Zurück zum Wesentlichen? In gewisser Weise kann man das so sehen, haben LEPROUS ihren Sound schließlich insofern entschlackt, als dass die orchestralen Stilmittel anno 2024 wieder gänzlich zurückgefahren wurden. Statt Streichern liegt also wieder ein stärkerer Fokus auf den Synthesizern, was angesichts der mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten durchaus aufhorchen lässt. Zumindest anfangs, denn schnell kristallisiert sich die recht gleichförmige Vorgehensweise heraus, die „Melodies Of Atonement“ über weite Strecken charakterisiert.
Die einzelnen Bandmitglieder mögen wieder mehr Spielraum zur Verfügung haben, doch füllen LEPROUS diesen oft mit fast schon schablonenartigem Vorgehen. Langsam und schleichend kriechen die Stücke zumeist voran, um sich nach behäbigem Aufbau irgendwann in einer kraftvollen Eruption zu entladen, bevor sich die Klangkulisse wieder auf Zehenspitzen nach vorne tastet. Das ist beileibe kein schlechtes Vorgehen und in den Händen der Norweger ein durchaus effektives Mittel, kostet Album Nummer acht aber das Überraschungsmoment.
Die interessantesten Elemente von “Melodies Of Atonement” sind im Detail zu suchen
Was in den beiden Singles „Silently Walking Alone“ und „Atonement“ aufgrund der wiederentdeckten Liebe zur Gitarre hervorragend funktioniert, verliert im Laufe der 52 Minuten unweigerlich an Faszination. Von zeitgenössischem Pop ist das Resultat natürlich Lichtjahre entfernt, richtig fordernd und progressiv agieren LEPROUS derweil kaum noch. Die interessantesten Elemente sind vielmehr im Detail zu suchen, wo der oftmals sehr zurückhaltend agierende Drummer Baard Koolstadt subtil Akzente zu setzen vermag („Like A Sunken Ship“) oder gemeinsam mit den Gitarren in „Limbo“ die Spannung sukzessive nach oben schraubt.
Selbstredend thront über alldem erneut Einar Solbergs markante Stimme, deren Pathos und Theatralik unlängst zum Markenzeichen geworden ist. Die Emotionalität des Sängers prägt auch „Melodies Of Atonement“ in entscheidender Weise, ganz gleich ob die Kompositionen auf ihren dramatischen Höhepunkt zusteuern oder sich sachte und zögerlich in sich kehren. Nur selten wird Solberg selbst zur Last, wenn er etwa das instrumental herausragende „Faceless“ in der zweiten Hälfte mittels seiner repetitiven Lyrics gegen die Wand fährt.
Ihre Spritzigkeit und Ausgeglichenheit können LEPROUS diesmal nicht kanalisieren
Da LEPROUS im letzten Drittel der Platte zudem keinerlei Versuche unternehmen, Tempo oder Dramaturgie durchzumischen, kann selbst ein eigentlich guter Track wie „Unfree My Soul“ als Schlusspunkt sein Potenzial nicht richtig entfalten: Zu gleichförmig ist der Ansatz, den „Melodies Of Atonement“ in den vorherigen Minuten gezeigt hat; dabei hätte die Platte zum Ende hin ein härteres Intermezzo bitter nötig gehabt. Zum Fall bringen diese Ungereimtheiten so erfahrene Musiker, wie es die Norweger sind, nicht. Die Spritzigkeit der älteren Werke und die Ausgeglichenheit der zugänglicheren Spätphase kann das Quintett bei aller Reduktion aufs Wesentliche diesmal jedoch nicht kanalisieren.
Veröffentlichungstermin: 30.08.2024
Spielzeit: 51:46
Line-Up
Einar Solberg – vocals/keys
Tor Oddmund Suhrke – guitars
Robin Ognedal – guitars
Simen Børven – bass
Baard Kolstad – drums
Produziert von David Castillo, Adam Noble (Mix) und Robin Schmidt (Mastering)
Label: InsideOut Music
Homepage: https://leprous.net/
Facebook: https://www.facebook.com/leprousband/
Instagram: https://www.instagram.com/leprousofficial/
Bandcamp: https://insideoutmusic.bandcamp.com/album/melodies-of-atonement
LEPROUS “Melodies Of Atonement” Tracklist
1. Silently Walking Alone (Video bei YouTube)
2. Atonement (Video bei YouTube)
3. My Specter
4. I Hear The Sirens
5. Like A Sunken Ship (Video & Stream)
6. Limbo
7. Faceless
8. Starlight
9. Self-Satisfied Lullaby
10. Unfree My Soul