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ERRORHEAD: Errorhead (Sat 9002.2)

Elektronik trifft auf instrumentale Gitarrenmusik. Bereits 1998 ging Marcus Deml Wege, die selbst heute nur zögerlich beschritten werden. Ein moderner Klassiker…

Nach langem Ringen mit mir selbst, habe ich mich dazu entschlossen, diese Scheibe im Rahmen der Hell-Of-Fame zu besprechen. Der Grund für das Überlegen lässt sich in einer Frage formulieren: Wer kennt ERRORHEAD? Die wenigsten wahrscheinlich. Dennoch handelt es sich bei „Errorhead“ um eine innovative Platte, die nicht weiter totgeschwiegen werden darf. Deshalb eine ausführliche Plattenkritik:

„Pssst… hey, yeah you… Look what I´ve got… some very cool stuff… very very cool stuff“. Mit diesen Zeilen beginnt The Dealer und damit das selbst betitelte ERRORHEAD Debüt aus dem Jahre 1998. Dass Mr. Errorhead, Marcus Deml, keine Sprücheklopfer ist, sondern ein ernsthafter, moderner Gitarrist, der sich in der deutschen (Studio) Musiker Szene als Teil des RÖDELHEIM HARTREIM PROJEKT, NENA, SAGA, KINGDOM COME und LAITH AL-DEEN schon seinen Namen gemacht hat, dürften alle, die ihn noch nicht kennen, durch das Hören seines Elektronik-Gitarren Projekts mit dem Namen ERRORHEAD schnell feststellen.

Auf Errorhead dominiert die Moderne. Marcus Demls exzellentes Gitarrenspiel wird durch einen Drum Computer, Samples und Effekte unterlegt. So entstehen coole Grooves und Klangbilder, die ganz weit weg sind von den üblichen Gitarristen-Solo-Alben eines STEVE VAI oder JOE SATRIANI. Marcus Deml ist ein musikalischer Grenzgänger. Er schert sich nicht um Konventionen, Traditionen oder um Sparten. So mischt er auf Errorhead locker Jazz, Funk und Rock mit elektronischen Einflüssen. Seine Musik ist ein Spiegel seiner Seele, darauf legt der in Prag geborene und in den USA, Österreich und Deutschland aufgewachsene Hamburger wert. Und so bringt er die oft als widersprüchlich betrachteten oder manchmal auch gemeinsam nicht gerne gesehenen Elemente Programmierung, Elektronik und angejazzte Rock Gitarre, ohne die Musikalität aus den Augen zu verlieren, lässig zusammen und beseitigt mit Errorhead Widersprüche und Grenzen. Die von Jeremy Sash programmierten Drums, Beats und Sounds sind ebenfalls alles andere als seelenlos und zeigen, dass Elektronik und Musik eine Einheit bilden können. Das einzig annähernd Vergleichbare, was mir zu ERRORHEAD einfällt, ist das 2000 – also 2 Jahre später – veröffentlichte Engines of Creation Album von Joe Satriani. Logisch, da auch auf dieser Scheibe viel Programmierung verwendet wurde.

Selten überschreitet Marcus Deml mit seinen Tracks die verträgliche 5-Minuten-Grenze. Jeder Song hat seine eigene Atmosphäre von geheimnisvoll, verträumt, orientalisch über technisch bis zu düster. Trotz der Vielseitigkeit haben alle Tracks eines gemeinsam: sie beinhalten virtuoses Gitarrenspiel mit wunderbar eingesetzten Effekten, das zu keiner Zeit zu aufdringlich wirkt, sondern immer mit dem Gefühl für den richtigen Ton und die richtige Melodie zum richtigen Zeitpunkt aufwartet. So schafft er in den kompakten Songs eine Identität, einen Punkt zum Erinnern, zum Sinnieren und Reflektieren. Die Synergien, die Mr. Errorhead mit seiner Gitarre und der Elektronik erzeugt sind bemerkenswert. Im Endprodukt hat man wirklich das Gefühl, dass sich alle Elemente ergänzen und zu Klangcollagen verschmelzen.

„Made in Germany“ muss musikalisch kein schlechtes Gütesiegel sein, das beweist „Errorhead“. Wenn man das ganze im Kontext des Veröffentlichungszeitpunkts 1998 sieht, darf man – ganz im Gegensatz zu vielen anderen musikalischen Produkten dieses Landes – ohne Übertreibung von Innovation sprechen.

Sowohl Sound als auch Artwork sind ebenfalls gelungen und man kann dieses Album nur jedem empfehlen, der offen für neues ist. Selbst 2004 hat diese Platte nichts von ihrem Reiz verloren.

Marcus Deml sagte in einem Interview mit der Gitarre & Bass sinngemäß, dass er sich nicht darum kümmere, welche Sneakers er zu welcher Musik tragen müsse. Das möge er nicht. Marcus Deml mag Musik. Wer diese Aussage für sich unterstreichen kann, versteht Errorhead. Eine außergewöhnliche, innovative, aber leider viel zu unbekannte Platte eines hervorragenden Musikers.

Veröffentlichungstermin: 1998

Spielzeit: 45:15 Min.

Line-Up:
Marcus Deml – Guitars

Jeremy Sash – Programming

Produziert von Marcus Deml & Jeremy Sash
Label: BMG

Homepage: http://www.errorhead.com

Tracklist:
1. The Dealer

2. Game Boy

3. The Other Side

4. Cruel Beauty

5. Praha

6. Love Or Hate

7. Errorhead

8. Miles From Nowhere

9. Trippin

10. Desert Dance

11. I Feel Better

12. Song For You

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