ZURIAAKE, ASAGRAUM & LASTER, live am 3.8.2019 im Club Volta, Köln

Black Metal 2019 ist eine unglaublich spannende, kontrastreiche Angelegenheit. Wer das nicht glaubt, hätte an diesem Abend im Club Volta, Köln-Mülheim eine hervorragende Gelegenheit gehabt, sich davon zu überzeugen.

Kontraste hab ich mir schon auf dem Weg dahin gut geben können: Die Anreise mit dem Zug quer durchs Ruhrgebiet an einem Samstag garantiert die ein oder andere skurrile Begegnung mit deutschem Männer-Brauchtum (“Junggesellenabschied”), und Köln selbst hat mir beim Prä-Konzert-Spaziergang so interessante Traditionen wie einen Flohmarkt mit Devotionalen aus dem letzten Jahrhundert und einen Volkslauf mit lauter Menschen in entwürdigenden Leibchen (“Be happy! Be active! Be yourself!”) beschert. Gut, dass nur ein paar Meter weiter der Skulpturenpark liegt, ein kleiner Park mit, nun ja, Skulpturen – vorbildlich menschenleer. Die aktuelle Ausstellung zeigt u.a. eine goldene Kugel, ein Stück Kunstrasen, ein paar Kreuze mit Schnaps drin (glaube ich) und einen Busch (diese Skulptur trägt den Namen “The Park”); mein Favorit aber ist die Skulptur “The Fences”, die, genau, nichts anderes darstellt als den den Park begrenzenden Zaun. Sachen gibt’s. Aber nun ja, schön ruhig da.

In Mülheim angekommen suche ich die durch einen Nazi-Anschlag bekannt gewordene Keupstraße auf und fühle mich sofort wie zuhause (Dortmund-Nord): sehr viel türkisches Leben und türkische Gastronomie, viele Menschen auf der Straße, angenehm. Ein paar Schritte weiter ist das Carlswerk, eine ehemalige Fabrik, die heute vielen Firmen und dem Kölner Schauspiel ein Heim ist – und auch dem Club Volta. Hier ist die Atmosphäre dezent gespenstisch, denn Menschen gibt’s hier keine, stattdessen eben große Gebäude, in denen am Samstag Abend natürlich niemand mehr arbeitet. Steril, aber schön, und gespenstisch passt ja zu Black Metal.

LASTER: viel Coolness, wenig dahinter

Die Gastronomie im Club ist freundlich und kann u.a. mit Brooklyn Lager (und, äh, Kölsch) vom Fass punkten. Aber steril ist es hier drin schon, obwohl die netten bunten runden Kirchenfenster sowas wie Atmosphäre zaubern sollen. Egal, ich bin ja wegen der Musik da. Die kommt zunächst von den Niederländern LASTER, die vor kurzem ihr Debüt bei Prophecy Productions gegeben und mich damit leider rat- und damit reviewlos zurückgelassen haben. Irgendwie hat mich das Album mit seiner bemühten Avantgarde-Attitüde ohne wirklich packende Songs in erster Linie genervt. Und live wird’s nicht besser: Die drei dürren Gestalten in den weißen Masken sehen zwar cool aus, aber perfektes Zusammenspiel geht erstens anders, und zweitens wird auch hier deutlich, dass den Liedern schlicht die Substanz fehlt, um fesseln zu können. Man sieht mich selten mit verschränkten Armen vor einer Band stehen, die eigentlich durch Rhythmus punkten will – hier ist es passiert. Schade, denn den ein oder anderen Song finde ich tatsächlich gut. Vor allem einen, der nicht auf dem neuen Album ist und mehr traditionelle Melodie bieten kann. Dennoch möchte ich die ganze Zeit “Jetzt ist aber auch mal gut, ihr prätentiösen Kunststudenten!” rufen, tue es aber natürlich nicht – bin halt höflich.

ASAGRAUM: Zurück in die Zukunft

ASAGRAUM kommen ebenfalls aus den Niederladen (laut Info aber auch aus Mexiko?) und bieten das radikale Kontrastprogramm hierzu. Statt drei männlichen Post-Angestellten stehen vier weibliche Metallerinnen auf der Bühne, original mit Corpse Paint und allem, und braten kompromisslos einen geilen Song nach dem anderen runter. Ich kannte sie vorher gar nicht, kann aber spontan bei fast jedem Lied mitwippen und -trommeln. Hooks gibt’s auch genug, immer dann, wenn die Musik plötzlich ins Punkige umschlägt – das DARKTHRONE-Shirt der Schlagzeugerin lässt grüßen. Das Konzept der Band ist “Zurück in die 90er”. Es gibt Blast Beats, Harmonien aus zwei Gitarren, gekrächzte Ansagen über die Tatsache, dass man von Luzifers Flügeln getragen wird uns so, und das alles macht einfach nur großen Spaß. Am meisten einem einen Kölsch-Krug nach dem anderen leerenden zwergenähnlichen Mann im Publikum, der wie durch ein Wunder das Konzert überlebt. Im September kommt das neue Album, ich bin gespannt!

ZURIAAKE: Effektvoll, tiefschwarz, faszinierend

Die meisten Leute sind wegen ZURIAAKE hier, erneut ein krasser Kontrast zu den anderen Bands. Die Band kommt aus China, trägt traditionelle chinesische Kluft und geht gerade ein bisschen steil hierzulande, denn die Deutschen lieben Exotisches. Auf Platte haben sie mich bislang nicht überzeugen können, aber live ist das echt ein Erlebnis. Tiefschwarzer Doom Metal wird verwoben mit asiatisch-folkloristischen Klängen aus dem Laptop und einmal auch aus einer echten Flöte. Der Sänger macht dabei allerlei ritualistisch anmutende schön langsame und sehr effektvolle Bewegungen. Das fasziniert und wirkt live sehr gut, auch ohne die ganz großen Momente in der Musik. Besonders gut gefällt mir die Nummer mit der Vase (?) voller Wasser, die zunächst minutenlang beschworen und präsentiert wird wie Simba in “König der Löwen” (was der betrunkene Zwerg und ich selbstverständlich mit unseren Bierkrügen erwidern), nur um dann im Takt in die Menge entleert zu werden – hoffentlich war der Inhalt nicht allzu diabolisch!

Im Publikum befinden sich übrigens nicht nur klassische Metal-Fans, sondern auch einige ganz normal gekleidete Chinesen. Als irgendein deutscher Trottel von der Bar aus in einer Songpause lautstark einen rassistischen Witz macht, wird mir mal wieder bewusst, dass es nicht gerade leicht sein kann, als Angehöriger einer ethnischen Minderheit in diesem Land zu leben. Und dass es gerade deshalb übrigens auch kein Wunder ist, dass sich in Großstädten entsprechende Communitys bilden.

Wie dem auch sei, ein toller Abend: viele kontrastreiche Eindrücke, schönes, gut organisiertes und hochinteressantes Konzert, gutes Bier. Gerne wieder! (Tolle Fotos, gemacht von der veranstaltenden Gruppe “Sinospirit”, gibt’s hier.)

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