
Er wirkte fast ein wenig schüchtern, als er die Bühne betrat und mit einem kurzen Nicken das Publikum begrüßte: SOEN-Sänger Joel Ekelöf ist eher Gentleman als ein typischer Frontman einer Metal-Band. Große Gesten und übertriebenes Posing hat der Schwede auch gar nicht nötig, er hat eine wahrlich umwerfende Stimme, die live noch eindringlicher, wärmer und voluminöser klingt als auf den Alben. SOEN eröffneten ihr Set mit „Covenant“ vom aktuellen „Lotus“-Album, einer vergleichsweise kraftvollen Nummer. Die Wahl des Openers war gut – denn SOEN legen live durchaus eine Schippe Groove obendrauf, geben aber auch den leisen Tönen genug Raum.

Voll war’s im Club Cann – und SOEN wurden mehr als wohlwollend und freundlich begrüßt, nachdem GHOST IRIS ihr Set beendet hatten. Nicht ohne sich überschwänglich beim Publikum zu bedanken, denn die Billing-Zusammenstellung war ja recht ungewöhnlich: GHOST IRIS war dabei durchaus bewusst, dass sie mit ihrem progressiven Metalcore eine ganze Ecke härter als SOEN sind – und dass viele die Band zwar mit wohlwollendem Interesse verfolgten, aber eigentlich nur wegen des Headliners den Sonntagabend beim Konzert statt auf dem Sofa verbrachten. Umso schöner für GHOST IRIS, dass sie an diesem Abend den ein oder anderen von sich überzeugen konnten.

SOEN erfüllten die hohen Erwartungen
SOEN hatten eher das Problem, dass sie mit großen Erwartungen konfrontiert wurden – die sie aber von den ersten Minuten an vollkommen erfüllten, ja stellenweise sogar übertrafen. Highlights des Abends waren vor allem die ruhigeren Nummern wie „Lascivious“ mit den wunderbar akzentuierten Drumming von Martin Lopez, der von allen SOEN-Musikern bei der Vorstellung und nach den Zugaben am ausgiebigsten bejubelt wurde.
Magische Momente mit mehrstimmigem Gesang
Absolut überragend war „Lucidity” mit ergreifendem dreistimmigem Gesang, so sauber, so klar und so eindringlich, einfach zum Weinen schön. Und dass, wo ich diesen Song auf Platte gerne mal überspringe, weil’s mir von Platte dann doch zu ruhig ist. Aber die vertrackt-rhythmischen Nummern wie „Martyrs“ funktionieren auf der Bühne und im Publikum ausgezeichnet – und irgendwie hat man bei jedem Song das Gefühl, dass diese Bands einfach ganz viel Gefühl und Leben mit ihren durchaus komplexen Songs transportieren kann, ohne sich auch nur im geringsten anzustrengen. Nichts wirkte gekünstelt oder aufgesetzt, ob aktuelle Songs von „Lotus“, vom Vorgängeralbum „Lykaia“ oder „Slithering“ vom 2012 Debütalbum „Cognitive“ – die Songs flossen ineinander, nur sparsam unterbrochen von ganz kurzen Ansagen.

Neuzugang Cody Ford ergänzt die Band perfekt, der Gitarrist nimmt mit seinen gefühlvollen Soli fast schon die Rolle des Frontmans ein, und wenn er alleine im Spotlight an der Bühnenkante steht und seiner Gitarre zarte, ätherische Melodien entlockt, hat das fast schon etwas Magisches. Ganz weltlich hingegen war der Hinweis seiner Bandkollegen darauf, dass er heute ja Geburtstag habe – und genau dieser Verbindung von überragender Musikalität, Können und Hingabe mit dem rundum sympathischen Auftreten der Band machte den Abend zu einer ganz feinen Sache.

Gegenseitiger Respekt und die ehrliche Freude darüber, genau jetzt an diesem Ort zu sein und dieses Konzert zu genießen zu können, waren vor und auf der Bühne ganz deutlich zu spüren. Und auch deshalb frage Joel Ekelöf sich und das Publikum gleich mehrfach, warum SOEN eigentlich noch nie zuvor in Stuttgart gespielt zu haben. In der Tat eine gute Frage – die man künftig aber hoffentlich nicht mehr stellen muss, denn SOEN sind nach diesem Konzert immer willkommen.

Fotos: Markus Veyhle
Setlist SOEN, Stuttgart Bad Cannstatt, Club Cann, 17. März 2019
Covenant
Opal
Rival
Tabula Rasa
Lascivious
Jinn
Lucidity
Opponent
Martyrs
Slithering
Zugaben
Savia
Sectarian
Lotus
Konzertfotos SOEN, Stuttgart Bad Cannstatt, Club Cann, 17. März 2019
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