DESPAIRATION: Music for the Night

DESPAIRATION versuchen sich neu zu erfinden mit einem Konzeptalbum zwischen Art/Progrock und modernen Samples, scheitern jedoch am eigenen Anspruch.

Manche Bands gehen auf Nummer Sicher und kochen einfach nochmal das Rezept des gelungenen Vorgängers neu auf. Und dann gibt es Bands wie DESPAIRATION, für die es fast schon Ehrensache ist, mit jedem neuen Album ihren Stil einer Generalüberholung zu unterziehen. Und so führte der Weg die Band bislang auch auf verschlungenen Pfaden vom Powermetal der Anfangstage über Gothic-Anleihen auf Scenes from a Poetical Playground und dunkle, trippige Klangkunstwerke auf Songs of Love and Redemption bis hin zur aktuellen Platte Music for the Night. Diese zeigt denn auch eine bislang unbekannte Facette im Repertoire von DESPAIRATION. Gleich ein schlüssiges Gesamtkonzept inklusive ausführlicher im Booklet abgedruckter Rahmengeschichte soll es sein, das musikalisch einige Elemente der bisherigen Stationen mit neuen Aspekten verbindet. Im Klartext heißt das, dass Samples und Loops mit epischen Gesangsharmonien ebenso ihren Platz im Klangbild haben wie neu hinzukommende Art-Rock/Prog-Anklänge. Bei letzteren gilt zwar die Einschränkung, dass DESPAIRATION nach wie vor keine egomanischen Klimperheinis sind, doch die breit angelegten Melodiebögen, ständige Wechsel und das Einbinden verschiedenstartiger Stilelemente rechtfertigen diesen Eindruck. Bestes Beispiel ist River of Perdition, in dem Bläser, Funkgitarre und herkömmliche Gitarrenriffs nebeneinander Platz finden, um dann in die Breakbeats von Underground Poetry überzugehen. Dieser Track wiederum besticht durch harte Industrialriffs und verzerrte Vocals, um urplötzlich in einen harmonischen Refrain zu münden, der dann wieder von einer jazzigen Einlage abgelöst wird.

Music for the Night ist also erkennbar alles andere als leichte Kost; sowohl textliches Konzept als auch musikalisches Spektrum fordern dem Hörer Geduld, Konzentration und einen breit gefächterten Geschmack ab. Nicht selten findet man in Reviews nach einem solchen Satz die beruhigende Beschwichtigung, dass sich jedoch mit Zeit und Geduld ein umso schönerer Hörgenuss einstellt. Dies kann für Music for the Night leider nur eingeschränkt gelten. Woran liegt das? Immer wieder drängt sich der Eindruck auf, dass DESPAIRATION das Pferd vom falschen Ende her aufzuzäumen versuchen. Zwar finden sich zuhauf hörenswerte Passagen auf Music… – alleine das Gitarrensolo von Phantastronaut ist ein kleines Juwel für sich –, aber das ständige Einbringen neuer Wendungen und Stilmittel verwässert die klare Richtung, die ansonsten bei aller Vielfalt stets Markenzeichen von DESPAIRATION-Alben war. Immer wenn ein Track gerade eine bestimmte Stimmung verliehen bekommen hat, wird diese fast schon zwanghaft durch stilistische Querschläger unterminiert. Ein dauerhafter Hörgenuss kann sich so kaum einstellen. Das Auf und Ab der Konzeptstory scheint hier viel zu präzise musikalisch umgesetzt worden zu sein. Ein klarer Fall von weniger wäre mehr gewesen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die enorme Bravheit etlicher Parts. Wo beim Vorgänger ein finsterer Mollakkord den Hörer endgültig dem Orkus näher brachte, erklingt auf Music… ein munterer, naiver Durakkord, der zu versichern scheint, dass alles schon nicht so schlimm ist. Die zu harmlosen Gesangsmelodien fügen sich hierbei leider nahtlos ein. Hätte Sascha Blach doch lieber seine zuvor so charismatische dunkle Stimme nicht dadurch ihrer Wirkung beraubt, dass er plötzlich wieder eine Oktave höher singt! Als bestes Beispiel für diese Harmlosigkeit dient Space Sound Park, dem jegliche Abgründe bzw. jegliche Tiefe abgeht. Die arg dünne Gitarrenproduktion und der etwas pappige Drumcomputersound tun ein Übriges, um dem durchaus Potential habenden Songmaterial Kraft und Tiefe zu nehmen. Es bleiben knapp achtzig Minuten Musik, bei der man sich ständig fragt, ob da nicht mehr drin gewesen wäre.

Veröffentlichungstermin: 20.10.2004

Spielzeit: 78:31 Min.

Line-Up:
Sascha Blach – Gesang

Martin F. Jungkuntz – Gitarre, Programming, Synthies

Christian Beyer – Klavier, Keyboards

Christoph Grünert – Bass

Produziert von Martin F. Jungkuntz
Label: My Kingdom Music/Rough Trade

Homepage: http://www.despairation.de

Email: info@wintersolitude.de

Tracklist:
Music for the Night

Drift

Phantastronaut

River of Perdition

Underground Poetry

Madrigal

L´avion ivre

Asteroid YB5

Firebird

Moondrawn Awakening

Proteus

Zeitgeist

April Mourning

Song of the Nightingale

Nuit en enfer

Colourado Mindtrip

Space Sound Park

Penelope

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