ELBOWs Guy Garvey. Und immer wieder der Gedanke, der sich durch viele der Songs zieht: Hier hätte man sich sehr gut auch RAY WILSON vorstellen können. Oder man würde sich ähnliche Songs auch wieder mehr auf dessen Alben wünschen. Egal, schon mit diesem Song ist man fernab der Realität und schwebt mit der schönen Musik davon. “13 Bones” kommt etwas lauter und theatraler, würde auch gut zu einem der zahllosen MORSE/PORTNOY-Projekte passen. Schöne Leads lassen einen davonträumen.

Die folgenden drei Lieder stehen für sich. “When I Fell” kommt mit einem coolen Flow daher, bringt eine gute Portion Pop mit sich, bevor sich die Hammondorgel laut zu Wort meldet. Um im Kreis der genannten Bands zu bleiben, kann man in den eher poppigen Momenten auch mal an MIKE & THE MECHANICS denken. “This Time” hat einen noch griffigeren Groove, der schnell zum Mitswingen einlädt. Der simple Refrain setzt sich so unverschämt fest wie die so mancher NEAL MORSE-Songs. Abflug ist dann angesagt beim wunderschönen “Puppets”. Hier muss ich immer wieder auch an 80er Edel Pop-Rocker denken wie SPANDAU BALLET oder TEARS FOR FEARS, vor allem durch die Vocals, denen man immer wieder genauso versunken zuhört wie den tollen Gitarren. Hier nun sorgt auch MARILLION-Kollege Steve Rothery für ein wunderschönes Solo.

Tolle Musiker, tolle Songs – Mark Kelly hat alles richtig gemacht

Bandboss Mark Kelly schiebt sich nur selten, dann aber erfolgreich in den Vordergrund. Sein Neffe Conal Kelly macht am Bass ebenfalls einen tollen Job, obwohl er eher überredet wurde zum Mitmachen. Und auch den Drums gezielt zuzuhören macht Spaß, da gibt es viel zu entdecken. Überhaupt ist Zuhören bei diesem Album ein entscheidendes Wort. Man hört dies nicht nebenbei. Da geht man ins Terrarium, um dort die Fenster zu putzen. Und bemerkt irgendwann, dass man schon lange neben seinem Leguan auf dem Baum sitzt und vertieft und verträumt der Musik lauscht. Ist eh schon zu dunkel, hören wir halt zusammen das Album zuende.

Auch “Twenty Fifty One” ist ein Dreiteiler. Atmosphärisch spacig der Auftakt, dann nimmt einen “Arrival” bei der Hand. Die oben genannten Bands mag man nicht ganz wegschieben, auch hier würde ein RAY WILSON gut passen. Braucht er aber nicht, Mastermind Kelly hat mit Smith und Vickers die genau richtigen Stimmen ausgewählt. Der Song baut sich auf, erzählt greifbar seine Geschichte. “Trail Of Tears” darf auch mal kurz laut und zappelig proggen, zeigt sich als willkommener Ausbruch aus diesen verträumten Klangwelten. “Brief History” baut sich nochmal groß auf, mit den catchy Melodien denkt man wieder am MORSE und Co. Mit seinem fordernden Groove sicher zum Abschluss eines Konzertes der Moment, wo das Publikum fröhlich am Mittanzen ist. Schade, dass man das geschmeidige Solo schon ausblendet, da hätte man gern noch eine proggige Abfahrt als Schlusspunkt setzen können. Das ist aber irgendwie auch das einzige Haar in der Suppe, es gibt einfach nichts dran auszusetzen.

Ein Sound, als würde man inmitten des Studioraumes sitzen

Was mich immer wieder zum Eintauchen einlädt, ist der tolle Sound des Albums. Es gab keinen Producer, keinen ach so erfahrenen Knöpfchendreher. Mark hat die Aufnahmen während dem Lockdown selbst übernommen. Und so klingt dieses tolle Soloalbum nicht nach einer hochgebügelten Megaproduktion. Hier klingt alles warm und gefühlsecht. Alles klingt, als würde man inmitten des Studioraumes sitzen und die Band spielt die Songs nur für dich. Das funktioniert, wie so oft bei solcher Musik, noch besser unter dem Kopfhörer. Oder aber überraschend oft richtig laut, dann füllt die Musik den ganzen Raum aus. Auch die Nachbarn singen sicher schon den Refrain von “This Time” unaufgefordert mit.

Hoffen wir, dass aus MARATHON mehr wird als nur ein kurzer Ausflug von Mark Kelly

Man merkt es vielleicht, das Album hat mich voll erwischt. Wunderschöne Musik mit tollen Songs, präsentiert von tollen Stimmen und Musikern. Für mich persönlich das schönste Album dieses Jahres, das schlichtweg nicht vom Plattenspieler zu vertreiben ist. Das Gefühl, ein Soloalbum zu hören, kommt hier zu keinem Moment auf. Hoffen wir mal, dass aus MARATHON mehr wird als nur ein kurzer Ausflug des MARILLION-Keyboarders Mark Kelly! Das Album ist in sich stimmig, ist nicht zu lang, sodass einen Füller abdriften lassen könnten. Die Aufmachung der Platte rundet das Gesamtbild ab. Hier passt irgendwie alles.

Auch wenn die Vergleiche zu den genannten Bands etwas platt klingen, so dürfte jeder Fan solcher soften Prog-Acts wie MARILLION, GENESIS, RAY WILSON mit seinen typischen zwei bis drei letzten Songs auf seinen Alben, aber durchaus auch poppigeren Ablegern wie MIKE & THE MECHANICS dieses Album lieben. Und wenn jetzt gerade wieder der Refrain von “Arrival” catchy vorbei kommt, Freunde von THE NEAL MORSE BAND, FLYING COLORS und Co können auch bedenkenlos zugreifen.

Veröffentlicht am 27.11.2020

Spielzeit: 43:56 Min.

Lineup:
Mark Kelly – Keyboards
Guy Vickers – Vocals
Oliver M. Smith – Vocals
Pete “Woody” Wood – Guitars
John Cordy – Guitars
Conal Kelly – Bass, Backing Vocals
Henry Rogers – Drums

Label: earMUSIC

Homepage: https://marathonsounds.com

Mehr im Web: https://www.facebook.com/mkmarathon

Die Tracklist von “Mark Kelly´s Marathon”:

1. Amelia (I) Shoreline
2. Amelia (II) Whistling At The Sea (Video bei youtube)
3. Amelia (III) 13 Bones
4. When I Fell
5. This Time (Video bei youtube)
6. Puppets
7. Twenty Fifty One (I) Search
8. Twenty Fifty One (II) Arrival
9. Twenty Fifty One (III) Trail Of Tears
10. Twenty Fifty One (IV) Brief History

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