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CHRISTIAN DEATH: The Bible

Schon wieder eine neue Christian-Death-Compilation? Gab es denn nicht erst vor einem Jahr ein Best-of-Album? Wohl wahr. Allerdings hält sich der Überraschungseffekt in ziemlich engen Grenzen, wenn man bedenkt, daß auf der "Best of" lediglich das Werk aus der Rozz-Williams-Phase gewürdigt wurde. Nachdem sich Rozz im April 1998 für immer von dieser ach so grausamen Welt verabschiedet hatte, galt es natürlich beizeiten ein entsprechendes Album auf den Markt zu werfen, bevor die Erinnerung an den legendären Bandgründer verblaßt war…

Ein Gast-Review von Peter Sillaro

Schon wieder eine neue CHRISTIAN DEATH-Compilation? Gab es denn nicht erst vor einem Jahr ein Best-of-Album? Wohl wahr. Allerdings hält sich der Überraschungseffekt in ziemlich engen Grenzen, wenn man bedenkt, dass auf der “Best of” lediglich das Werk aus der Rozz-Williams-Phase gewürdigt wurde. Nachdem sich Rozz im April 1998 für immer von dieser ach so grausamen Welt verabschiedet hatte, galt es natürlich beizeiten ein entsprechendes Album auf den Markt zu werfen, bevor die Erinnerung an den legendären Bandgründer verblasst war. Um so verständlicher ist allerdings auch, dass Valor Kand, der Rozz nach dessen Ausstieg im Jahre 1986 als Sänger und Songschreiber beerbte (und der sich mit ihm jahrelang vor Gericht um die Rechte am Namen CHRISTIAN DEATH gestritten hat), eine solche Darstellung der Bandgeschichte nicht auf sich sitzen lassen wollte.

Dementsprechend sind auf “The Bible” nun hauptsächlich Valors Stücke zu finden. Drei Stücke – “Cavity”, “Sleepwalk” und “Ashes Part II” – stammen allerdings noch aus Rozz’ Feder. Leider ist Rozz’ Gesang dennoch nicht ein einziges Mal zu hören, handelt es sich doch bei den beiden erstgenannten Tracks um Live-Aufnahmen in der aktuellen Besetzung und bei “Ashes Part II” um ein Instrumentalstück. Die Entscheidung, Rozz’ Gesang außen vor zu lassen, mag persönliche und/oder rechtliche Gründe haben – musikalisch betrachtet ist sie auf jeden Fall bedauerlich, denn mit Rozz’ unverwechselbaren Vocals wäre die für diese frühe Phase der Band so charakteristische Gothic-Atmosphäre noch etwas überzeugender vermittelt worden.

Die Entwicklung CHRISTIAN DEATHs von der Gothic- zur Metal-Band lässt sich gut nachverfolgen

Dennoch sind die hier gebotenen Liveversionen durchaus hörenswert – vorausgesetzt man bringt ein gewisses Maß an Sympathie oder zumindest Offenheit für traditionelle Gruftrockklänge der 80er Jahre auf. “Ashes Part II” wirkt dagegen auf diesem Album ziemlich deplaziert: Hätte es als Intro (nicht als dem Titelsong angehängter Teil II!) auf dem entsprechenden Album gute Dienste leisten können, so hat es an dieser Stelle eine fatal einschläfernde Wirkung. Wie viel besser hätte hier etwa “Face” von derselben Scheibe gepasst: Mit seinem treibenden Rhythmus, seiner genial einfachen (bzw. einfach genialen) Bass Line und einer ansprechenden Melodie ist das Stück ein absoluter Tanzflächenkracher – und hat dazu noch Lyrics, die ganz, ganz tief unter die Haut gehen.

Anhand der Auswahl von Valors Stücken lässt sich dann CHRISTIAN DEATHs Entwicklung von der Gothic- zur Metalband recht gut verfolgen. Die fetten Riffs, die in “This is Heresy” mit Valors hypnotisch-beschwörendem Gesang perfekt harmonieren, sind ein guter Anfang, und in Stücken wie etwa der Liveversion von “The Serpent’s Tail” zeigt sich Valors kraftvolle Stimme im besten Licht. Ganz anders sieht es leider mit den Vocals der derzeitigen Sängerin Maitri aus: Ihr Stimmchen geht leider ziemlich unter – was aber nicht nur an ihr, sondern mindestens ebenso sehr an der stellenweise sehr bescheidenen Produktion der Songs liegt. Die soundtechnischen Möglichkeiten des Digitalzeitalters scheinen sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben…

Die Songauswahl auf “The Bible” geht in Ordnung

Die musikalische Entwicklung der vergangenen Jahre ist dagegen keineswegs spurlos an der Band vorbeigegangen – und das zeigt die Scheibe sehr deutlich mit ihren letzten beiden Stücken: Die Tendenz weg vom stilistischen Purismus, die Aufnahme neuer Elemente (z. B. aus dem Hardcore-Bereich) ist nunmehr unverkennbar. Zugleich zeigt insbesondere “Washing Machine” die Gefahren einer solchen Entwicklung auf: Bei allem Respekt vor der überzeugenden Gitarrenarbeit: Die reichliche Verwendung der beliebten, hier aber ziemlich unnötigen Breaks lässt das Stück zerfahren wirken – und das bereits in Hunderten von superdämlichen Discosoul-, Hip-Hop- und anderen Radiohitparadenstücken verwendete Samplemotiv “I want you to talk dirty to me” zeigt sehr schön, wie sich ein von seiner Substanz her an sich recht brauchbares Musikstück spielend leicht gründlich verhunzen läßt.

Insgesamt lässt sich somit sagen, dass diese Compilation zwar nicht vollständig überzeugen kann, aber – zumindest was die von Valor beigesteuerten Stücke angeht – einigermaßen in Ordnung geht. Die meisten wichtigen CHRISTIAN DEATH-Scheiben sind in irgendeiner Form vertreten, selbst wenn die Titelauswahl in einzelnen Fällen nicht unbedingt optimal ausgefallen ist und das letztlich ziemlich willkürliche Nebeneinander von Live- und Studioaufnahmen ein schlüssiges Konzept vermissen lässt. Die chronologische Reihenfolge der Tracks ermöglicht es immerhin auch denjenigen unter Euch, die die Band bisher nur dem Namen nach kennen, CHRISTIAN DEATHs musikalischer Entwicklung nach Rozz’ Ausstieg mühelos zu folgen. Ärgerlich ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass im Booklet nirgends vermerkt ist, von welchem Album die einzelnen Stücke jeweils stammen.

Die Ausstattung der Compilation ist solide

Dennoch kann man mit der Ausstattung der CD einigermaßen zufrieden sein. Schließlich sind sämtliche Texte abgedruckt – was zwar eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, aber trotzdem häufig nicht der Fall ist. Hinterlegt sind die Lyrics übrigens mit Ausschnitten aus einer englischen Bibel und Fragmenten aus italienischen Geister- und Vampirgeschichten (ich konnte leider nicht herausfinden, aus welchen, sonst hätte ich sie mir womöglich besorgt …). Besonders spaßig wegen des hohen Trashfaktors ist freilich das Foto von Valor und Maitri (von den anderen derzeitigen Bandmitgliedern war außer den Namen leider nichts zu erfahren): Valor im Satansoutfit mit Riesenhörnern auf dem Rücken(!!) steht neben der mit Kunstblut bespritzten Maitri…

Fazit: Man muss diesen Sampler nicht unbedingt haben, aber vielleicht ist die Anschaffung ja doch eine Überlegung wert.

CHRISTIAN DEATH “The Bible” Tracklist

Cavity Live 99
Sleepwalk Live 99
Ashes Part II
Strange Fortune
Alpha Sunset
This Is Heresy
Zero Sex Live 99
The Nascent Virion
Malus Amor
The Serpent´s Tail Live 99
Pig Half Man
Washing Machine

Line-Up:

Valor Kand
Maitri
Steve Devine Wright
Flick
David Glass
James Beam
Johann Schumann

Spielzeit: 48:56

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