COLIN STETSON: New History Warfare Vol. 3: To See More Light

Spannend, wild, poetisch, saxophil: COLIN STETSON und seine Lungenflügel auf Entdeckungstour zwischen Jazz, Ambient und Indie.

Wer viel Sport macht, der weiß, wie groß Lungen sein können. Wer selbst ein Blasinstrument spielt, wird darüber vermutlich bloß müde lächeln. Der Saxophonist COLIN STETSON lacht über Marathonläufer sicherlich nur, genauso wie über den Corpsegrinder von CANNIBAL CORPSE. Stetsons Soloalbum New History Warfare Vol. 3: To See More Light besteht im wesentlichen nur aus ihm, seinen Lungen und Alt-, Tenor- und Bass-Saxophon. Dass die Musik auf diesem Album also nicht gerade der Norm entspricht, kann sich jeder problemlos selbst ausrechnen. Dass COLIN STETSON keine Musik für jedermann macht, ist auch klar. Aber anstrengend ist New History Warfare Vol. 3: To See More Light trotzdem nicht. Wer seinen Kopf frei macht, zuhört, wie Stetson in einem Dämmerbereich zwischen Jazz, Ambient und Indie unterwegs ist, der kann ein kleines musikalisches Wunder erleben.

COLIN STETSON spielt ohne Overdubs und ohne Loops seine Songs, es pulsieren tiefe, rhythmische Töne im Hintergrund, darüber werden teils wunderschöne, teils recht abenteuerliche Melodien gespielt. Niemals lässt uns COLIN STETSON im Zweifel, er ist ein echter Könner. Man möchte erschrecken, wenn man die Spielzeit von New History Warfare Vol. 3: To See More Light sieht, wenn man merkt, dass der Titelsong allein schon fünfzehn Minuten dauert. Und doch ist dieses Album sehr kurzweilig, wenn es in Fahrt ist – und das geht schnell – zeigt sich Stetson als Klangzauberer, der aus so geringen Mitteln eine Menge herausholt, ohne dass es langweilig wird. Immerhin: Wir hören auch gerne klassische Gitarristen oder Pianisten, die solo ihre Stücke spielen, warum sollte das bei einem Saxophonisten nicht klappen?

Es sind nicht die schnellen, virtuosen Momente, die so sehr fesseln, es sind die leisen, pulsierenden, geradezu poetischen Stücke, die COLIN STETSON so sehr beherrscht. Und davon gibt es in den fünfzig Minuten, die New History Warfare Vol. 3: To See More Light dauert, genügend. Wenn er sein Instrument dazu bringt, wie Gesang zu klingen wird es fast schon unheimlich, wenn es wild und brachial klingt, wie eine Solo-Saxophon-Hardcore-Show wie in Hunted und Brute, hat nicht nur der Hörer, sondern vor allem auch Stetson Spaß. Ein weiterer Spaßvogel ist Gastsänger Justin Vernon, bekannt und beliebt als Chef von BON IVER, der seine unverwechselbare Stimme einigen Liedern beisteuert, die dadurch nahezu überirdisch wirken. And In Truth und What Are They Doing In Heaven Today?, sind nichts als wunderschön. Die beiden dürften gerne ein Duettalbum veröffentlichen.

Sicherlich ist New History Warfare Vol. 3: To See More Light kein Album, das jederzeit gehört werden kann, dafür ist es zu anders, zu außergewöhnlich. Wenn wir aber mit uns im Reinen sind und eine Stunde Zeit haben, dann sollten wir uns von COLIN STETSON verführen lassen. Auf eine ganz unprätentiöse, ehrliche, freudige Art und Weise zeigt er uns, wie dieses Instrument eingesetzt werden kann, ohne dass wir uns Fremdschämen müssen wie zu WHAMs Careless Whisper, sondern uns an wilder, poetischer, saxophiler Musik erfreuen können. New History Warfare Vol. 3: To See More Light hat einen experimentellen, mutigen Grundcharakter. Es kann gar nicht anders sein: Wer sich ohne Scheuklappen diesem Album öffnet, wird es lieben.

Veröffentlichungstermin: 26. April 2013

Spielzeit: 51:29 Min.

Line-Up:
Colin Stetson – Alto, Tenor, Bass Saxophones

Gastgesang:
Justin Vernon

Produziert von COLIN STETSON und Ben Frost
Label: Constellation Records

Homepage: http://www.colinstetson.com/
Mehr im Netz: https://www.facebook.com/Colin.Stetson.Music

Tracklist:
1. And In Truth
2. Hunted
3. High Above A Grey Green Sea
4. In Mirrors
5. Brute
6. Among The Sed (Righteous II)
7. Who The Waves Are Roaring For (Hunted II)
8. To See More Light
9. What Are They Doing In Heaven Today?
10. This Bed Of Shattered Bone
11. Part Me Apart From You

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