WEINHOLD: Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten, nimmer sich beugen, kräftig sich zeigen

Die liebenswerte Quasselstrippe (ein Interview mit ihr wird nie langweilig – und nie kurz!!) hatte sich „1994 vom Rock´n` Roll zurückgezogen“ und neben einigen durchgeführten Studiojobs, Sessions und Workshops auch einen Gospel-Rock Chor mit ca. 40 Frauen ins Leben gerufen. Doch mittlerweile scheint der Bock auf Rock zurückgekommen zu sein, denn ein neues Album soll – unter dem Namen WEINHOLD – demnächst erscheinen. Grund genug, einen Interview-Termin mit Jutta zu vereinbaren um über Gestern, Heute und Morgen zu plaudern…

Zwar dürfte der Name Jutta Weinhold den meisten Metal-Fans erst durch ihre Alben mit ZED YAGO (From over yonder, 1987 und Pilgrimage, 1988) bzw. VELVET VIPER („Velvet Viper“, 1991 und The 4th Quest For Fantasy (1992) zu Gehör gekommen sein, doch Jutta Weinhold ist schon seit weit über dreißig Jahren im Musikbusiness tätig. Bereits im September 1969 (also drei Monate nach meiner Geburt) war sie die „Sheila“ im „Hair“-Musical. Sie gehörte 1972 zum Ensemble des „Jesus Christ Superstar“-Musicals, tourte 1974 mit Amon Düül II (eine deutsche Krautrocklegende), ehe sie von 1976-1980 mit der Jutta Weinhold-Band durch die Lande zog und Alben veröffentlichte. Sie ging für zwei Jahre (1976-78) als Gastmusikern bei/mit/für Udo Lindenberg auf „Livehaftig“-Tour, ehe Anfang der Achtziger weitere (Solo-)Scheiben (z.B. Mach ´nen Bogen um die Drogen, Live im Chicago) erschienen. Zu einer etwas härter rockenden Ausrichtung „ihrer“ Musik kam es 1982 mit der Band BRESLAU (zu der u.a. Szene-Original und Ex-Zeltinger-Gitarrist Alex Parche – einer der ersten deutschsprachigen Hardrocker – gehörte) und dem Album „Volksmusik“. Jutta rannte nie mit musikalischen Scheuklappen durchs Leben. Sie spielte Blues und Jazz (1981/82 mit Gottfried Böttger und Joe Penzlin – zwei durchaus bekannten Szenegrössen – oder bereits 1975 mit der KAFTAN-BLUES-BAND) und war von 1996 bis 1998 Sängerin in der „Rhythm’n Soul“-Band BLUE NOTE. Doch die meisten Fans kennen Jutta Weinhold nun mal (und ausschließlich) als Sängerin von ZED YAGO und/oder VELVET VIPER. Musikalisch war die Band (die u.a. für Bands wie DEEP PURPLE und W.A.S.P. den Support machte) relativ eigenständig, denn der eher wuchtige-stampfende als schnelle „Dramatic Metal“ (gepaart mit dem einmaligen Gesang) sorgte für eine eigene Identität in der schon damals recht unüberschaubaren Metal-Community. Doch aus den unterschiedlichsten Gründen (auf die in diesem Interview etwas näher eingegangen wird) kam es zu keiner lange andauernden Bandgeschichte. Die liebenswerte Quasselstrippe (ein Interview mit ihr wird nie langweilig – und nie kurz!!) hatte sich „1994 vom Rock´n` Roll zurückgezogen“ und neben einigen durchgeführten Studiojobs, Sessions und Workshops auch einen Gospel-Rock Chor mit ca. 40 Frauen ins Leben gerufen. Doch mittlerweile scheint der Bock auf Rock zurückgekommen zu sein, denn ein neues Album soll – unter dem Namen WEINHOLD – demnächst erscheinen. Grund genug, einen Interview-Termin mit Jutta zu vereinbaren um über Gestern, Heute und Morgen zu plaudern…

Jutta, Du hast ein neues Projekt names WEINHOLD am Start. Wer gehört alles zur Band und in welche Richtung geht es musikalisch? Ist ein Deal unterschrieben, wann kommt das erste Album? Sind Konzerte und Tourneen geplant?

Zu Weinhold gehören im Moment Kai Reuter (Ex-JANE – der Verf.) an Gitarre, Bass und Keyboards, der das Album auch produzieren wird. Am Schlagzeug sitzt sein Freund Philippe Candas (der früher bei/für FAIR WARNING trommelte – der Verf.). Das Lineup wird vervollständigt, sobald ein Deal steht. Ich habe den Namen WEINHOLD auch nicht gewählt, weil es mir darum geht, übermäßig im Vordergrund zu stehen, aber WEINHOLD ist ein Name den man mir nicht nehmen kann. Wir fangen bald an, die Songs zu mischen, und ich denke, es wird eine hammermäßige Produktion. Muss es ja auch werden, nach so vielen Jahren. Ich bin sehr gespannt auf die Reaktionen…

Wieso nach all den Jahren wieder die Lust auf Metal bzw. harte Musik?

Seit drei Jahren habe ich eine Homepage (www.jutta-weinhold.de). Ich bekomme viele, gute Mails, die mich motiviert haben, eine neue Produktion in Angriff zu nehmen. Habe sozusagen wieder Blut geleckt. Nach einem Auftritt mit meinen Freunden von METALIUM bei Fuck the Flut“ weiß ich, dass die harte Musik, die einzig wahre Rock-Musik für mich ist.

Wovon handeln die Stücke textlich? Machst Du etwas ganz Neues oder setzt Du auf bewährtes, sprich gibt es eine Fortsetzung der ZED YAGO-Story?

Nein, „meine“ ZED YAGO ist tot. Ein schönes Zitat von Tagore „Leuchtende Tage nicht weinen, da sie vorüber, lächeln da sie gewesen.“ Ich bin immer noch literarisch und poetisch interessiert und natürlich kommt auch die Phantasie nicht zu kurz. Natürlich gibt es auch bei der neuen Scheibe gute und dramatische Themen, z.B. „Macbeth“ von Shakespeare oder „Die Verwandlung“ von Franz Kafka. Das klassisches Thema ist dieses Mal von Rachmaninow und zwar das „Prelude“ in G-Moll. Wir machen diese Produktion nur mit uns, aus uns heraus und mit Freunden und Kollegen, bei denen ich mich bei dieser Gelegenheit schon mal für ihre aktive Unterstützung bedanken möchte.

Wieso hast Dich einige Jahre aus dem Metal-Business ausgeklinkt? Aus Wut/Enttäuschung über die negativen Begleitumstände des ZED YAGO-Splits?

Nachdem damals der Himmel über mir einstürzte, versuchte ich mit VELVET VIPER weiterzumachen, aber es ist so, wenn Probleme erst mal da sind, zieht sich alles um dich herum zurück. Ohne die Industrie ist es leider nicht möglich, eine Band am Laufen zu halten. Wie auch Du sicher weißt, geht es um Umsatz und nothing else. Ohne die Unterstützung von den wichtigen Medienmachern hast du „nur“ die Hardcore-Fans, die dir die Treue halten. Aber für’s Business reicht das leider vorne und hinten nicht. Auf jeden Fall habe ich 1993 noch eine Solo-CD namens„To be or not“ gemacht und hatte noch so viel gutes Material in der Hinterhand. Ich habe zu der Scheibe mit der fantastischen, tschechischen Band CITRON interessante Festivals in der Tschechischen Republik gespielt, was wirklich tolle und gute Erlebnisse waren. Leider ist diese Platte aber hierzulande nicht weiter beachtet worden, aber trotzdem habe ich den Spaß und meine Überzeugung nicht verloren.

Vor einiger Zeit erschien die „In Session“-Scheibe mit Klaus Henatsch. Was kannst Du uns über dieses Album erzählen?

1998 traf ich Klaus wieder. Er spielte schon in den Siebzigern in der Jutta Weinhold Band. Wir haben uns zusammen getan, um ein bisschen Rhythm’n Blues in diversen Clubs zu spielen. Die Aufnahmen haben wir gemacht, um Auftritte zu bekommen. In dieser Band habe ich dann Kai Reuter kennen gelernt, der mich als alten Gitarrenfan wirklich umgehauen hat

Jeder kennt die Story über den Ärger, den es damals um den Namen „ZED YAGO“ gab. Du warst die Stimme/das Erkennungszeichen der Band, und Du warst es auch, die das Konzept/die Story um ZED YAGO (der natürlich nur fiktiven Tochter des „Fliegenden Holländers“) nicht nur erdachte und entwarf, sondern auch diejenige, die ALLE Texte für ZED YAGO verfasste. Das hinderte den Rest der Band (allen voran Gitarrist Jimmy Durand) nicht daran, Dir nach dem Split die Nutzung des Namens zu verbieten, was sicherlich auch ein Grund war, warum Du Deiner neuen Band den Namen VELVET VIPER gabst. Sind die Narben mittlerweile verheilt oder warum erschien vor kurzem eine Best of-Scheibe namens “From the Twilight Zone“, an deren Zusammenstellung Du mitgewirkt hast. Wieso kam es zu diesem Album? Wieso waren Velver Viper-Stücke auf einer ZED YAGO-Scheibe? Welche Kompromisse musstest Du eingehen und gab es im Rahmen dieser VÖ wieder persönliche Gespräche mit Deinen Ex-Kollegen. Wie ist Euer Verhältnis heute?

ZED YAGO ist Vergangenheit. Ich habe alles gut überstanden. Mein Spruch dazu lautet „Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten, nimmer sich beugen, kräftig sich zeigen“. Ich habe die Verwertungsrechte an allen ZED YAGO Produktionen aus der SPV/BMG Zeit und nachdem die Nachfrage bei mir einging, ob und wo man die alten CDs erwerben kann, hatte ich die Idee eine Best of herauszubringen. Ich nahm Kontakt mit SPV auf und so kam das Ganze ins Rollen. Die VELVET VIPER Stücke sind noch in der ZED YAGO Besetzung entstanden, deshalb sind sie auch auf dem Album. Um den Namen benutzen zu dürfen, gab es natürlich auch Gespräche mit dem Namensinhaber (Gitarrist Jimmy Durand, der im Booklet kackfrech den damaligen Rechtsstreit um die Nutzung des Namens ZED YAGO wie folgt schildert : „Es gab Parallelen zu anderen Bands, in denen die kompletten Bandmitglieder gefeuert wurden, um somit der Sängerin eine Solokarriere zu bieten. Das haben wir jedoch in unserem Fall verhindert. Die Folge waren sehr harte, gerichtliche Auseinandersetzungen mit der Industrie, die es dennoch nicht geschafft hatten, uns den Namen ZED YAGO und den Glauben an unsere Sache zu nehmen.“). Soweit unser Verhältnis.

Hast Du schon mal die neuen ZED YAGO mit Deiner Nachfolgerin Yvonne Durand gehört? Wenn ja, was hältst Du davon?

Nein, und es interessiert mich auch nicht.

Hast Du auch mal daran gedacht, die ZED YAGO-Story in Buch- oder Comicform zu veröffentlichen…

Wollte ich früher mal, aber mittlerweile hat sich das erledigt.

Siehst Du gravierende musikalische/textliche Unterschiede zwischen den VELVET VIPER- und den ZED YAGO-Scheiben?

Nein, eigentlich nicht, denn die Texte sind eine logische Fortführung desselben Themas. Die Musik eigentlich auch. Ich wollte Dramatic Metal machen. Das war immer der Leitfaden, aber natürlich hat jede Besetzung ihre eigene Qualität und klingt somit anders.

Du hast ja auch 1982 mit Alex Parche und der Gruppe BRESLAU das Album „Volksmusik“ veröffentlicht. Gab es in den letzten Jahren auch mal wieder mit Gelegenheiten mit Alex Parche zusammenzuarbeiten?

Wir telefonieren zwar immer mal miteinander, aber was eine Zusammenarbeit angeht bin ich voll und ganz auf WEINHOLD konzentriert. Ich finde Alex super und hab immer gern mit ihm zu tun gehabt. Leider hatten wir mit Breslau zuviel politischen Wirbel, der uns auseinandergebracht hat, denn das Projekt wurde von der Presse in die rechte Szene gerückt. Damals hat die Industrie sich ebenfalls sofort zurückgezogen und uns im Regen stehen gelassen. Leider wurde Ich war damals damit total überfordert und wusste nicht wie mir geschah. Die Plattenfirma und der Verlag haben uns nicht unterstützt und halfen auch nicht, die Sachlage klarzustellen. Um dem ganzen Theater zu entgehen, bin ich ausgestiegen. Ich hatte damals wirklich eine schlimme Zeit und habe das nicht so einfach wegstecken können, denn ich habe mit rechtem Gedankengut überhaupt nichts zu tun. Für mich war Breslau eine provokative Herausforderung, eine gute Mischung zwischen Punk mit deutschen Texten, AC/DC und MOTÖRHEAD, mit einem zur Hochform aufgelaufenen Alex Parche. Dieses Erlebnis hat dazu beigetragen, dass ich mich völlig intensiv mit den Texten und Inhalten meiner Musik auseinandergesetzt habe. Von da an fing ich an mich den Klassikern zu widmen und achte darauf, dass keine Fehlinterpretationen entstehen können. Ich weiß heute, dass Musik auch Gesellschaftspolitik ist und dass man wissen muss welche Botschaft man rüberbringen will.

Du hast von 1976-1978 auch mit Udo Lindenberg zusammengearbeitet und ihn als Gastmusikerin auf seiner „Livehaftig“-Tour begleitet. Was kannst Du über diese Zeit berichten und gibt es heute noch Kontakt?

Mit Udo begann meine Sturm und Drang-Zeit. Es war Rock ´n´ Roll pur. Udo gab mir die Möglichkeit, viele Wochen auf Tournee zu sein und überregional bekannt zu werden, was für einen Anfänger damals gar nicht so einfach war. Für mich ist Udo auch einer der wenigen ernstzunehmenden deutschen Musiker. Ein intelligenter Mann mit Charisma und musikalischem Talent. Heute sehen wir uns manchmal auf Partys. Dann gibt’s ein „Hallöööööchen“ und ein Mineralwasser.

Gab oder gibt’s Kontakt zu alten Hamburger Musikkollegen wie Otto Waalkes, Olli Dittrich oder Marius Müller-Westernhagen?

Ich kenne nur Otto, den ich früher öfters getroffen habe. Heute sieht man sich nur noch selten, was leider auch für fast alle anderen aus der Hamburger Szene gilt. Leider trifft man sich nur auf Beerdigungen, wie bei der von Lonzo Westphal („Der Teufelsgeiger von Eppendorf´“ und Hamburger Szene-Original verstarb am 13.11.01 im Jahre von nur 49 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes – der Verf.) vorletztes Jahr.

Welche der Scheiben, auf denen zu hören bist, ist Deine Lieblingsscheibe, welche die, die Du am wenigsten hören magst?

Natürlich ist die neue CD „Fair is foul and foul is fair“ zur Zeit meine Lieblingsscheibe, während die ersten beiden LPs aus meinen Anfangsjahren aus den Siebzigern für mich am unwichtigsten sind.

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen…

Danke für Dein Interesse. Nicht vergessen, dass nur laute Musik die bösen Geister vertreibt.

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