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EMPYRIUM: Weiland

Das Werk EMPYRIUMs bekommt mit "Weiland" abschließend seine Krone aufgesetzt. Ein erreifendes Werk folkloristischer bis neoklassischer Tonkunst, dramatisch, romantisch, vielschichtig.

Es gibt nur wenige Bands oder Projekte, die seit Beginn ihres Schaffens die Aufmerksamkeit sämtlicher Kritiker und Musikliebhaber auf sich gezogen haben. Noch wenigere gibt es, denen immer schon gehuldigt worden ist und denen wohl auch weiter gehuldigt werden wird. EMPYRIUM ist eines dieser Projekte. Schon mit dem Debütalbum, „A wintersunset…“, legte man sich fest auf das Konzept der romantischen Natürlichkeit und erspielte sich mit einer Mischung aus ehrlicher Leidenschaft und wehmütiger Melodien eine stetig wachsende Schar begeisterter Fans. „Songs of moors & misty fields“ brachte dann 1997 den endgültigen Durchbruch und gilt heute vielen als DAS Album naturmystischer Romantik. Musikalisch wandelte sich der Stil EMPYRIUMs im Laufe der Zeit – aus melancholischer, von Metal, Gothic, Klassik und Folk beeinflußter Musik wurden Klänge reiner Akustik, dargeboten auf dem dritten Album, „Where at night the wood grouse plays“, das erneut Begeisterungsstürme erntete, trotz oder gerade wegen der minimalistischen Beschränkung auf Akustikgitarre, Gesang und (wenige) Flötentöne. Aus der Konsequenz, daß kein Synthesizer mehr gebraucht wurde, mußte Gründungsmitglied Andreas Bach die Band verlassen; Sänger und Multiinstrumentalist Markus Stock war von nun an alleine und nannte sich „Ulf Theodor Schwadorf“. Unterstützung bekam er schließlich von Sänger und Pianist Thomas Helm – und in dieser Konstellation wurde nun „Weiland“ eingespielt, das vierte und zugleich letzte Werk EMPYRIUMs.

„Empyrium“ ist altgriechisch und bedeutet Nachthimmel oder Sternenhimmel. Kein treffenderer Name hätte gefunden werden können für ein Projekt wie dieses, das wie kein zweites die nächtliche Natur in all ihren Facetten dargestellt hat und darstellt. Auch „Weiland“ bricht nicht mit dieser Tradition, auch hier dreht sich thematisch alles um die (mystisch verklärte) Natur und die Erfahrung dieser durch den Menschen. Alles beim Alten also? Gewiß nicht – trotz der thematischen Kontinuität haben EMPYRIUM es stets verstanden, Neues zu bringen – so auch diesmal.

Zunächst überrascht die vielfältige Instrumentierung. Nach dem mir persönlich zu minimalistischen Vorgängeralbum erschlägt Schwadorf, der den melodischen Gesang diesmal fast gänzlich Thomas Helm überlassen hat, den Hörer beinahe mit einer Flut an akustischen Instrumenten und untermauert dadurch seinen hohen musikalischen Anspruch. Neben Akustikgitarre und -bass spielt nun auch das Schlagzeug wieder eine Rolle, verschiedene Streichinstrumente erklingen, und selbst der Synthesizer findet in seinem akustischen Vorgänger, dem Mellotron, wieder Beachtung. Gerade letzteres Instrument macht „Weiland“ zu einem ganz besonderen Hörerlebnis, denn das Mellotron, in den letzten dreißig Jahren durch Bands wie KING CRIMSON oder GENESIS berühmt geworden, schien durch den Synthesizer fast schon völlig verdrängt. Gleich im ersten Kapitel des in drei Teile aufgeteilten Werks spielt es eine tragende Rolle. Mit einer wunderschönen Flötenmelodie beginnt das erste Stück, untermalt von eben jenem Mellotron – Erinnerungen an „Songs of moors & misty fields“ kommen auf, wohlige Erinnerungen. Dann läßt auch schon Sänger Thomas Helm seinen wundervollen und deutlich hörbar gut ausgeblideten Tenorgesang erklingen, und spätestens hier ist der Hörer gefangen in der nächtlichen Natur des Heidemoores. Mit „Heimwärts“ dann wird die Reise fortgesetzt; und dieses Stück erinnert plötzlich an „A wintersunset…“ – Tränen wollen in die Augen schießen. Vor dem geistigen Auge ziehen weite Felder vorüber, verschneite Landschaften, wilde Wälder, die mit Stück drei im „Nebel“ versinken. Und spätestens hier wird uns klar – ja, Schwadorf hat es geschafft, die Qualitäten der drei Vorgängeralben in einem zu vereinen. Die Vorfreude auf die nächsten Minuten des Werks wächst – berechtigte Vorfreude.

Nach weiteren düster-romantischen bis dramatischen Klängen aus der Heide beginnt Kapitel zwei, die Waldpoesie. Vertont wird eine nächtliche Waldwanderung, die Dramatik pur ist. Das vierteilige Stück beinhaltet folkloristische Melodien, spannende Dramatik (inklusive hörspielartiger Sequenzen) und auch einen wunderschönen Sonnenaufgang. Disharmonische Klänge wechseln sich ab mit reiner Poesie, und am Ende wacht der Hörer versöhnt auf. Ein absolutes Glanzlicht im Schaffen EMPYRIUMs – wunderbar.

Nach einigen Sekunden Pause erklingen dann die schon bekannten Akkorde von „Die Schwäne im Schilf“, das das Kapitel „Wassergeister“ einleitet. Dieses zutiefst dramatische und spannende Stück wäre vor Jahren noch undenkbar für EMYRIUM gewesen und zeigt die große Weiterentwicklung dieses Projekts, weshalb es auch in der Tat schade ist, daß Schwadorf beschlossen hat, es abzuschließen. Aber wir sind ja noch nicht am Ende… „Die Schwäne im Schilf“, welches die Geschichte einer Maid erzählt, die von Schwänen ins Verderben geführt wird, leitet am Ende sanft über zu romantischen Flügelklängen. Ja, das bestimmende Instrument des Wassers ist hier der Flügel. „Am Wasserfall“ sitzt ein „Fossegrim“, ein Fabelwesen aus der skandinavischen Mythologie, das fidelnd am Wasser sein Unwesen treibt. Dieser aber scheint unsagbar wehmütig zu sein und spielt uns ein Lied, das durch Sehnsucht und Liebe geprägt ist und zum Träumen verleitet. Auch ein Nix gesellt sich dann dazu, und im „blau-kristallnen Kämmerlein“, in das kein Licht dringt, läßt Schwadorf sein Werk und damit auch das Schaffen EMPYRIUMs ausklingen. Der letzte Akkord, den der Flügel Helms hergibt, klingt offen und in seiner Melancholie freundlich.

Ein versöhnliches Ende. Ein schönes Ende; das Ende eines Werks, das das Thema „Naturmystik“ nahe der Perfektion behandelt. Das Werk EMPYRIUMs, das mich die letzten Jahre begleitet hat, bekommt mit diesem dramatischen, lebendigen und in Teilen gar progressiven Werk seine Krone aufgesetzt. In seiner Vielfalt und großen atmosphärischen Abwechslung – die drei Kapitel sind klar voneinander getrennt und vertonen die jeweiligen Naturphänomene auf wundervolle Art und Weise – ist „Weiland“ damit sicherlich eins der ergreifendsten, intensivsten und, ja, schlicht schönsten Werke dieses Jahres und wird den Weg vieler sicher noch lange begleiten. So bleibt mir also nur noch, Markus/Schwadorf und seinen verschiedenen Mitmusikern zu danken für EMPYRIUM und die vielen schönen Stunden, die sie mir und vielen anderen in den letzten Jahren bereitet haben.

VÖ: 06.05.2002

Spielzeit: 50:55 Min.

Line-Up:
Ulf Theodor Schwadorf – Akustische Gitarre, Bassgitarre, Mellotron, Schlagzeug, Sprechgesang

Thomas Helm – Gesang, Flügel

Gastmusiker:

Nadine Mölter – Querflöte

Susanne Salomon – Geige, Bratsche

Julia Hecht – Cello

Horst Faust – Fagott

Produziert von Markus Stock
Label: Prophecy Productions

Homepage: http://www.empyrium.de

Tracklist:
Kapitel I – Heidestimmung

1. Kein Hirtenfeuer glimmt mehr

2. Heimwärts

3. Nebel

4. Fortgang

5. A capella

6. Nachhall

7. Kapitel II – Waldpoesie

Kapitel III – Wassergeister

8. Die Schwäne im Schilf

9. Am Wasserfall

10. Fossegrim

11. Der Nix

12. Das blau-kristallne Kämmerlein

Diskographie:

A wintersunset… (1996)

Songs of moors & misty fields (1997)

Where at night the wood grouse plays (1999)

Auszüge aus Weiland 7” (2001)

Weiland (2002)

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