GHOST IRIS klingen exakt, wie wir es von einer modernen Metalcore-Band im Jahr 2021 erwarten würden. GHOST IRIS klingen aber auch nicht immer so, wie man es normalerweise von zeitgenössischen Genre-Acts gewohnt ist. Schrödingers Metalcore-Band, also, gleichzeitig irgendwie generisch und doch originell?
Mit dessen Katze teilen sich die Dänen aber nicht nur den ambivalenten Zustand, sondern auch ihre Unberechenbarkeit. Wer selbst einen Stubentiger zu Hause hat, kennt sich sicherlich aus mit plötzlichen Stimmungsschwankungen. GHOST IRIS machen daraus geradezu eine Tugend: „Deserted Dread“ ballert nach dem kurzen Intro genretypisch nach vorne: Es gibt einen satten und vergleichsweise sauberen Sound, der den tief gestimmten Gitarren entsprechend Bumms verleiht, während Gast-Growler Mark Hunter (Ex-CHIMAIRA) das Abrisskommando mimt.
Doch dann die Überraschung: Frontmann Jesper Vicencio Gün kann selbigem nicht einfach nur entgegenhalten – in „Paper Tiger“ wird er uns kurz darauf ziemlich humorlos mit den Death Metal-Einflüssen der Band bekanntmachen -, er ist auch ein klasse Sänger mit einer durchaus markanten Stimmfarbe. „Deserted Dread“ bekommt im Refrain dadurch sogar etwas Indie-Farbe, wenn es gesanglich in Richtung THE INTERSPHERE geht. Eigentlich eine absurde Vorstellung, doch unverkrampfte Rock-Zitate finden wir später auch bei „Cult“, wo die Leadgitarre frische Akzente setzt.
Zwischen den Stühlen zu sitzen ist für GHOST IRIS quasi Volkssport
GHOST IRIS nutzen die bekannten Stilmittel des Metalcore somit als Fundament und als Sprungbrett, ohne sich davon versklaven zu lassen. Dieser Spagat zwischen der prägenden Brachialgewalt des Genres und dem kontrollierten Pop-Appeal ist dann auch die Essenz von „Comatose“. Klar, das machen viele Kapellen so, doch nur wenige zeigen dabei so viel Profil wie die Dänen.
Zwischen den Stühlen zu sitzen scheint für das Quartett eine Art Volkssport zu sein: „Ebb//Flow“ zeigt erneut den Indie- bzw. Post Hardcore-Spirit, „Power Schism“ durchbricht den anfänglich knallharten Djent mit einem unverschämt eingängigen Pop-Refrain und in „Coda“ geht es vom industrial-geschwängerten Metalcore in einen getragenen Refrain. Das hat Methode und wird etwa in „Cold Sweat“ noch von verdammt starken Riffs flankiert.
„Comatose“ überzeugt letztendlich mit dem Charme seiner melodischen Seite
Die größte Schwäche, die sich „Comatose” also erlaubt, ist auf Anhieb vertraut zu klingen. Das verkürzt die Kennenlern-Phase, könnte GHOST IRIS aber mittelfristig auf die Füße fallen, würden sie nicht ihre melodische Seite mit so viel Charme ausleben. Auch deshalb bringt Album Nummer vier durchaus frischen Wind in die Anlage, obwohl wir auf den ersten Blick eigentlich alles exakt so vorfinden wie erwartet. Im Übrigen bestätigt das wiederum die eingangs aufgestellte These, nur dass „Comatose“ im Gegensatz zur hypothetischen Katze kein bloßes Gedankenexperiment ist.
Veröffentlichungstermin: 7.5.2021
Spielzeit: 36:38
Line-Up
Jesper Vicencio Gün – Vocals
Nicklas Grønlund Thomsen – Guitar
Daniel Leszkowicz – Guitar
Sebastian Linnet – Drums
Label: Long Branch Records / SPV
Homepage: https://ghostiris.bandcamp.com/
Facebook: https://www.facebook.com/GHOSTIRIS
GHOST IRIS “Comatose” Tracklist
01. (3815935)
02. Desert Dread Feat. Mark Hunter (Stream & Video)
03. Paper Tiger (Stream)
04. Cult (Lyric-Video bei YouTube)
05. Former Self
06. Coda
07. Ebb//Flow
08. Cold Sweat (Video bei YouTube)
09. Coma
10. Power Schism