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GAEREA: Limbo

Ach, GAEREA. Hättet ihr mal lieber den lateinischen Terminus „Limbus“ verwendet. Bei „Limbo“ denke ich leider eher an zu viele Cocktails und Verrenkungen am Strand als an das Fegefeuer. Apropos Strand, die Gestalten auf dem Cover, die in ihrer Verzweiflung im hüfthohen Wasser stehen, lassen schon erahnen, wo die Reise hingeht. GAEREA sind nämlich sehr en vogue. Die ganze Ästhetik der Portugiesen weist auf modernen (Post) Black Metal hin, Artwork von Eliran Kantor, okkulte Symboliken, Roben, Anonymität inklusive.

Wenn es also ein aktuelles Album gibt, das in diesem Bereich als trendy anzusehen ist, dann „Limbo“. GAEREA gehen dabei offensiv und mehr als selbstbewusst vor. Das ist nicht überraschend, denn die junge Band hat mit ihrem vor zwei Jahren veröffentlichten Debütalbum „Unsettling Whispers“ aufhorchen lassen. Kompaktes Songwriting und tighte musikalische Darbietung zeichneten GAEREA schon damals aus, nur die fehlende Emotionalität war es, die den Portugiesen im Weg stand.

GAEREA wollen auf „Limbo“ zu viel für ihre kompositorischen Fähigkeiten

Dieses Thema hat sich auf ihrem zweiten Album „Limbo“ zumindest etwas verbessert. Denn wer sein Album mit einem Epos wie „To Ain“ beginnen lässt, in dem das ganze Spektrum von schleppend finster bis hin zu blastig-furios, von atmosphärisch bis hin zu melodisch steckt, hat keine Probleme mit mangelndem Selbstvertrauen. Nur konsequent, dass mit „Mare“ das Album genauso beherzt abgeschlossen wird. Einzig: Die Musik geht so nach vorne, ist so brachial und stürmisch, mit so einer dichten Soundwand versehen, dass auch nach vielen Durchgängen wenig beim Rezipienten hängen bleibt. Das heißt, dass GAEREA stets im jeweiligen Moment die höchstmögliche Intensität ausspielen.

Wenig überraschend, dass dies auf die gesamte Spielzeit anstrengend sein kann. Da in den sechs Stücken auch einiges passiert – zahlreiche Riffs, Tempowechsel, komplexe Songstrukturen, you name it -, ist „Limbo“ alles andere als leichte Kost. Ich will nicht von Hybris sprechen, aber GAEREA wollen etwas zu viel für ihre aktuellen Möglichkeiten. Technisch sind die Portugiesen absolut auf der Höhe, in Sachen Songwriting fehlt ihnen noch die Gabe des Sich-Zurück-Nehmens. Wenig überraschend ist, dass die kürzeren, prägnanten Stücke „Null“ und „Urge“ wegen ihrer Kompaktheit am besten funktionieren.

„Limbo“ ist insgesamt gelungen, aber kein Highlight

Das restliche Material ist aber auch beachtlich. Gerade die Gitarren leisten Großes und nach mehrmaligem Hören gibt es Melodien zu entdecken, die sehr wehtun können. Das Drumming ist unglaublich brutal und präzise, schon die Tatsache ist beeindruckend, wie viele unterschiedliche Blast Beats ein Mensch spielen kann. Dass die getriggerten Drums aber alles vernichten, ist gleichzeitig einer der Gründe, warum an „Limbo“ alles irgendwie zu viel ist. Auch das Geschrei, das stellenweise fast in Richtung Metalcore geht und in eine gewisse Hysterie abdriftet, wirkt immer wieder aufgesetzt. Die an einigen Stellen dezent eingesetzten Chöre im Hintergrund hätten dafür etwas prägnanter sein dürfen.

AARA und AVERSIO HUMANITATIS haben mit ihren Alben heuer gezeigt, wie Black Metal in die Zukunft gebracht werden kann. GAEREAs Vision ist davon gar nicht so weit entfernt, und trotzdem ist „Limbo“, auch wegen der genannten Schwächen, kein Highlight gelungen. Brutal gesagt: Dieses Album berührt mich nicht. Das Zweitwerk der Portugiesen ist dennoch als gelungen anzusehen – der starken Gitarrenarbeit sei es gedankt. Auf der kommenden Tour mit SCHAMMASCH und HARAKIRI FOR THE SKY sind GAEREA jedenfalls gut aufgehoben und werden in der Post Black Metal-Szene definitiv zahlreiche Anhänger finden.

Wertung: 4 von 6 Höllenkreise

VÖ: 24. Juli 2020

Spielzeit: 51:44

Label: Season Of Mist

GAEREA „Limbo“ Tracklist:

  1. To Ain (Official Video)
  2. Null (Official Video)
  3. Glare
  4. Conspiranoia (Official Video)
  5. Urge
  6. Mare

Mehr im Netz:

https://gaerea.bandcamp.com/

https://www.facebook.com/gaerea/

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