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WISDOM TOOTH FESTIVAL 2023: Der Festivalbericht

Mit einem bunt gemischten Programm und familärer Atmosphäre lockt das WISDOM TOOTH FESTIVAL zum ersten Mal an zwei Tagen ins bayerische Bissingen, wo zwischen etablierten Headlinern wie J.B.O. oder CYPECORE auch eine ganze Reihe aufstrebender Acts zum Zuge kommen dürfen.

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Freitag, 14. Juli 2023

Terzium Laszivus | Impact | Wanted Live | Oversense | Freedom Call | J.B.O.

Samstag, 15. Juli 2023

School of Rock | Voodoo Kiss | Fragmentation | Silenzer | Torrential Rain | Necrotted | Parasite Inc. | Cypecore

Fazit / Impressionen

“WTF!?” Das Mysterium hinter dem doch ungewöhnlichen Festivalnamen lässt auch NECROTTED-Sänger Fabian Fink nicht los, bis er am frühen Abend des finalen Konzerttags die Gunst der Stunde nutzt, direkt an der Quelle nachzufragen: Abgeleitet habe man den Titel ursprünglich vom Familiennamen „Zahn“ – ein feucht-fröhlicher Insider-Witz unter den Beteiligten. Was aber 2021 als privates Mini-Festival begann, wuchs schon im darauffolgenden Jahr zu einer umfangreicheren und durchaus ernsten Angelegenheit heran. Geboren war das WISDOM TOOTH FESTIVAL – dessen praktisches Akronym WTF sicherlich nicht ganz unbeteiligt an der neuen Namensfindung war.

Wer sich also nicht im Voraus die Mühe gemacht hat, die festivaleigene Website zu studieren, darf an diesem viel zu warmen Juli-Wochenende zunächst noch ein wenig grübeln. Darüber, was es mit der Namensgebung und natürlich dem noch kurioseren Maskottchen auf sich hat, welches die Besucher:innen über dem Eingang zum Infield begrüßt; nicht aber über die Ambitionen der Veranstalter. Schon im zweiten Jahr feiert das WISDOM TOOTH FESTIVAL eine bedeutende Premiere: Gerockt wird erstmalig an zwei Tagen, wofür die Organisator:innen des „Tooth Fairy“-Vereins ein bunt gemischtes Programm aus lokalen, überregionalen sowie durchaus etablierten Acts à la J.B.O. oder CYPECORE auf die Beine gestellt haben, die stilistisch eine nicht minder vielfältige Bandbreite versprechen.


FREITAG, 14. Juli 2023

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Es ist für viele der angereisten Musikfans wohl Segen und Fluch zugleich: Als wir verkehrsbedingt mit ein wenig Verspätung am Wildparkstadion in Hochstein, Bissingen, ankommen, zeigt sich die Sonne bereits von ihrer besten Seite. Keine Frage also, dass der unmittelbar an den Camping-Bereich anschließende Biergarten mit seinen schattigen Sitzgelegenheiten in diesen Nachmittagsstunden zum Zufluchtsort Nummer eins wird. Freie Plätze sind zwischenzeitlich rar gesät, was vor allem dem dort agierenden Marktmusik-Quartett in die Hände spielt.

TERZIUM LASZIVUS

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Mit zwei Trommlern und ebenso vielen Sackpfeifenspielern springen TERZIUM LASZIVUS immer dann auf die improvisierte Bühnenaufbaut, wenn auf der großen Stage im Infield gerade Spielpause herrscht. Für durchgängige Unterhaltung ist somit gesorgt, auch wenn einem die vier wackeren Herren zunächst durchaus leidtun können: Erst zum frühen Abend hin wird die Palettenkonstruktion um ein schattenspendendes Dach erweitert. Bis dahin brüten die vier Musiker tapfer in der sengenden Sonne, während sie mit Feuereifer typische Marktmusik-Klassiker zum Besten geben und hier und da auch mal etwas seltener gehörtes Material wie „Villeman og Magnhild“ einstreuen.

Dass die Resonanz dabei tageszeitabhängig zwischen aufrichtigem Beifall und verhaltenem Applaus reicht, ist wohl eher den Rahmenbedingungen denn der spielerischen Leistung TERZIUM LASZIVUS‘ geschuldet, die mit ihren treibenden Rhythmen manchmal mehr Energie einfordern, als es das gemächliche Biergartenpublikum bei rund 30°C Sommerhitze zu geben bereit ist. Den Hut ziehen wir dennoch ob der zur Schau gestellten Ausdauer sowie des unermüdlichen Einsatzes, den am Ende des Tages auch ein paar feierwütige Festivalgänger:innen mit einer spontanen Tanzeinlage entlohnen.

Fotogalerie: TERZIUM LASZIVUS


Wir erkunden zwischenzeitlich jedenfalls das großzügig angelegte Innenareal, das nicht nur aufgrund des umlagerten Ausschanks zum Verweilen einlädt. Fast schon idyllisch wirkt das Gelände mit seinen umrahmenden Laubbäumen zu jeder Seite – wäre da nicht die Bühne auf der gegenüberliegenden Südseite, wo es zwischendurch auch mal härter zur Sache gehen darf; wenngleich der Auftakt durch die Flötengruppe der hiesigen Musikschule wohl etwas gemächlicher ausgefallen sein dürfte. Nach der Modern-Metal-Band ALVEOLE, die uns anreisebedingt leider ebenfalls durch die Lappen ging, scharrt mit IMPACT jedenfalls bereits der erste regionale Nachwuchs-Act mit den Hufen.

IMPACT

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Hard und Heavy Rock soll’s sein, den die Dillinger auf dem WISDOM TOOTH FESTIVAL kredenzen, und das möglichst authentisch, wie umgehend das stilechte Bühnenoutfit von Sänger Joe Hanson in Kutte und weißer Leopardenhose verrät. Zwischen dem motivierten Frontmann und Drummer Ian Hendrik, welcher hinter seinem Kit nicht nur in „Hangover“ für die Backing Vocals zuständig ist, nutzen IMPACT jede sich bietende Gelegenheit, das Publikum in die Performance miteinzubeziehen.

Was anfangs in „Funky String“ noch mit etwas zögerlichem Klatschen erwidert wird, erfährt schon bald deutlich größere Resonanz: Ob es das gemeinsame Anstoßen mit Schlagzeuger Ian war oder das folgende JUDAS PRIEST-Cover „Breaking The Law“, vermögen wir nicht zu beurteilen. Jedenfalls singt das Publikum schon bald bei Eigenkompositionen wie Cover-Stücken bereitwillig mit, während zu „Killing In The Name“ der erste Crowdsurfer aufgrund der mitunter noch lichten Reihen kurzerhand über den Wellenbrecher direkt in die Hände der allseits bereiten Grabenschlampen gegeben wird. In jedem Fall kommt die staubig-trockene Interpretation des RAGE AGAINST THE MACHINE-Klassikers ähnlich gut an wie das eigene Material in Form von „Faster’n’Higher“ oder „Friday Night“.

Nach dem gemeinsamen Foto spendieren IMPACT ein METALLICA-Cover als Dreingabe

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Als Belohnung gibt es deshalb nach dem gemeinsamen Foto noch METALLICAs „Seek & Destroy“, bei dem die vorderen Reihen noch einmal ganz ungeniert ihre Textsicherheit unter Beweis stellen dürfen – ein cleverer Abschluss, der in Hochstein die Temperaturen vor der Bühne nochmal um ein paar Grad ansteigen lässt.

IMPACT Setlist

1. Motherfucking Outlaw
2. Funky String
3. Breaking The Law (JUDAS PRIEST-Cover)
4. Hangover
5. Killing In The Name (RAGE AGAINST THE MACHINE-Cover)
6. Faster’n’Higher
7. Friday Night
8. Seek&Destroy (METALLICA-Cover)

Fotogalerie: IMPACT


WANTED LIVE

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Dass gerade die Evergreens an diesem Nachmittag besonders gut ankommen, ist für WANTED LIVE natürlich ein gefundenes Fressen. Die siebenköpfige Cover-Band kann dementsprechend schon am frühen Abend auf die eifrige Unterstützung der Besucher:innen zählen, obgleich Sänger Larry zunächst seine Verwirrung ob der ungleichen Verteilung vor den Brettern nicht verbergen kann. Der Groschen fällt erst nach dem 2003er-Hit „Bring Me To Life“ (EVANESCENCE): Die kostbaren Schattenplätze rechts der Bühne gibt man in Bissingen freilich nur ungern auf.

Für den sympathischen Frontmann mit der kraftvollen Reibeisenstimme aber alles kein Problem: Mit Schlagseite können WANTED LIVE umgehen, schließlich zeigt sich neben den hartgesottenen Sonnenfreunden auch die „Schattenseite“ in bester Konzertstimmung. So folgt man in AHAs „Take On Me“ gerne der Bitte, aus der Hocke zu springen, nachdem Sängerin Nadine mit „Separate Ways (Worlds Apart)“ (JOURNEY) bereits die Tür zu den 80ern aufgestoßen hatte.

Musikalisch fühlen sich WANTED LIVE in den letzten drei Jahrzehnten pudelwohl

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Dort fühlen sich WANTED LIVE offenbar ebenso pudelwohl wie im darauffolgenden Jahrzehnt, wohin es sie mit „Open Your Eyes“ (GUANO APES) und dem heute als lockeren Schunkler vorgetragenen „Alles aus Liebe“ (DIE TOTEN HOSEN) verschlägt. Den Metalheads im Publikum hat man kurz zuvor neben IRON MAIDENs „Run To The Hills“ auch das NIGHTWISH-Duett „Wish I Had An Angel“ spendiert, so dass die Band für das abschließende „Don’t Stop Believin‘“ schlussendlich das komplette Infield hinter sich zählen kann.

Fotogalerie: WANTED LIVE


OVERSENSE

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Obgleich die Organisation des WISDOM TOOTH FESTIVALs bislang kaum Wünsche offenlässt, läuft hinter den Kulissen wohl nicht immer alles rund: OVERSENSE sind keineswegs die erste Band des Tages, die mit einigen Minuten Verspätung die Bretter betritt. Dass es nach dem Klassiker-Paket mit WANTED LIVE vor der Bühne nun etwas lichter aussieht, ist ein wenig bedauerlich, denn die Nürnberger Formation hat neben einem stimmigen visuellen Konzept mit der scheidenden Gitarristin Jassy Pabst (ALL FOR METAL) selbst ein gewichtiges Argument in petto, den heutigen Auftritt nicht zu verpassen.

Es ist schließlich eine der letzten Gelegenheiten, die Band in exakt dieser Besetzung live zu erleben. Was durchaus schade ist, denn die Chemie auf der Bühne stimmt, während sich die Bühnen-Erfahrung bei der Überbrückung der anfänglichen technischen Probleme umgehend bemerkbar macht: So stimmt Jassy kurzerhand den METALLICA-Hit „Enter Sandman“ an, um die gut gelaunte Meute zu ihren Füßen zu bespaßen. Mit Erfolg, wie sich zeigt, denn lange dauert es nicht, bis sich der erste generationenübergreifende Circle Pit formiert, bei dem der tätowierte und muskelbepackte Metalhead auch gerne mal den jungen Nachwuchsfan im JINJER-Shirt bei der Hand nimmt.

OVERSENSE sind mit ihrem modernen Melodic Metal auf dem WISDOM TOOTH FESTIVAL durchaus gut aufgehoben

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Das mag skurril klingen, ist aber durchaus repräsentativ für den familiären Charakter des WISDOM TOOTH FESTIVALs, wo OVERSENSE mit ihrem modernen Melodic Metal eigentlich perfekt aufgehoben sind. Während Gitarristen Jassy zwischen flinken Solo-Eskapaden gerne die rote Mähne kreisen lässt, sorgt Kollege Danny mit seinem mal rockig-rauen, mal betont tiefen Gesang für die eingängigen Hooks: Material wie „Toast To The Devil“ oder das an „The Witcher“ angelehnte „White Wolf“ geht gut ins Ohr, ohne sich anbiedern zu wollen, wohingegen „Rave In Hell“ dank seiner präsenten Synthesizern gar ein wenig Party-Flair versprüht. Okay, so ganz passen solche Vibes eigentlich nicht zu den postapokalyptischen Bühnenoutfits des Quartetts, das in „Love“ aber gekonnt sein Image zu retten weiß, indem Bassist Marco Volpert zum Ende hin eine Schrotflinten-Attrape zückt, um den eindringlichen Textzeilen des Stücks zusätzlichen Nachdruck zu verleihen. Nochmal Glück gehabt!

Fotogalerie: OVERSENSE


FREEDOM CALL

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Irgendwie ist an diesem Freitagabend der Wurm drin. Eine geschlagene Dreiviertelstunde sind wir bereits im Verzug, bis FREEDOM CALL endlich den Startschuss setzen können. Das Positive daran: Aller technischen Komplikationen zum Trotz erklingt der Sound nun nahezu glasklar aus den Lautsprechern, wodurch der großen Metal-Sause eigentlich nichts mehr im Weg steht. Vor der Bühne verteilt sich die Menge zwar allgemein noch recht locker, lässt sich dafür jedoch nach anfänglichem Zögern recht bald aus der Lethargie reißen.

Das ist selbstredend auch der Verdienst der grundsympathischen FREEDOM CALL selbst, deren Spielfreude nichts anderes als ansteckend wirkt. Mit breitem Grinsen im Gesicht lässt Bassist Francesco S. Ferraro die Haare kreisen, wobei es ihm Rückkehrer Ramy Ali bei seiner heutigen Premiere hinter den Kesseln gleichtut. Bandchef Chris Bay führt derweil in bodenständiger Manier durch den Abend, wobei der selbsternannte „Pussy Metaller“ mit einem gesunden Maß Selbstironie über das eigene Image witzelt: „111 – The Number Of The Angels“ ist eben nur ein sechstel so Böse wie die Zahl des Teufels.

FREEDOM CALL schenken dem WISDOM TOOTH FESTIVAL eine Live-Premiere

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Die Späßchen macht man auf dem WISDOM TOOTH FESTIVAL gerne mit, auch weil Bay zwischendurch den direkten Kontakt zum Publikum sucht, indem er für „M.E.T.A.L.“ spontan einen huttragenden Fan im Zentrum zum Chor-Vorstand ernennt. Kein Wunder also, dass die Berührungsängste schnell verflogen sind: Sprangen die Bissinger in „Tears of Babylon“ zunächst noch zögerlich im Takt, werden in „Sail Away“ bereits ungeniert die Arme geschwungen. Chris Bay muss somit in der zweiten Hälfte des Sets nicht lange um ein Geburtstagsständchen für Soundmann Federico bitten, der sich von der Einlage sichtlich überrascht zeigt.

Den unbeschwerten Grundtenor legen FREEDOM CALL erst gegen Ende für kurze Zeit ab, als Chris Bay vor dem Klassiker „Metal Is For Everyone“ unter Beifall eine Lanze für Inklusion und Gleichberechtigung bricht. Wie in so vielen Stücken der Power-Metal-Band mag diese Botschaft kitschig verpackt sein, doch kommt sie auch heute ohne Wenn und Aber von Herzen. Um dieses Statement umgehend in die Tat umsetzen zu können, spendiert uns das Quartett schließlich ganze drei Songs im Zugabenblock, wobei sich mit „The M.E.T.A.L. Fest“ sogar eine waschechte Live-Premiere ins Set geschlichen hat.

FREEDOM CALL Setlist – ca. 75 Minuten

1. Union of the Strong
2. Tears Of Babylone
3. Spirit of Daedalus
4. Sail Away
5. Hammer oft he Gods
6. M.E.T.A.L.
7. 111 – The Number of the Angels
8. Freedom Call
9. Power and Glory
10. Metal Is For Everyone
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11. Warriors
12. The M.E.T.A.L. Fest
13. Land of Light

Fotogalerie: FREEDOM CALL


J.B.O.

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Was ist pink, stets gut gelaunt, dabei seit Jahrzehnten im Geschäft und im Sommer 2023 von Fans so heißt erwartet wie umjubelt? Zugegeben, die Antwort mag mit Barbie und ihrem bevorstehenden Kinoabenteuer etwas offensichtlich sein, doch in Bissingen sieht die Situation um Viertel nach elf gar nicht so viel anders aus. Statt Plastik gibt es allerdings Metal(l) und statt Spielzeugpuppe die Fun-Metal-Kapelle J.B.O., die mit einer Dreiviertelstunde Verspätung die Bühne entert, nur um direkt das Gaspedal durchzudrücken.

Während im Hintergrund das Bandlogo immer wieder im Takt aufleuchtet, singen die treuen Fans vor der Bühne auf Anhieb textsicher mit – dass die Erlanger dabei auf ein hitgespicktes Set setzen und neben dem Opener „Planet Pink“, bei dem passend gefärbte Luftschlangen ins Publikum regnen, nur einen weiteren Track des gleichnamigen aktuellen Werks anstimmen, ist diesbezüglich sicherlich hilfreich. Doch auch sonst gibt es kaum Gelegenheit, sich diesem rosaroten Gute-Laune-Cocktail zu entziehen: Mit zwei Backgroundsängern herrscht auf dem zweistöckigen Set stets buntes Treiben, wenn etwa die Komparsen in „Dr. Met“ mit einer überdimensionalen Spritze hantieren oder im BACKSTREET BOYS-Cover „Wir ham ‘ne Party“ mit einstudierter Choreografie etwas Boyband-Flair aufs WISDOM TOOTH FESTIVAL bringen.

J.B.O. spielen gerne ein wenig länger als die angekündigten 90 Minuten

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Ganz gleich, welche Einfälle J.B.O. heute Abend haben, das aufgeweckte Publikum ist offenbar für jeden Spaß zu haben: Zu „Wer de lässt die Sau raus?“ wird im Zentrum der erste Moshpit eröffnet, bevor Gitarrist Vito ein wenig später den Hansi Kürsch (BLIND GUARDIAN) macht, indem er für den Bandklassiker „Ein guter Tag zum Sterben“ die Gesangsaufgabe für eine Weile komplett in die Hände der Zuschauerschaft legt. Mit Publikumsnähe und Interaktivität holt der Headliner auf diese Weise selbst einige Skeptiker in den hinteren Reihen an Bord, was uns vor allem eins bestätigt: Man muss nicht einmal Fan der sympathischen Formation sein, um sich von der authentischen und unverfälschten Spielfreude anstecken zu lassen.

Drummer Wolfram Kellner strahlt nicht nur während seines Solos über beide Ohren, wohingegen Gitarrist Hannes vor allem in der Kommunikation mit der unbeschwerten Meute zu seinen Füßen aufzublühen scheint. Dort segeln zwischendurch wahlweise rosarote Luftballons oder Seifenblasen durch den Nachthimmel, welche ein überschwänglicher Fan aus der – selbstverständlich – pinken Plastikpistole abfeuert. Tatsächlich scheint die Freude bei allen Beteiligten so groß, dass letztlich niemand einen Blick auf die Uhr riskieren will: Statt der angekündigten 90 Minuten spielen J.B.O. ihr komplettes zweistündiges Headliner-Set, das nur vor den drei Zugaben kurzzeitig den Schalk im Nacken abstreift.

Einen Song lang legen selbst J.B.O. ihr Blödel-Image ab

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Sie mögen die Blödel-Metaller sein, lässt uns Vito wissen, doch den Krieg in Europa könne man schlicht nicht ignorieren. Deshalb wolle man mit dem NEIL YOUNG-Cover „Rockin‘ In The Free World“ zumindest ein kleines Zeichen setzen. Was mit lautstarkem Beifall quittiert wird, lässt auch uns mit neu gefundenem Respekt für die Band und ihre Live-Shows zurück – selbst wenn uns das Quartett kurz darauf gesteht, dass letzten Endes ja doch „Alles nur geklaut“ sei.

J.B.O. Setlist – ca. 120 Minuten

1. Planet Pink
2. Dr. Met
3. Hoffen und Bangen
4. Mach noch eins auf
5. Wer lässt die Sau raus?
6. Bolle
7. I Don’t Like Metal
8. Der Hofnarr
9. Metal Was My First Love
10. Ich sag J.B.O.
11. Kuschelmetal
12. Schlumpfozid im Stadtgebiet
13. Mei Alde is’ im Playboy drin
14. Ich will Spaß
15. Drum Solo
16. Gänseblümchen
17. Wir ham ‘ne Party
18. Ein guter Tag zu Sterben
19. Vier Finger für ein Halleluja
20. Verteidiger des Blödsinns
21. Rockin‘ In The Free World (NEIL YOUNG-Cover)
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22. Alles nur geklaut
23. Wacken ist nur einmal im Jahr
24. Ein Fest

Fotogalerie: J.B.O.


Samstag, 15. Juli 2023

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Tag zwei in Hochstein: Die Nacht war zwar ob der Verzögerungen am Vortag etwas kürzer als geplant, den Weg auf das Gelände finden wir trotzdem noch rechtzeitig. Besonders wichtig ist heute die richtige Ausrüstung, wo der Wetterdienst doch tagsüber rund 36°C bei wolkenlosem Himmel angekündigt hat: Sonnencreme und Kopfbedeckung gehören somit zum A und O, um in der Freiluftsauna überhaupt bestehen zu können. Bei unserer Ankunft gegen halb zwölf scheint man auf dem Campingplatz dagegen noch nicht überall aus den Zelten gekrochen zu sein: Im Infield herrscht noch gähnende Leere, wobei sich die wenigen Frühaufsteher fast ausschließlich in den wenigen schattigen Ecken der Ostseite versammeln. Von dort kann man schließlich halbwegs entspannt dem Soundcheck des heutigen Eröffnungsacts lauschen, der um Punkt zwölf den Startschuss für den finalen Festivaltag geben soll.

SCHOOL OF ROCK

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War es gestern die Flötengruppe, die ein wenig lokales Flair auf das Festival gebracht hat, ist es heute die Schülerband „School of Rock“ der Nördlinger Maria Stern Realschule, welche die Brücke zwischen Metal-Event und Allgemeinheit schlägt. Mit zwei Keyboards und drei Sängerinnen ist man line-up-technisch gut aufgestellt, um der Hörerschaft aus Metalheads, Artists und stolzen Eltern eine bunte Auswahl bekannter Rock-Klassiker aufzutischen. Die Startschwierigkeit beim eröffnenden „Eye Of The Tiger“ – die Gitarre war wohl zunächst nicht eingesteckt – bringt die Nachwuchsformation dabei ebenso wenig aus dem Konzept wie die noch überschaubaren Reihen vor ihr, die sich grob in zwei Gruppen teilen lässt.

Nur die Allerhärtesten wagen sich in der sengenden Mittagshitze direkt vor die Bühne, wo sie gar der Bitte Thomas Pichls nachkommen, zum LIQUIDO-Hit „Narcotic“ auf und ab zu springen. Der Lehrer und Leiter der „School of Rock“ leitet zwischen den Stücken auf sympathische und ruhige Art durch das Programm, teilt dabei die eine oder andere Anekdote und zieht sich ansonsten bewusst in den Hintergrund zurück – lediglich für „Wonderwall“ (OASIS) greift Pichl selbst zum Tambourin.

Die “School of Rock” feiert einen überaus gelungenen Festival-Einstand auf der großen Bühne

JOURNEYs „Don’t Stop Believin‘“ intonieren die acht Schüler:innen derweil auf Wunsch von Bassistin Leonie, bevor man mit einem verschmitzten Grinsen den gezielten Tabubruch wagt: Als katholische Schule solle man manche Dinge nicht tun, lässt uns Lehrer Pichl wissen, nur um nachzusetzen, dass man es aber trotzdem mache. Gemeint ist natürlich AC/DCs „Highway To Hell“, bei dem das Dreiergespann am Mikro nochmal ordentlich Stoff gibt. Vielleicht mag am Ende des rund 40-minütigen Auftritts nicht jede Note perfekt gespielt worden sein, einen überaus gelungenen Live-Einstand auf der großen Bühne darf sich die „School of Rock“ trotzdem auf die Fahne schreiben. Einsatz und Spielfreude entlohnt das WISDOM TOOTH FESTIVAL in der Folge mit lang anhaltendem Applaus und dem vielerorts geäußerten Wunsch, das Nachwuchsprojekt auch im kommenden Jahr erneut einzuladen.

School of Rock Setlist – ca. 40 Minuten

1. Eye Of The Tiger (SURVIVOR)
2. Denkmal (WIR SIND HELDEN)
3. Narcotic (LIQUIDO)
4. Don’t Stop Believin’ (JOURNEY)
5. It’s My Life (NO DOUBT)
6. Wonderwall (OASIS)
7. Seven Nation Army (THE WHITE STRIPES)
8. Highway To Hell (AC/DC)
9. Boulevard of Broken Dreams (GREEN DAY)


VOODOO KISS

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Wie schon ihre Vorgänger haben auch VOODOO KISS unter der Hitzewelle zu leiden. Angesichts der weiter steigenden Temperaturen wagt sich nur ein erlesener Kreis an Fans direkt vor die Bühne, um sich den Hard Rock- / Heavy Metal-Mix aus nächster Nähe anzusehen. Dabei bringt das Quintett eigentlich alle Qualitäten mit, den neugierigen Zuschauer:innen Feuer unterm Hintern zu machen. Weil die Leiber unter der unbarmherzigen Sonne aber ohnehin schon brennen, springt kurzerhand die Security im Fotograben in die Bresche, um den schwitzenden Reihen mit dem Wasserschlauch etwas Abkühlung zu verschaffen.

Das zieht natürlich ein paar Leute mehr an, um unter dem improvisierten Sommerregen zu Stücken wie „The Beauty and The Beast“ oder „Nice Guys“ die Haare zu schütteln oder es dem Front-Gespann Gerrit Mutz und Steffi Stuber (MISSION IN BLACK) gleichzutun und in „Killer“ die Luftgitarre zu zücken. Die Chemie am Mikro jedenfalls stimmt, weshalb der Lead-Sänger in „The Prisoner“ die erste Stimme gerne der dauerstrahlenden Kollegin überlässt.

Neben Material vom Debüt haben VOODOO KISS auch neue Songs im Gepäck

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Mit Charisma versprühen Mutz und Stuber auf diese Weise genug Präsenz, um der bescheidenen und stoischen Art ihrer Kollegen ein passendes Gegengewicht zu spendieren. Die richtige Balance finden VOODOO KISS fernerhin auch bei der Songauswahl: Bewährtes vom Debüt ergänzen sie mit brandneuem Material wie „Spellbound By Your Eyes“ und „Feel The Curse“. Das kommt sogar so gut an, dass sich Bassist Klaus Wieland im Anschluss eines neu gewonnenen Fans annehmen darf, indem er diesem die aktuelle CD nach kurzer Wartezeit höchstpersönlich überbringt. Sympathisch!

VOODOO KISS Setlist

1. The Beauty And The Beast
2. Killer
3. Nice Guys
4. Spellbound By Your Eyes
5. The Prisoners
6. Bat An Eye
7. The Eagle In The Sky
8. Feel The Curse
9. No Time
10. Dr. Evil
11. Angel and Demon

Fotogalerie: VOODOO KISS


FRAGMENTATION

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Der Hitze trotzend hat sich nun eine durchaus respektable Fanschar vor der Bühne versammelt. Warum ausgerechnet FRAGMENTATION eine derart treue Gefolgschaft im Gepäck haben, hat zweierlei Gründe: Zum einen genießen die Nördlinger Lokalmatadoren Heimvorteil – Gitarrist Niko Altendorfer im WTF-Crew-Shirt hat etwa bereits am Vortag bei so mancher technischen Komplikation Hand angelegt. Zum anderen weiß Frontmann Soulskinner durch seine energische Bühnenpräsenz ganz genau, wie man das eigene Publikum zu Höchstleistungen anstachelt.

Mit seinem relativ klassisch gehaltenen Melodic Death Metal bringt das Quintett schnell Bewegung in den Pit, wo sich alsbald sogar die ersten Crowdsurfer bemerkbar machen. Zum musikalisch insgesamt härteren zweiten Festivaltag passen FRAGMENTATION mit Material wie „Rotten Cross“ oder „Claustrophobic Nightmare“ somit wie die Faust aufs Auge, insbesondere da bei aller Härte das gemeinsame Miteinander nicht in Vergessenheit gerät.

FRAGMENTATION wissen ganz genau, wie man sich den Heimvorteil zu Nutze macht

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Warum allerdings das Publikum zur Halbzeit ausgerechnet nach „Lebakas“ verlangt, bleibt für Außenstehende wie uns am heutigen Tag wohl ein Mysterium, dafür heben auch wir gerne mit Sänger Soulskinner das Glas, um bei diesem unbarmherzigen Wetter die Flüssigkeitszufuhr nicht zu vernachlässigen.

Die Grabenschlampen wiederum leisten mit dem Wasserschlauch in der Hand ihren Beitrag, indem sie zum Ende der rund 50-minütigen Show den soeben formierten Circle Pit auf ein erträgliches Maß herunterkühlen. Im Nachhinein jedenfalls hätten wir es uns eigentlich denken können, dass sich die Bissinger ihre Energiereserven ausgerechnet für den Heimatact aufsparen – ein Wiedersehen im nächsten Jahr sollte gemessen an diesem Auftritt jedenfalls oberste Priorität haben.

Fotogalerie: FRAGMENTATION


SILENZER

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Die Nachwehen dieser Party bekommen im Anschluss SILENZER zu spüren: Von der Affenhitze ausgelaugt, sucht nun der größere Teil des Publikums Zuflucht im schattigen Randbereich des Infields. Die so gerissenen Lücken vor der Stage mag nicht einmal der umso engagiertere Rest kaschieren, der schon beim eröffnenden „Abrgund“ sowie dem folgenden „In deinem Verließ“ ganzen Einsatz zeigt.

Aus dieser unschönen Situation machen die Österreicher dennoch das Beste, indem sie dem WISDOM TOOTH FESTIVAL eine kleine Lehrstunde in Sachen Stageacting erteilen. Während Gitarrist Luke Iggy die Haare fliegen lässt und sein Kollege Dave zwischendurch mit dem Instrument den Boden zu wischen scheint, turnt Frontmann Chris nahezu pausenlos über die Bühne. Dank glasklarem Sound und ausgesprochen gutem Gesang stimmt somit das Gesamtpaket, das in den härteren Metalcore-Spitzen an CALLEJON erinnert, zumeist aber mit Nu-Metal- und Alternative-Rock-Einflüssen („Niemandland“) auf drückende Riffs und melodische sowie eingängige Melodiebögen setzt.

SILENZER überzeugen mit ihrer explosiven Live-Show

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Allesamt Zutaten für eine explosive Live-Show, versteht sich, weshalb es nur eine Frage der Zeit ist, bis selbst die Menge in den schattigen Regionen von SILENZERs professioneller Darbietung angefixt wird. Das in „Dæmon“ eingewobene PAPA ROACH-Cover „Last Resort“ dient dabei nur als Weckruf, der schließlich im finalen „Deine Nähe Tut Weh“ in einem kleinen Circle Pit kulminiert.

SILENZER Setlist –  ca. 55 Minuten

1. Abgrund
2. In deinem Verließ
3. Treibsand
4. eX
5. Niemandsland
6. Apokalypse
7. Dæmon
8. Das Ende
9. Frei sein
10. Deine Nähe Tut Weh

Fotogalerie: SILENZER


TORRENTIAL RAIN

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Dass TORRENTIAL RAIN gewisse Ambitionen haben, ist auf den ersten Blick zu erkennen: Mit individuellen Aufstellern und LEDs legt das Quartett wert auf ein stimmiges Set-Design – sogar das Podest von Gitarrist und Sänger Christopher Dannes ziert eine Frontplatte mit dem stilvoll gestalteten Bandlogo. Der Anspruch, den die Nürnberger an sich selbst setzen, spiegelt sich derweil in ihrer Musik wider: Der progressive Metalcore ist gleichermaßen technisch wie abwechslungsreich und profitiert an diesem Nachmittag enorm vom differenzierten Audiomix.

Zwischen Djent-Anleihen im Opener „Strung Out“ und catchy Melodiebögen à la LANDMVRKS im lockeren „Why Do I Care“ finden TORRENTIAL RAIN die perfekte Balance zwischen Anspruch und Live-Spektakel, sodass der Funke beinahe im Rekordtempo von der Bühne auf das noch etwas sonnenscheue Publikum überspringt. Daran Anteil haben neben dem Gastauftritt Steffi Stubers (VOODOO KISS, MISSION IN BLACK) in „Home Alone“ insbesondere auch die Musiker selbst, die auf den Brettern alles geben, selbst wenn Bassist Dominik auf der rechten Seite die kompletten 50 Minuten in der Sonne brüten muss. Dass uns Frontmann Chris in der Zwischenzeit mit einem Augenzwinkern dennoch die mitgebrachten Beanie-Mützen am Merch-Stand schmackhaft machen will, sorgt in der Folge für einige Lacher, bevor uns die Band in einer kurzen Pause spontan als Komparsen für einen Social-Media-Clip einbindet.

Abwechslungsreich, catchy und energiegeladen: TORRENTIAL RAIN überzeugen auch auf der Freiluftbühne

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Im zweiten Anlauf ist man dann auch mit der Reaktion auf die Songankündigung „Fountain Of Youth“ zufrieden, welcher Anfang August erscheinen soll – umso kurioser allerdings, dass uns TORRENTIAL RAIN anschließend und nach all den Mühen den Track vorenthalten. Stattdessen gibt es mit „Obstacles“ und „Differentiate“ zwei Singles jüngeren Datums, die den starken Auftritt nichtsdestotrotz würdig abrunden.

TORRENTIAL RAIN Setlist – ca. 50 Minuten

1. Strung Out
2. Why Do I Care
3. Left Outside
4. Shorelines
5. Time Will Tell
6. Home Alone
7. Obstacles
8. Differentiate

Fotogalerie: TORRENTIAL RAIN


NECROTTED

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Nicht selten zählen NECROTTED zu den härtesten Bands eines Festival-Billings und doch erweckt Shouter Fabian Fink regelmäßig den Eindruck, als käme er gerade aus dem Fünf-Sterne-Urlaub und direkt auf die Bühne. Hawaii-Hemd, Sonnenbrille und Badeschlappen gehören wohl zur Grundausstattung – das Meiste davon verliert der Sänger allerdings noch während des ersten Songs. Doch nicht nur Fink, auch uns zieht es die Schuhe aus, als „No War But Class War“ wenig später die Daumenschrauben anzieht und uns der heftige Breakdown im neuen Track „Ignorance Is Fear“ in die Magengrube trifft.

Als hätte das WISDOM TOOTH FESTIVAL sehnsüchtig auf seine Dosis Death Metal gewartet, formiert sich kurz darauf in „Compulsory Consumption“ der erste Moshpit, den NECROTTED im Laufe der 55 Minuten entsprechend zu füttern wissen. Zunächst aber siegt doch die Neugier bei Frontmann Fabian, der vor versammelter Mannschaft nun doch das eingangs angesprochene Mysterium um den Festivalnamen lüften will. Eine Erklärung später zeigen sich nicht nur NECROTTED zufrieden: Mit neuem Elan und Schalk im Nacken dreht die Formation nun richtig auf, ohne eben den Spaß an der Sache missen zu lassen.

Bei NECROTTED dreht sich der Circle Pit zwischenzeitlich in Zeitlupe

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Nach einer Tanzeinlage zum „Superperforator“-Intro muss selbst die Security dran glauben, als Fink am Bühnenrand ein paar anzügliche Turnübungen vollführt. Anders als am Horizont gibt es aber weder im Graben noch auf der Bühne dunkle Wolken, sondern nur ein herzhaftes Lachen: NECROTTED mögen in Songs wie „Reich der Gier“ kritische Themen ansprechen, live darf es bei einem Slam-Song à la „Asocial Media Whore“ allerdings gerne auch mal ein Circle Pit in Zeitlupe sein. In der Tat scheint man im Zentrum so viel Spaß zu haben, dass sich das Shouter Fabi höchstpersönlich aus der Nähe ansehen will: Auf den Händen der Zuschauer:innen geht es einmal durchs Infield, wo man nun endgültig die nötige Betriebstemperatur erreicht zu haben scheint.

Fotogalerie: NECROTTED


PARASITE INC.

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Ein wenig haben wir bis zuletzt gezittert, war doch für den Abend ursprünglich ein waschechtes Gewitter angekündigt. Die Angst vor Konzertabsagen ist wetterbedingt nicht ganz unbegründet, wie verschiedene Schlagzeilen in den Medien jüngst belegen. An Bissingen aber scheinen die dunklen Wolken vorerst vorbeizuziehen, weshalb der einzige Sturm aus der Lautsprecheranlage schallen soll. Tatsächlich werden PARASITE INC. um halb neun bereits sehnlichst erwartet, wie ein Blick über das Festivalgelände zeigt.

Dicht gedrängt steht man vor der Bühne zwar nicht, doch ist das unter anderem auch dem großzügig angelegten Areal geschuldet. Nichtsdestotrotz reißt uns das Quartett mit ihrem Melodic Death Metal auf Anhieb mit: Das treibende „First Born“ vom aktuellen Album „Cyan Night Dreams“ (2022) prescht direkt nach vorne, bevor „Headfuck Rollercoaster“ und „This World“ im Anschluss die Nackenmuskulatur strapazieren.

PARASITE INC. sparen die größten Hits für das letzte Drittel auf

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Dass PARASITE INC. heute leichtes Spiel haben, liegt nicht allein am kraftvollen und dabei zumeist melodisch-eingängigen Material: Die mit einzelnen LED-Elementen versehene Bühne ergänzt das eigene Set-Design mit seiner Neon-Ästhetik geradezu perfekt und zeichnet so auch ein visuell stimmiges Bild in die Abendkulisse. Der Circle Pit in „Sunset Overdrive“ ist da nur die logische Konsequenz, wobei sich das WISDOM TOOTH FESTIVAL heute ohnehin auf einige Späße einlässt. Wie am Vortag bei WANTED LIVE springt man in „Follow The Blind“ gemeinsam aus der Hocke, nachdem sich die feierwütigen Fans im hitverdächtigen „Cyan Night Dreams“ kurz zuvor zu einer Ruder-Regatta auf dem Erdboden versammelt hatten.

Allein Bassist Lou vermutet weiterhin versteckte Energiereserven im Publikum und versucht unentwegt durch Worte und Gesten die Menge noch weiter anzustacheln. Unterstützung bekommt er dabei von der eigenen Setlist, welche sich die größten Bandhits für das letzte Drittel aufgespart hat. Eine Strategie, die Wirkung zeigt: So lässt sich das Infield in „Once And For All“ zunächst zu einer Wall of Death hinreißen, um schließlich ein weiteres Mal zu den Rudern zu greifen. Zumindest kurzzeitig, denn beim unverwüstlichen „The Pulse Of The Dead“ ist anschließend nochmal voller Körpereinsatz gefragt, bis PARASITE INC. mit dem gediegenen „When All Is Said“ nach 85 Minuten einen stimmigen Abschluss für einen packenden Co-Headliner-Gig finden.

Fotogalerie: PARASITE INC.


CYPECORE

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blankDie Sonne ist mittlerweile hinterm Horizont verschwunden, als im Vorfeld des Haupt-Acts erstaunlich ruhige, ja fast schon entspannte Oldie-Klänge aus der Anlage tönen. Was bereits auf der eigenen Headliner-Tour im Mai 2023 ein cleverer Trick war, um die Brücke zum postapokalyptischen SciFi-Konzept zu schlagen, funktioniert natürlich auch unter freiem Himmel bestens. Dort warten die Fans der Melodic Death Metal-Band bereits angespannt auf das letzte Kapitel des diesjährigen WISDOM TOOTH FESTIVALs, das – so möchte man meinen – sein komplettes Bühnendesign auf die nun folgenden CYPECORE ausgelegt hat.

 

Die LED-Elemente, welche schon PARASITE INC. zugutekamen, scheinen wie geschaffen für die vier martialisch anmutenden Musiker, deren orange leuchtenden Brustpanzer im Dunkel besonders gut zur Geltung kommen. Dementsprechend vereinnahmend gestaltet sich der Auftakt mit dem mächtigen „Chosen Chaos“ der aktuellen EP „Version 4.5: The Dark Chapter“ (2023), das die Band auf Anhieb von ihrer besten Seite zeigt.

Die kurzen Aufforderungen von CYPECORE-Frontmann Dominic Christoph sind wohlplatziert

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Gut eingespielt und mit bisweilen glasklarem Sound gibt sich auch Sänger Dominic Christoph stimmlich keinerlei Blöße, während er mit cyborg-artigen Bewegungen sowie bestimmenden Gesten die Illusion seines Alter Egos geradezu meisterlich verkauft – und mit dem letzten Ton des Openers das Mikrofon geradezu demonstrativ aus der Hand fallen lässt. Man könnte das als Machtdemonstration missverstehen, wäre die gesamte Band nicht so sehr um ein stimmiges Image bedacht.

Das Konzept funktioniert jedenfalls auch heute Abend, wie die gen Himmel gereckten Fäuste der Zuschauer:innen in „Where The World Makes Sense“ und der Moshpit in „Dreamsmasher“ nahelegen. Und doch zeigt sich der Frontmann ungewöhnlich kommunikativ, indem er die Menge immer wieder durch kurze Aufforderungen mit ins Boot holt. Auf Ansagen verzichten CYPECORE dabei nach wie vor, im Vergleich zur wildgewordenen Meute der eigenen Club-Tour sind die zusätzlichen Worte des Commanders aber sicherlich wohlplatziert, auch um in „Values of Death“ einem Fehlstart der Wall of Death vorzubeugen.

CYPECORE-Schlagzeuger Sebastian Unić bezieht das Publikum in sein Solo mit ein

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Dass eine Open-Air-Show derweil auch ihre Vorteile hat, weiß offenbar Gitarrist Pascal Olejnik, welcher die zusätzlichen Meter auf den Brettern zu nutzen weiß. Das sorgt für weiterhin Leben auf der Bühne, wo ansonsten sein Kollege Nils Lesser auch mal gerne ein nettes Solo vom Stapel lässt. Ein solches gestehen CYPECORE ihrem Drummer Sebastian Unić ebenfalls zu, was dieser mit dem angeteaserten „20th Century Fox“-Thema und dem „Imperial March“ direkt stilgerecht einläutet. Dass die eigentliche Melodie aus den Kehlen der Fans gegrölt wird, scheint clever mit einkalkuliert.

In jedem Fall dient die Reaktion als ein Beleg der ausgelassenen Stimmung vor der Bühne, wo seit einigen Minuten nun doch die Regentropfen vom Himmel fallen. Stören lassen wir uns davon keineswegs, schließlich fordern CYPECORE dank einiger Schauwerte weiterhin unsere volle Aufmerksamkeit ein. Nachdem Dominic Christoph im Hit „The Alliance“ bereits effektgewaltig eine CO₂-Kanone abgefeuert hatte, zückt er nun in „The Hills Have Eyes“ eine grellrot leuchtende Magnesiumfackel.

Auch CYPECORE haben heute Abend alles gegeben

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Zwischen Crowdsurfern („Spirals“) und Singalongs („Rise“) bleibt es bis zum Ende hin kraftvoll wie kurzweilig, so dass es CYPECORE nach dem ersten Finale „Saint Of Zion“ für die Zugabe „Values of Life“ doch noch mal zurück auf die Bühne zieht. Dass dabei während der letzten Sekunden sogar der beleuchtete Brustpanzer des Chef-Kommandanten erlischt, darf man gerne symbolisch auffassen: Ganz offensichtlich hat an der Seite der Fans sogar der Headliner selbst alles gegeben.

CYPECORE Setlist – ca. 85 Minuten

1. Chosen Chaos
2. Where The World Makes Sense
3. Dreamsmasher
4. Dissatisfactory
5. Liquid Fire
6. My Confession
7. The Alliance
8. Values of Death
9. Remembrance
10. Drum Solo
11. The Hills Have Eyes
12. Identity
13. Rise
14. Spirals
15. Saint Of Zion
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16. Values Of Life

Fotogalerie: CYPECORE


Mit dem WISDOM TOOTH FESTIVAL gewinnt Süddeutschland ein gut organisiertes und liebenswertes Nachwuchsfestival

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Dementsprechend zufriedene Gesichter sehen wir im Anschluss an uns vorbeiziehen. Zugegeben, ein wenig Erschöpfung können wir dort bei den meisten Festivalbesucher:innen nach zwei Tagen Hitzeschlacht natürlich ebenfalls ausmachen. Dass wir angesichts der Gegebenheiten dennoch so gut durchs Wochenende gekommen sind, ist auch ein Verdienst der professionellen Organisation, welche einen friedlichen und nahezu reibungslosen Ablauf erst ermöglichte. Dank fairer Preise für Speis und Trank und einem immer offenen Ohr für Wünsche oder Fragen lebten die Organisator:innen genau das familiäre Miteinander vor, welches letztendlich den gesamten Charakter des WISDOM TOOTH FESTIVALs auszeichnen sollte. Wo sonst sieht man solch proaktive und immer freundliche Stage-Security wie die Grabenschlampen mit Eimer und Kelle ausgerüstet über das Infield ziehen, um kostenlose Wasserduschen zu verteilen?

Momentaufnahmen wie diese betonen das Miteinander, welches für die Crew des Tooth Fairy-Vereins an erster Stelle zu stehen scheint. Das bestätigen uns darüber hinaus die Bemühungen um Inklusion und Barrierefreiheit sowie die tägliche Registrierungsaktion für die Stammzellspenderdatei DKMS. Dass man bei der Programmgestaltung musikalisch ebenfalls auf Vielfalt setzt, ist bei einem Festival dieser Größe zwar nicht ohne Risiko, doch letztlich gewinnbringend für das gesamte Flair der Veranstaltung, wo der neugierige Anwohner genauso neben dem eingefleischten Metalhead feiern darf wie die junge Familie mit ihren beiden Nachwuchsrockern im Schlepptau.

Klar, das kann auch mal zu skurrilen Szenen führen, wenn am Außenrand des Areals die Picknickdecke ausgebreitet wird, während sich NECROTTED-Sänger Fabian Fink gerade die Seele aus dem Leib schreit. „WTF!?“, mag man da im ersten Moment vielleicht rufen und trifft damit den Nagel auf den Kopf: Auch das gehört zur Identität des WISDOM TOOTH FESTIVALs mit seinem unmissverständlichen Akronym.

Fotogalerie: Impressionen

Fotos: Tatjana Braun (https://www.instagram.com/tbraun_photography/)

Veranstalter: Tooth Fairy e.V.

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