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Den Cthulhu-Mythos kennen viele, den Schöpfer dahinter nur wenige – Interview mit Christian Heißler von der Deutschen Lovecraft Gesellschaft

Die Deutsche Lovecraft Gesellschaft pflegt das Erbe des einflussreichen Schriftstellers – und lud im März zum großen Lovecraft-Thementag in den Erlanger Club „New Force“. Wie das zusammengeht, haben wir den Nürnberger dLG Vorstand Christian Heißler gefragt.

Beim Namen Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) horchen Freundinnen und Freunde von anspruchsvoller phantastischer Horrorliteratur auf. Doch der Amerikaner hat auch viele berühmte Fans: Schriftstellerkollegen wie Stephen King, Clive Barker, Neil Gaiman, Michel Houellebecq und Arno Schmidt, Maler wie H. R. Giger oder die Musiker der Band METALLICA ließen sich von seinen schaurig-mystischen Kurzgeschichten inspirieren. Lovecrafts Cthulhu-Mythos taucht regelmäßig in Filmen, Liedern und Comics, aber auch in Brett-, Computer- und Rollenspiele auf. Seit 2014 pflegt die Deutsche Lovecraft Gesellschaft mit Sitz in Flensburg das Erbe des einflussreichen Schriftstellers aus Providence im US-Bundesstaat Rhode Island – und lud am Samstag, 3. März, zum großen Lovecraft-Thementag in den legendären Erlanger Heavy Metal Club „New Force“. Wie das zusammengeht, das haben wir Christian Heißler (37) gefragt, der aus Nürnberg kommt und im Vorstand der dLG mitmischt.

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Christian Heißler (Foto: Nadia Quaranta)

Herr Heißler, was fasziniert Sie an Lovecraft?

Dieses Visionäre – dass er schon in den 1920er Jahren so eine Idee entwickelt hat. Ich bin ein großer Freund des subtilen Horrors und muss nicht alles haarklein erzählt bekommen, sondern male mir das gerne selbst aus. Und bei Lovecraft bleibt vieles im Dunkeln: Die Kreaturen werden nie in allen Einzelheiten beschrieben, sondern immer nur grob umrissen. Der Rest findet im Kopf des Lesers statt: Kopfkino statt Splatterfilm, bei dem man ja alles ganz explizit gezeigt bekommt. Das macht den Reiz aus. 

Darf man sich den Cthulhu-Mythos, das Szenario, in dem die Kurzgeschichten von H. P. Lovecraft spielen, als geschlossene Welt vorstellen, ähnlich wie bei seinem Zeitgenossen J. R. R. Tolkien?

Es ist eher ein roter Faden, der sich durch viele Einzelgeschichten zieht. Lovecraft greift in seinen Geschichten immer wieder bestimmte Motive auf. Sein Traumlande-Zyklus zum Beispiel basiert auf einigen losen Geschichten, die gesamt betrachtet aber schon miteinander verknüpft sind – allein, weil es hier um Länder geht, die man nur im Traum bereisen kann. Ansonsten ist der Horror ein ganz anderer: Wo Tolkiens Helden gegen Orks und böse Zauberer antreten, ist die Bedrohung bei Lovecraft unterschwellig und nicht wirklich greifbar. Und: Seine Erzählungen sind keine Heldengeschichten – dieser Ansatz war in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts etwas völlig Neues.

Das deckt sich mit meiner Erfahrung. Ich habe H. P. Lovecraft vor Jahren bei einem Rollenspiel-Abend wieder entdeckt. Das System, das wir spielten, hieß „Call of Cthulhu“, und mir wurde vorher gesagt, ich solle mein Herz nur nicht an den Helden hängen, den ich in dieser Nacht erschaffen und durch das Abenteuer lenken würde – weil er höchstwahrscheinlich sterben oder zumindest seinen Verstand verlieren würde…

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Buch Dokumentation Abraxas Artworks Philipp Herrmann

Ja, das läuft bei Lovecraft oftmals so. Wo E. A. Poe noch mit Geistern und Vampiren das bekannte Repertoire gespielt hat, hat Lovecraft als erster diesen kosmischen Horror initiiert: Dinge, die so unbeschreiblich sind, dass sie der menschliche Geist nicht fassen kann. Die Götter, die in seinen Geschichten auftauchen und „die Große Alten“ genannt werden, sind weder gut noch böse und vor allem nicht von dieser Welt. Die Menschen hingegen haben in diesem Szenario überhaupt keine Bedeutung, sie sterben meistens oder werden wahnsinnig. Und selbst wenn sie gegen die uralten Götter kämpfen, dann halten sie diese im besten Fall nur kurz auf. Die Menschheit ist trotzdem dem Untergang geweiht. 

Man hat den Eindruck, dass Lovecraft im Trend liegt und seit einigen Jahren wiederentdeckt wird…

Definitiv. Wobei man da unterscheiden muss: Den Cthulhu-Mythos kennen viele, den Schöpfer dahinter nur wenige. Genau darum ging es kürzlich auch in einem Beitrag auf Arte: Dass H. P. Lovecraft zwar einen großen Einfluss auf die Popkultur hat, er als Autor aber verhältnismäßig wenig gelesen wird – zumindest in Deutschland. In Frankreich und den USA ist er viel verbreiteter. Das wollen wir mit der Deutschen Lovecraft-Gesellschaft ändern.

Wie?

Indem wir interessierte Menschen zusammenbringen und vernetzen. In den letzten Jahren gab es in Deutschland viele Lovecraft-Projekte, die aber fast alle nur einen kleinen Kreis erreicht haben. Wir möchten da ein Bindeglied sein. Mit dem „Lovecrafter“ gibt die Gesellschaft eine regelmäßige Zeitschrift heraus. Chefredakteur Axel Weiß hat zusammen mit Mirko Stauch außerdem seit vier Jahren den Podcast „Arkham Insiders“ am Laufen. Dank Internet gelingt es, unsere Reichweite enorm zu erhöhen. Unsere Mitglieder organisieren aber auch Lovecraft-Stammtische in ganz Deutschland. Viele von uns kommen aus der Nerdkultur, aber wir verfolgen trotzdem einen literarischen und kulturellen Anspruch.

Was empfehlen Sie Neueinsteigern in die Welt von H. P. Lovecraft?

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MEKONG DELTA: The Music of Erick Zann (1988)

Schon den Klassiker „Cthulhus Ruf“, seine sicherlich bekannteste Geschichte. Ich persönlich mag „Die Ratten im Gemäuer“ und „Die Musik des Erich Zann“ sehr gerne. Dazu noch „Die Farbe aus dem All“ – mit diesen vier Geschichten kriegt man einen ganz guten Überblick, denke ich.

„Die Musik des Erich Zann“ wurde vor vielen Jahren von der deutschen Progressive Metal-Band MEKONG DELTA vertont. Womit wir beim 3. März und dem Thementag im „New Force“ sind: Lovecraft und Heavy Metal, wie geht das zusammen?

Neben meiner Tätigkeit im Vorstand der Deutschen Lovecraft Gesellschaft bin ich auch ehrenamtlicher Mitarbeiter im „New Force“. So kam die Idee, beides zu verknüpfen. Am 3. März öffnete das „New Force“ ab 16 Uhr. Der Regisseur Huan Vu stellte sein Filmprojekt „The Dreamlands“ vor und der Illustrator Philipp Herrmann die Lovecraft-Bibel „Encyclopaedia Necronomica“, die er umgesetzt hat. Levin Handschuh vom Theater Bremen schaute vorbei und erzählte über die Lovecraft-Oper „Native Outsiders“, die dort im März gespielt wurde. Mit FuFu Frauenwahl und Andreas Hartung hatten wir zwei Comickünstler dabei. Es gab eine Podiumsdiskussion, in der wir über Popkultur sprachen und darüber, wer dieser Lovecraft überhaupt ist und warum er bis heute kreative Köpfe aus allen Bereichen inspiriert und motiviert, selbst etwas aus seinen Werken zu machen. Anschließend wurde gefeiert: mit Heavy Metal in allen Spielarten. Von Lovecraft Inspiriertes findet sich in vielen musikalischen Genres und sogar in der Klassik. Im „New Force“ spielten wir an diesem Abend jedoch ausschließlich Metal, bei dem es um H. P. Lovecraft geht. 

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SK Lovecraft – Dreamlands – Sphärentor – Filmproduktionen 2018

Als da wären?

Angefangen bei BLACK SABBATH, die mit „Behind The Wall Of Sleep“ 1970 den ersten Lovecraft-bezogenen Rocksong aufgenommen haben, über bekannte Genrevertreter wie METALLICA („The Call Of Ktulu“, „The Thing That Should Not Be“) und MORBID ANGEL („The Ancient Ones“) hin zu der bayerischen Band ATLANTEAN KODEX, die mit „The White Ship“ zuletzt sehr stimmungsvoll den Traumlande-Zyklus vertont hat. Der ein oder andere Schlenker hin zu Artverwandtem wie etwa der GothRock-Legende FIELDS OF THE NEPHILIM wird auch dabei sein. Ach, da gibt es so viel, dass wir diese Nacht locker vollkriegen.

www.deutschelovecraftgesellschaft.de und www.newforce.de

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