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CHAOSBREED: Brutal

Unzeitgemäß, unoriginell, GROSSARTIG!

Ich konnte bis vor einiger Zeit das Gewäsch von wegen „Früher war alles besser“ nicht hören, ohne einen mittelschweren Anfall von Diskussionswut zu erleiden. Warum soll denn früher alles besser gewesen sein? Gründet diese Einschätzung nicht eher darin, dass man sich meist nur an die positiven Momente der Vergangenheit erinnert? Handelt es sich dabei nicht nur und ausschließlich um nostalgische Erinnerungen, die verschwommen und verzerrt im Gedächtnis herumspuken?

Mittlerweile bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass man ab einem gewissen Alter einfach dazu neigt, so zu denken. Ob dieses Denken nun objektiv begründbar oder nur rein subjektiv fühlbar ist, sei mal dahingestellt. Ich vermute aber, dass die zweite Möglichkeit eher zutrifft. Ich erinnere mich jedenfalls gerne an die Hochzeit des guten, alten, schwedischen Death Metals.

„Brutal“ ist eines der besten Alben, das ich seit langem gehört habe – das ist eine subjektive Einschätzung. Objektiv kann man feststellen, dass die finnische „All Star Truppe“, bestehend aus Taneli Jarva – ex-SENTENCED, ex-IMPALED NAZARENE, THE BLACK LEAGUE; Esa Holopainen – AMORPHIS; Oppu Laine – ex-AMORPHIS, MANNHAI; Nalle Österman – ex-GANDALF und Marko Tarvonen – MOONSORROW, ein vollkommen anachronistisches Album aufgenommen hat, dessen Parallelen zum frühen Death Metal aus Schweden und AUTOPSY offensichtlich sind, dazu kommt ein Spritzer SLAYER und REPULSION.

Klingt wie damals im Sunlight Studio!

Objektiv kann man auch feststellen, dass CHAOSBREED sich alle Mühe gegeben haben, ihre Songs so originalgetreu wie möglich umzusetzen: Die Produktion scheppert höhenlastig in typischer Sunlight Studio Manier, auch wenn das Album nicht dort, sondern im CCPC Studio aufgenommen wurde. Die Texte sind weitgehend sinnfrei und man sucht vergeblich auch nur das kleinste Fitzelchen einer innovativen Idee. Hier stört kein noch so kleines Experiment beim Abtauchen ins Meer der Nostalgie. Objektiv kann man sich aber auch fragen, ob ein solches Album überhaupt einen Sinn hat.
Alles, was du bis hierher gelesen hast, wird der Band aber nicht im Geringsten gerecht. Ich glaube, bei CHAOSBREED geht es um etwas ganz anderes. Weder bedeutungsschwangere Diskussionen um Subjektivität oder Objektivität, noch Küchentisch-Philosophien über die Wahrnehmung der Vergangenheit, noch Kritiker- und Fandiskussionen spielen hier eine Rolle.

CHAOSBREED kupfern einfach überall ab

Es geht um Spaß, genauer gesagt um den Spaß an einem bestimmten Musikgenre, den Spaß an einem bestimmten Sound, den Spaß an einer bestimmten Art von Songs. Und genau an diesem Punkt bekommt „Brutal“ einen tieferen Sinn. Was spricht dagegen, ein Album auszunehmen, auf dem man das macht, woran man selbst den meisten Spaß hat? Und warum soll man als Musiker nicht andere daran teilhaben lassen, wenn man auf dem Dachboden des eigenen Hirns auf eine alte, angestaubte Kiste voller jugendlicher Ideen stößt und dabei feststellt, dass diese Ideen immer noch Faszination ausüben?
CHAOSBREED erfinden die Musik nicht neu, im Gegenteil. Aber sie haben ein Händchen für Songs, die sich an Vorbildern orientieren und dennoch frisch und unverbraucht klingen. Natürlich ist das Gitarrenintro von „Faces Of Death“ von SLAYERs „South Of Heaven“ geborgt und natürlich wird man, dazu braucht es keine besonders gut ausgeprägte Spitzfindigkeit, weitere Parallelen zu anderen Bands finden.

„Brutal“ ist eine Fahrkarte zu einer Zeitreise

Doch man findet auf „Brutal“ auch eine Fahrkarte zu einer Zeitreise, die im Expresstempo in die Vergangenheit führt. Womit wir wieder beim Sinn dieser Veröffentlichung wären: Wenn ich nicht nach Helsinki will, dann kaufe ich mir auch keine Fahrkarte dorthin. Insofern ist ganz klar, für wen dieses Album interessant ist: Wer die Songs von ENTOMBED, GRAVE, CARNAGE, UNLEASHED, AUTOPSY mochte und auch heute noch mag, wird auch dieses Album lieben. Auch wenn man die Originale alle im Schrank stehen hat, hat „Brutal“ eine Existenzberechtigung: Die exhumierten Riffs, die staubtrockenen Gitarren und der fies-kranke Gesang sind so überzeugend und originalgetreu, dass man sich augenblicklich etliche Jahre zurückversetzt fühlt. Ein Punkt, bei dem die eigentlichen Vorbilder, so sie denn noch existieren, heutzutage durchaus schonmal erste Alterserscheinungen an den Tag legen.

Die ein oder andere Timingschwankung oder der ein oder andere Vergreifer auf dem Gitarrenhals stören dabei wenig – das gehört zum Konzept. Früher war eben doch nicht alles besser – zumindest was diesen Punkt angeht.

Das kommt, dass „Brutal“ weit von stumpfer Kopierei entfernt ist – CHAOSBREED haben eine Blaupause mit neuem Leben erfüllt. Der modrige Hauch, der dieser musikalischen Antiquität anhängt verflüchtigt sich schnell, denn im Gegensatz zu lahmen Zombies mit knarrenden Gelenken rocken die Songs quicklebendig und munter. „Brutal“ ist unzeitgemäß, unoriginell und großartig!

Veröffentlichungstermin: 26.04.04

Spielzeit: 40:30 Min.

Line-Up:
Nalle Ostermann – Schlagzeug
Oppu Laine – Bass
Marko Tarvonen – Gitarre
Esa Holopainen- Gitarre
Taneli Jarva – Gesang

Gastmusiker:
Uffe Cederlund (ENTOMBED)
Jörgen Sandström (ex-GRAVE, ENTOMBED, THE PROJECT HATE)
Kaspar Martenson (ex-AMORPHIS)

Produziert von Santeri Kallio und Niclas Etelävuori
Label: Century Media

Hompage: http://www.chaosbreed.net

CHAOSBREED “Brutal” Tracklist

Wretched Life
Casket Ride
Faces Of Death
Moralized
Rotting Alive
Demon Skunk
Shitgrinder
Symtoms of The flesh
F/C/D/C
An Evil Eye

Bonus Live Clips:
Rotting Alive
F/C/D/C

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