entheos-time-will-take-us-all-album-cover

ENTHEOS: Time Will Take Us All

ENTHEOS entwickeln ihren Progressive Death Metal-Sound auf “Time Will Take Us All” gezielt weiter, ohne ihr Ziel aus den Augen zu verlieren.

Die Vergänglichkeit unseres Seins haben schon viele Künstler:innen besungen. Von Jon Bon Jovis lebensbejahendem „Jetzt oder nie“-Aufruf in „It’s My Life“ bis hin zu Till Lindemanns (RAMMSTEIN) Klagen über den unveränderlich fortschreitenden Lauf der „Zeit“. Chaney Crabb ist im Vergleich fast schon Realistin: „Time Will Take Us All“ klingt nach einem nüchternen Blick auf die Faktenlage, ist letzten Endes aber deutlich mehr. Tatsächlich versteht die Sängerin das neue Album ihrer Band ENTHEOS als eine Studie menschlicher Erfahrung – und damit auch die Art und Weise, wie wir unsere Zeit nutzen. Denn sie ist kostbar, wie ihr ein Schicksalsschlag im Jahr 2021 vor Augen führte: Ein Verkehrsunfall ließ die Frontfrau mit schwersten Verletzungen in der Gesichtspartie zurück – die Tätigkeit als Sängerin dadurch lange ungewiss.

Es wäre ein herber Verlust gewesen, wie wir jetzt feststellen dürfen. Denn was Crabb auf „Time Will Take Us All“ abliefert, ist nicht selten spektakulär, wenn sie etwa in den tiefsten Regionen selbst Tatiana Shmayluk (JINJER) streckenweise alt aussehen lässt. Mit giftigen Screams und neuerdings sogar überlegt eingesetztem und atmosphärischem Klargesang (u.a. „I Am The Void“, „Oblivion“) komplettiert die Sängerin ihr Repertoire, das sich somit ähnlich wandelbar zeigt wie das Songwriting aus der Feder Navene Koperweis‘.

ENTHEOS lassen auf “Time Will Take Us All” ihre Songs nahtlos ineinanderfließen

Der Multi-Instrumentalist ist nicht nur ein begnadeter Schlagzeuger, sondern beweist auch an der Gitarre ein geschicktes Händchen: Indem ENTHEOS ihre neun Tracks nahtlos ineinanderfließen lassen, entsteht ein geschlossenes Bild, das sich nicht selten wie eine Reise anfühlt. Forciert wird dieser Umstand darüber hinaus in gleichen Teilen durch den transparenten Mix wie den oft sphärischen Einsatz der Leadgitarren.

Vor dem Hintergrund allerlei rhythmischer Spielereien belegen natürlich auch gelegentliche technische Passagen den Anspruch des Duos, das sich zwischen MESHUGGAH, CYNIC und FALLUJAH in jeder freien Nische wohlfühlen würde. Nichtsdestotrotz ist der musikalische Hintergrund Koperweis‘ immer zu spüren, wenn er die Gitarren am Ende des Tages doch meist der Bass-Drum folgen lässt. Das resultiert in einem größtenteils groove- und rhythmusbetonten Grundkorsett, das nicht nur wegen des modernen und klinischen Klangs der Gitarren mit dem Djent-Umfeld in Berührung kommt.

ENTHEOS verlieren ihr Ziel nie aus den Augen

Während „Time Will Take Us All” dem Progressive Death Metal somit kaum neue Impulse geben kann, ist die handwerkliche und kompositorische Umsetzung ohne Fehl. Ob nun „Oblivion“ oder „I Am The Void“ in gedrosseltem Tempo durch den Äther schweben, das knackige „Darkest Day“ dem groovenden Djent-Fundament eine verspulte Gitarre entgegensetzt oder „Absolute Zero“ die technischen Eruptionen durch gezielte Breaks wieder einfängt: ENTHEOS bleiben stets auf Kurs, verlieren ihr Ziel nie aus den Augen.

Allein deshalb ist das siebeneinhalbminütige „The Sinking Sun“ der vorgezogene Höhepunkt, wo nicht nur Studio-Bassist Evan Brewer (ex-ENTHEOS, FALLUJAH) ein paar Akzente setzen darf, während die Formation ansonsten nochmals alles in die Waagschale wirft, was schon die vorherige halbe Stunde ausgezeichnet hatte. Eine Art Bestandsaufnahme, die im finalen Titeltrack seine lyrische Entsprechung findet: Zwar kommt Sängerin Chaney Crabb letzten Endes tatsächlich zur titelgebenden Schlussfolgerung, doch entpuppt sich diese weniger als nüchtern-realistisches Statement, denn als lebensbejahende Erkenntnis.

Was uns alle eint, ist dasselbe Schicksal, also nehmen wir es besser in die Hand: Das Licht, das uns „nach Hause führt“, sind wir selbst. Mögen wir also unseren Geist befreien, gibt uns Crabb schließlich mit auf den Weg. Ein optimistisches Fazit, das wohl sogar Alt-Rocker Jon Bon Jovi vorbehaltlos unterschreiben würde.

“[…] Timе will take us all (All that you are and all that you know)
Flow as one, togеther, the light guides us home
Time will take us all (All that you were and all that you’ll be)
You are the light, so set your mind free […]”

– aus: “Time Will Take Us All”

Veröffentlichungstermin: 03.03.2023

Spielzeit: 40:23

Line-Up

Chaney Crabb – Vocals
Navene Koperweis – Drums / Guitar
Evan Brewer – Bass (Session-Musiker)

Produziert von Navene Koperweis und Mark Lewis (Mix)

Label: Metal Blade

Facebook: https://www.facebook.com/entheosband

ENTHEOS “Time Will Take Us All” Tracklist

01. Absolute Zero (Video bei YouTube)
02. In Purgatory (Video bei YouTube)
03. The Interior Wilderness
04. Oblivion
05. I Am the Void (Video bei YouTube)
06. Darkest Day (Live-Video bei YouTube)
07. Clarity in Waves
08. The Sinking Sun
09. Time Will Take Us All

Cookie Consent mit Real Cookie Banner