Die Unausweichlichkeit der Liebe treibt uns doch alle an. Koi No Yokan, das klingt nicht nur schön, das ist vor allem in seiner musikalischen Form ein Abbild der Liebe: Leidenschaft, Wut, innige Zuneigung, Hass, bedingungslose Sucht, Schmerz, sich selbst in einem anderen verlieren. Das gehört doch alles dazu, das finden wir, natürlich unterschiedlich gewichtet, in jeder Beziehung. Die DEFTONES scheinen auch heute noch mit jeder Faser ihres Herzens etwas zu empfinden, beschreiben auf Koi No Yokan, ihrer siebten Verheißung das pure Wechselbad der Gefühle. Wenn Chino Morenos Ehe so aussieht, dann sollten lieber die Cops vor dem Haus auf den nächsten Ausbruch warten. Die Balance zwischen der berüchtigten Härte und den wundervoll emotionalen leisen Momenten gelang den DEFTONES zuletzt vor zwölf Jahren so gut.
Ist Koi No Yokan also ein zweites White Pony? Vermutlich nicht, denn seien wir ehrlich, zugänglicheres Songwriting hatten die DEFTONES noch nie parat. Die Experimente, das ausufernde Element sind gewichen, die gewaltigen Eruptionen sind reifer geworden. Und fetter. Swerve City als brachialer Opener ist immer noch steigerungsfähig, Poltergeist, Gauze und Goon Squad zermalmen schließlich den Hörer mit ihrem brutalem Riffing, während Romantic Dreams, Entombed, Tempest, Rosemary und What Happened To You? eher auf der sanften Seite der DEFTONES zu Hause sind – und doch haben diese Songs meist ihre lauten Momente und dynamischen Steigerungen parat. Hier sind auch die Momente enthalten, die so tief unter die Haut gehen, die wir uns wünschen. Durch Leathers mit seinem großen Refrain, Graphic Nature mit dem vertrackten, überraschend zurückhaltendem Riffing wird der Gesamteindruck des Albums erweitert, und doch bleibt alles kompakt.
Stürmisch ist die Liebe, die von den DEFTONES ausgeht, und sie schlägt schneller in Wut und Hass um, als man meinen möchte. Koi No Yokan lebt den Kontrasten und den Extremen. Vor allem die tief gestimmten Gitarren zermalmen alles und jeden, dazu gibt es das wie üblich kräftige Drumming von Abe Cunningham, der mehr Wert massive Grooves statt auf verspielte Figuren legt, und dennoch auch mit den weniger straighten Rhythmen locker zurechtkommt. Die Songs sind recht übersichtlich arrangiert, statt zu experimentieren fokussieren sich die DEFTONES auf das Songwriting und schaffen mit ihren elf Songs einige der besten Momente ihrer Karriere. Und das geschieht nicht zuletzt durch Chino Morenos einmalig guten Gesang, der elegisch und sehnsuchtsvoll wie selten ist. Gleichzeitig ist Monreno immer noch die tickende Zeitbombe, die jeden Moment explodieren kann und mit seinem Geschrei das Pendant zu den derben Gitarren bietet.
Lass ein oder zwei Jahre ins Land ziehen, dann werden wir sehen, ob Koi No Yokan das Zeug hat zum neuen Konsensalbum dieser Band zu werden. Diamond Eyes war nach dem enttäuschenden Saturday Night Wrist ein Schritt in die richtige Richtung, Koi No Yokan ist nun der große Sprung, der diese Band dorthin zurück befördert, wo sie hingehört – in die erste Liga der modernen Metalbands. Koi No Yokan ist leidenschaftlich, das Abbild einer Liebe mit all ihren Höhen und Tiefen, dem Glauben an ein Happy End, egal was kommen mag. Dieses Album ist wie ein Segen, es ist tröstlich und bietet dennoch genügend Möglichkeit zum Ausflippen. Die DEFTONES sind zurück in der Spur, scheinbar unaufhaltsam wie ein Schnellzug und dabei massiv wie ein Berg. Mit so einem Knaller hat vermutlich keiner gerechnet. Tatsache ist, Koi No Yokan muss man lieben.
Veröffentlichungstermin: 9. November 2012
Spielzeit: 51:48 Min.
Line-Up:
Chino Moreno – Vocals, Guitar
Stephen Carpenter – Guitar
Sergio Vega – Bass
Abe Cunningham – Drums
Frank Delgado – Keys, Samples
Produziert von Nick Raskulinecz
Label: Reprise Records
Homepage: http://www.deftones.com
Mehr im Netz: http://www.facebook.com/deftones
Tracklist:
1. Swerve City
2. Romantic Dreams
3. Leathers
4. Poltergeist
5. Entombed
6. Graphic Nature
7. Tempest
8. Gauze
9. Rosemary
10. Goon Squad
11. What Happened To You?