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CASTLE ROCK 8: Der Bericht

Der Bericht zum CASTLE ROCK 8.

The Pussybats |
Metallspürhunde |
Coppelius |
Gothminister |
Leaves´ Eyes |
Letzte Instanz |
Tanzwut

Das CASTLE ROCK, welches dieses Jahr bereits zum achten Mal über die Bühne ging, ist ein Festival der besonderen Art, ist es doch das einzige Festival für Gothic- und Metal-Liebhaber in Deutschland, das von einer Stadt ausgerichtet wird. Auch die Tatsache, dass die Veranstaltung seit sie im Jahr 2000 ins Leben gerufen wurde, Jahr für Jahr bereits Wochen vorher ausverkauft ist, macht das Festival im Schloß Broich in Mülheim an der Ruhr zu einer außergewöhnlichen Institution. Überraschenderweise gab es dieses Jahr doch noch einige hundert Karten an der Tageskasse zu erwerben, kurze Zeit nach Beginn des Festivals konnte Organisator Michael Bohnes dann aber doch noch verkünden, dass man erneut ausverkauft sei.

So blieb also letztlich doch alles beim Alten: Das CASTLE ROCK zeichnete sich, wie schon in den Vorjahren, durch eine außerordentlich familiäre Atmosphäre aus – sowohl unter den Besuchern wie auch unter den Sanitätern sah man einmal mehr lauter bekannte Gesichter – und die freundliche Security und das überwiegend gute Wetter taten ihr übriges, um das CASTLE ROCK 8 zum Paradebeispiel für ein gelungenes Festival zu machen.

Natürlich spielte dabei auch die Musik eine nicht unwesentliche Rolle. Kritisierten wir im letzten Jahr noch die Tatsache, dass vier von sieben Bands nicht zum ersten Mal auf dem CASTLE ROCK zu sehen und zu hören waren, so galt dies in diesem Jahr nur für eine Band, namentlich LETZTE INSTANZ. Es wehte also jede Menge frischer Wind im Burghof, wobei es, anders als in manch anderen Jahren, keinen echten Reinfall zu verzeichnen gab, dafür aber neben einigen hochkarätigen etablierten Bands für viele Besucher die eine oder andere positive Überraschung gab.

THE PUSSYBATS

Los ging es pünktlich um 13 Uhr mit den Esslingern THE PUSSYBATS, die sich ganz dem Goth’n’Roll verschrieben haben. Eigenständigkeit suchte man hier zwar vergeblich, denn kurz gesagt klang das, was das Quartett darzubieten hatte, einfach nach einer rockigeren Variante von THE 69 EYES – dennoch konnten die Jungs damit beim bereits anwesenden Publikum weitaus mehr punkten als der letztjährige Opener REMEMBER TWILIGHT, sprach man doch mit dieser Art von Musik viel eher das schwarze Publikum an. Zudem rockten THE PUSSYBATS nicht nur straight nach vorne, sondern zeigten gleichzeitig ein Gespür für außerordentlich eingängige Gesangsmelodien mit echtem Hitpotenzial, wie etwa in “Your Horrowshow” oder “Dance With The Devils”. Der sehr tiefe Gesang von Sid van Sin kam dabei sehr gut rüber, allein die vereinzelten Ausflüge in höhere Gefilde machten deutlich, dass der Frontmann noch weit davon entfernt ist, ein wirklich guter Sänger zu sein, wirkte der Gesang in diesen Passagen doch arg gequält.

Poste, was das Zeug hält: THE PUSSYBATS-Bassist Marple 8

Auch in Sachen Stageacting konnte Sid van Sin, der optisch als Ville Valo-Verschnitt daherkam, noch nicht vollends überzeugen. Die eigentliche Show machte Bassist Marple 8, der offenbar die 80er-Poser-Rock-Schule mitgemacht hat und mit seinen unterhaltsamen Posen für Leben auf der Bühne sorgte. Zwar wurde die Musik des Quartetts auf Dauer etwas eintönig, dennoch gehören THE PUSSYBATS definitiv zu den besseren Openern in der bisherigen Geschichte des CASTLE ROCK-Festivals.

METALLSPÜRHUNDE

Metallspürhunde auf dem Castle Rock 8
METALLSPÜRHUNDE-Frontmann Michel Frasse hatte das Publikum besser im Griff als seine Stimmbänder.

Die im Anschluss spielenden METALLSPÜRHUNDE konnten die Stimmung mit ihrem Electro-Goth-Rock dann noch einmal deutlich steigern. Zwar hatten die Schweizer bereits beim ersten Song mit einer technischen Panne zu kämpfen, so dass sie diesen noch einmal von vorne beginnen mussten, doch Sänger Michel Frasse nahm dies mit Humor, indem er sinngemäß anmerkte: “Jetzt rächt es sich, dass wir keine richtigen Instrumente gelernt haben.” Mit dieser selbstironischen Art konnte er zumindest beim Rezensenten gleich Pluspunkte sammeln.

Die sehr eingängige und extrem tanzbare Musik kam bei den Festivalbesuchern mehrheitlich sehr gut an, so dass Michel Frasse keine Probleme hatte, diese zum Mitklatschen und Hüpfen zu bewegen. Der Frontmann agierte quasi als Alleinunterhalter, während die beiden Keyboarder und der Gitarrist der Band sehr farblos wirkten und sie sich mit einer Rolle als Statisten begnügten. Die gelegentlichen, zaghaften Tanzversuche von Keyboarderin Marion Altwegg wirkten zudem etwas unbeholfen. Das machte aber nichts, denn Frasse hatte das Publikum, wie gesagt, absolut im Griff – deutlich besser als seine Stimmbänder, wenn er mal versuchte, seinen Sprechgesang durch richtigen, melodischen Gesang zu ergänzen. Da solche gesanglichen Schwächen aber in der schwarzen Szene der Normalfall sind, störte sich kaum jemand daran, so dass die METALLSPÜRHUNDE am Ende lauthals mit Zugaberufen bedacht wurden.

COPPELIUS

Was folgte, war der eindeutige Höhepunkt des Festivals, was die Bühnenshow, vor allem aber den musikalischen Anspruch betrifft. Das Schlagzeug ist das einzige Rock-Instrument, das bei COPPELIUS Verwendung findet. Ansonsten greifen die Berliner auf Cello, Kontrabass und Klarinetten zurück und warten mit bis zu vierstimmigem Gesang auf.

Auch der Auftritt auf dem CASTLE ROCK machte dabei eines deutlich: Insgeheim sind COPPELIUS waschechte Metaller. Einmal mehr begannen die Musiker ihren Auftritt mit einer Coverversion von IRON MAIDENs “Transylvania”, die es in sich hatte, und auch die Eigenkompositionen zeichnen sich durch metallisch geprägte Cello-Riffs und wirklich rockende Klarinetten-Soli aus. Die vier langhaarigen Bandmitglieder zeigten schließlich durch permanentes Headbanging endgültig, was Sache ist, und als Krönung gab es gegen Ende des Auftritts eine geniale Interpretation des MAIDEN-Klassikers “Killers” zu hören. Für ein schwarzes Festival gewagt, wurde das Stück dennoch regelrecht abgefeiert. Scheinbar ist der Anteil von Metalfans auf dem CASTLE ROCK mittlerweile doch höher als angenommen.

Coppelius auf dem Castle Rock 8
Extravagante Bühnenshow trifft auf anspruchsvolle Musik: COPPELIUS.

COPPELIUS stachen durch eine extravagante Show und komplexe Musik heraus, von der man eigentlich nicht erwarten würde, dass sie auf einem Festival, auf dem Tanzbarkeit und Eingängigkeit Trumpf sind, dermaßen gut ankommen. Dennoch schafften sie es, das Publikum, von dem nur ein kleiner Teil die Band bereits zu kennen schien, so sehr zu begeistern, dass es noch zu einer kleinen Zugabe reichte. Daumen hoch für die Gewinner des Festivals!

GOTHMINISTER

Gothminister auf dem Castle Rock 8
GOTHMINISTER: Der Mann mit der Pommesgabel.

Unser Rachendrachen warnte in seiner Rezension zu “Gothic Electronic Anthems” vor einigen Jahren vor der Wirkung, die die darauf enthaltene Musik habe, insbesondere vor dem zu erwartenden Begeisterungsschub, der beim Hören dieses “erschreckend perfekten Gothicmetalalbums” zu erwarten sei. Der Auftritt des Norwegers und seiner Hintermannschaft auf dem CASTLE ROCK war ähnlich perfekt. Die Mischung aus Electro, Gothic und Metalklängen war kompositorisch auf einem ganz anderen Niveau angesiedelt als etwa die stilistisch verwandten, aber nicht ganz so düstereren METALLSPÜRHUNDE. GOTHMINISTER schafften es, die Leute zum Tanzen zu bringen, die Musik aber gleichzeitig nicht zu simpel und vorhersehbar zu gestalten, so dass auch diejenigen, die einfach zur zuhören wollten auf ihre Kosten kamen durch interessante Arrangements aus harten Gitarrenriffs und düsteren, abwechslungsreichen Synthesizerklängen.

Auch die Bühnenshow machte einen merklich professionelleren Eindruck. Der schwarz-weiß angepinselte GOTHMINISTER machte mit seinem Totenschädel-Stab schon rein optisch einiges her, seine Hände formten sich immer wieder zur Pommesgabel, und mit böser Mimik und fordernden Ansagen heizte er dem Publikum mächtig ein, welches nach und nach immer besser mitging zur Musik der Norweger, und auch der zunächst noch zweifelnde Rezensent ließ sich im Laufe der Show von den Qualitäten der Band überzeugen. Wenn es um die Synthese von Gothic, Electro und Metal steht, sind GOTHMINISTER momentan die Referenz.

LEAVES´ EYES

Leaves Eyes auf dem Castle Rock 8
LEAVES´ EYES hatten mit einem undifferenzierten Sound zu kämpfen.

LEAVES´ EYES nahmen in diesem Jahr die Stellung ein, die XANDRIA im letzten Jahr inne hatten: die der einzigen Gothic-Metal-Band mit weiblichem Gesang. Doch es gab weitere Parallelen: Auch LEAVES´ EYES sorgten mit ihren Ansagen, in denen sie betonten, wie toll das Publikum abgehe, für Irritationen, stand dies doch im Widerspruch zu den tatsächlichen, zu Beginn noch eher verhaltenen Publikumsreaktionen. Ob sich diese Behauptung, wie bei XANDRIA, als selbsterfüllende Prophezeiung herausstellen sollte? Irgendwie schon, jedoch nicht in dem Ausmaß wie es bei den Bielefeldern im letzten Jahr der Fall war.

Dass das Publikum zwar etwas auftaute, aber nicht in Begeisterungsstürme ausbrach, lag vielleicht auch am mitunter bescheidenen Sound: Besonders bei den nicht seltenen Doublebass-Attacken wurde es ziemlich matschig, und allgemein waren die Growls von Alex Krull sehr schlecht zu hören. Dieser ließ sich seine gute Laune dadurch jedoch nicht verderben, sondern machte immer wieder deutlich, wie sehr es ihm auf dem CASTLE ROCK gefalle.

Aufgrund der Soundprobleme konnten LEAVES´ EYES natürlich dann am meisten überzeugen, wenn sie auf das Metal-Instrumentarium verzichteten, etwa beim kurzen, akustischen “Lyset”, bei dem Alex Krull die Percussion beisteuerte, und dem das starke “Legend Land” folgte. Für Musiker am interessantesten war indes die Performance von Bassist Christian Lukhaup, dessen außergewöhnliche Spieltechnik ihn für diese zum Blickfang machten.

LETZTE INSTANZ

Letzte Instanz auf dem Castle Rock 8
LETZTE INSTANZ haben auch an die nicht ganz textsicheren Festivalbesucher gedacht.

Für die LETZTE INSTANZ war dies bereits der dritte Auftritt auf dem CASTLE ROCK. Wie zu erwarten, fraß das Publikum der Band aus der Hand, wenn auch die recht zahlreich vertretenen neuen Songs noch nicht derart enthusiastisch abgefeiert wurden wie die alten Klassiker. Die war Setlist insgesamt jedoch recht ausgewogen, und die meisten neueren Songs – darunter das großartige “Sonne” und das für eine Hüpf-Orgie sorgende “Tanz” (beide vom letzten Album “Ins Licht) sowie “Das Meer” und “Sturmvogel” vom neuen Album “Wir sind Gold” – haben durchaus das Potenzial zu zukünftigen Klassikern. Ärgerlich nur, dass auch die jeweiligen Tiefpunkte der letzten beiden Alben, das platte “Das Stimmlein” und das nicht minder simple, allzu sehr auf Tanzbarkeit getrimmte “Maskenball”, sich zu Live-Standards zu entwickeln scheinen.

So gut die Band auch bei den Besuchern ankam, war der Auftritt leider alles andere als perfekt: Zum einen hatten die Musiker mit diversen technischen Problemen zu kämpfen, zum anderen setzte Sänger Holly mehr als einmal falsch ein, was nicht nur bei seinem Kollegen Holly D. für Irritation sorgte. Trotz aller Makel gehörte der Auftritt aber mit zu den besten des diesjährigen CASTLE ROCK, unter anderem, weil die Jungs durch eine humorvolle Aktion während “Rapunzel” punkten konnten. Sie bauten den KISS-Klassiker “I Was Made For Loving You” in ihren Song ein, und damit das Publikum den schwierigen Text auch mitsingen konnte, hielt Violinist Muttis Stolz entsprechende Text-Schilder hoch.

TANZWUT

Als TANZWUT dann die Bühne betraten, steigerte sich die ohnehin schon gute Stimmung noch einmal beträchtlich, die Berliner wurden also ihrer Rolle als Headliner absolut gerecht. Nach dem Orgel-Intro in Form von Bachs “Toccata” brach ein Feuerwerk von brachialen Gitarren, präzisen, wuchtigen Drums, modernen Elektro-Klängen und kraftvollen Dudelsäcken über die Besucher ein, dem man sich kaum entziehen konnte. Klingt die bloße Auflistung der Zutaten noch nicht besonders aufregend – andere, bekannte Kapellen haben schon ähnliches versucht, konnten dabei aber nicht wirklich überzeugen – so sei gesagt, dass TANZWUT es schafften, die verschiedenen Zutaten kunstvoll miteinander in Verbindung zu setzen. Während Bands wie IN EXTREMO scheiterten, zeigten TANZWUT, dass es sehr wohl möglich ist, Modernität und Melodiösität unter einen Hut zu bringen.

Tanzwut auf dem Castle Rock 8
Energiegeladene Show: TANZWUT.

Dem Publikum gefiel das Mittelalter-Elektro-Metal-Gebräu der Berliner offenbar ebenfalls sehr, so dass bei Klassikern wie “Meer” vom dritten Album “Ihr wolltet Spass” von der ersten bis zur letzten Reihe im vollen Hof von Schloß Broich mit geklatscht wurde. Seinen Anteil daran hatte aber sicher auch die energiegeladene Show der Band, allen voran von Sänger Teufel, der wie ein Verrückter auf der Bühne herumhüpfte und dessen Energie sich schnell auf das Publikum übertrug. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt war die Interpretation der “Merseburger Zaubersprüche”. Obschon diese mittlerweile von viel zu vielen Mittelalter-Bands verwurstet wurde, hatte die Darbietung von TANZWUT einen besonderen Reiz.

Fotos: Der Sand (LETZTE INSTANZ); danielw (alle weiteren Fotos)

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